GIVE e.V. hat nachgehakt. In exklusiven Interviews nehmen renommierte Experten Stellung zu wichtigen Fragen der Ernährung und Vitalstoffversorgung.
Optimaler Nährstoffstatus zur Stärkung des Immunsystems?
Prof. Dr. Manfred Eggersdorfer (University Medical Center Groningen)
1. Wie wirkt sich eine unzureichende Versorgung von Vitaminen auf das Immunsystem aus? Bin ich anfälliger für Krankheiten? Ist der Krankheitsverlauf schwerwiegender oder die Krankheitsdauer länger?
Das Immunsystem ist die erste Abwehrlinie unseres Körpers gegen Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien. Das Immunsystem ist komplex und erfordert für eine optimale Leistungsfähigkeit das Zusammenspiel einer Vielzahl von essentiellen Mikronährstoffen. Wir unterscheiden beim Immunsystem zwischen dem angeborenen Immunsystem und der adaptiven Immunabwehr. Nur bei guter Versorgung mit den essentiellen Mikronährstoffen verfügt der Körper über eine starke Immunabwehr. Die angeborene Immunabwehr reagiert schnell und unspezifisch auf Krankheitserreger, dabei werden weiße Blutkörperchen aktiviert, wie z. B. die Neutrophile, die die Krankheitserreger eliminieren. Neutrophile brauchen viel Vitamin C; die Vitamin-C-Konzentration ist 50- bis 100-mal höher als im Plasma. Mit Vitamin C gut versorgte Neutrophile sind effizienter in der Abwehr von Krankheitserregern. Deshalb empfehlen Experten bei Vitamin C eine tägliche Einnahme von 200 mg. Kranke haben einen höheren Vitamin-C-Bedarf, hier wird eine Dosis von 1 bis 2 g Vitamin C pro Tag empfohlen. Das adaptive Immunsystem reagiert langsamer, meist erst nach Tagen und hat ein „Erinnerungsvermögen“, sodass bei wiederholter Infektion eine schnelle und effektive Abwehr erfolgt. Die Europäische Food and Safety Authority (EFSA) unterstützt aus diesen Gründen für eine Reihe der Vitamine und Mineralstoffe eine gesundheitsbezogene Aussage (health claim) bezogen auf das Immunsystem. In der Summe: eine Reihe von Vitaminen und Mineralien spielt eine wichtige und komplementäre Rolle in der Unterstützung eines starken Immunsystems. Eine optimale Versorgung mit den Mikronährstoffen moduliert die Immunfunktion unterstützend und reduziert das Risiko, die Dauer und die Schwere von Infektionen.
2. „Deutschland ist kein Vitaminmangelland“ – heißt es immer wieder von führenden Fachgesellschaften. Empfehlen Sie dennoch generell die Supplementation von Mikronährstoffen?
Wenn wir von den essentiellen Mikronährstoffen, also den Vitaminen und Mineralien sprechen, sollten wir zwischen Mangel und suboptimaler Versorgung unterscheiden. Wir kennen in Deutschland keine Mangelkrankheiten mehr, wie z.B. Skorbut oder Rachitis, d.h. einen Mangel an den Mikronährstoffen gibt es in Deutschland nicht. Anders sieht es mit der Versorgung mit Mikronährstoffen nach den Empfehlungen der Ernährungsorganisationen aus, hier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Das Bundesforschungsinstitut für Ernährung & Lebensmittel in Karlsruhe hat in der Nationalen Verzehrstudie (NVS 2) ermittelt, dass die Abweichungen von den Empfehlungen mit 90 % Unterversorgung der Bevölkerung besonders groß für Vitamin D und Folat, und mit 50 % Unterversorgung erheblich für Vitamin E und C sind. Bei den Vitaminen A, B1, B2, B6 und B12 erreichen jeweils bis zu 30 % der Bevölkerung die Zufuhrempfehlung nicht. Es ist nicht gut, dass die Unterversorgung im Vergleich zu den Empfehlungen nicht breiter kommuniziert wird. Diese suboptimale Versorgung mit essentiellen Nährstoffen hat langfristig Einfluss auf die Volksgesundheit, auf die Lebensqualität, auf gesundes Altern; und das Immunsystem ist für Infektionsrisiken nicht optimal aufgestellt. Ein Nahrungsergänzungsmittel kann helfen, die Nährstofflücke im Vergleich zu den Empfehlungen zu schließen. Vitamine und Mineralstoffe sind essentiell für den Körper, sie sind in eine Vielzahl von Körperfunktionen involviert, und nur, wenn sie in ausreichender und empfohlener Menge zur Verfügung stehen, können alle Funktionen ausreichend bedient werden.
3. Ältere Menschen zählen zur Risikogruppe für besonders schwere Krankheitsverläufe. Ebenso zählen ältere Personen zur Risikogruppe für eine Vitaminmangelversorgung. Sehen Sie hier einen Zusammenhang?
Wir wissen, dass im Alter das Immunsystem schwächer ausgebildet ist und deshalb ein größeres Risiko für Infektionen und andere Krankheiten besteht. Viele Ältere sind zudem nicht ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt, dies zeigen viele Studien. Die Situation scheint sich dabei mit zunehmend eingeschränkter Selbstversorgung weiter zu verschlechtern. Häufig ist bei Älteren die Versorgung insbesondere mit Vitamin D, mit Vitamin E, mit den B-Vitaminen und auch Vitamin C nicht gut. Studien haben gezeigt, dass eine Versorgung mit 2 000 I.E. Vitamin D das Risiko für virale Infektionen der Lunge um bis zu 50 % reduzieren kann. Auch für Vitamin E gibt es Studien, die zeigen, dass höhere Dosen das Risiko für Grippe und Erkältung (upper respiratory tract infections) reduziert. Grippe und Lungenentzündung sind häufige Erkrankungen bei Älteren und können mit anderen Morbiditäten eine Belastung für den Einzelnen darstellen. Da bei Älteren in der Regel der Energiebedarf niedriger ist als in der Aktivphase, sollte auf eine ausreichende Vitamin- und Mineralstoffversorgung geachtet werden.
4. Am Ende der Winterzeit leiden aufgrund der geographischen Lage mehr Deutsche an einer unzureichenden Versorgung mit dem Sonnenvitamin Vitamin D. Welche Rolle spielt die Jahreszeit beim Ausbruch einer neuen Erkrankung wie Covid-19?
In der Tat zeigt eine Reihe von Studien, dass im Laufe des Winters der Vitamin-D-Spiegel im Blut von Personen abnimmt und erst im Laufe des Sommers wieder langsam ansteigt. Dies hängt mit der geringeren Eigenproduktion in der Haut zusammen, die eine Sonneneinstrahlung im UV-Bereich braucht, die im Winter in unserer Breite wenig gegeben ist. Gerade in der Winterzeit sind wir für Erkältung, Grippe und andere Erkrankungen anfällig. Aus diesen Gründen ist es ratsam, bereits ab Herbst auf die richtige Vitamin-D-Versorgung zu achten. Für ältere Personen beträgt die Vitamin-D-Empfehlung 800 I.E. pro Tag, diese Menge ist durch die Ernährung und Eigenproduktion gerade in der Winterzeit schwierig zu erreichen. Manche Länder führten eine Anreicherung in Grundnahrungsmitteln, wie z. B Milch, ein und empfehlen zusätzlich ein Nahrungsergänzungsmittel. Ein Vorbild dafür stellt Finnland dar, dort ist alle Milch und Butter mit Vitamin D angereichert; die Messung der Blutspiegel zeigt, dass die Bevölkerung damit im Durchschnitt optimal versorgt ist. In Finnland hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte durch Maßnahmen wie die Lebensmittelanreicherung mit Vitamin D die Volksgesundheit deutlich verbessert.
5. Nun ist die Krankheitswelle schon beinahe am Höhepunkt. Ist eine Supplementierung von Vitaminen auch noch sinnvoll, wenn man bereits Krankheitssymptome zeigt? Oder sollte man möglichst in weiser Voraussicht handeln?
Eine Unterstützung und Stärkung des Immunsystems ist immer empfehlenswert und hilfreich. Natürlich ist es besser, rechtzeitig vorzubeugen. Wir wissen beispielsweise, dass bei einer Erkrankung die Vitamin-C-Blutspiegel deutlich absinken, d.h. auch wenn bereits Krankheitssymptome auftreten, ist es sehr sinnvoll, ein Nahrungsergänzungsmittel und eine höhere Dosis Vitamin C zu nehmen!
Mikronährstoffe für einen erholsamen Schlaf
Uwe Gröber, Apotheker und Mikronährstoffexperte
1. Ab wann wird schlechter Schlaf zu einer ernst zu nehmenden Schlafstörung?
Viele Zeitgenossen leiden unter Problemen beim Einschlafen und/oder Durchschlafen. Hartnäckige Gedanken kreisen durch den Kopf und lassen die Betroffenen einfach nicht zur Ruhe kommen. Das kann schon mal passieren und ist kein Grund zur Besorgnis. Ziehen sich die Schlafprobleme aber über einen längeren Zeitraum hin (ab mehreren Wochen), dann handelt es sich um eine ernst zu nehmende Schlafstörung, die mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten verbunden ist. Schlafstörungen stehen mit der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen sowie psychischen Erkrankungen in Verbindung. Dann ist ärztlicher Rat dringend empfohlen.
2. Ist es ratsam, bei Schlafstörungen Schlafmittel einzunehmen? Welche Alternativen gibt es?
Von der zu schnellen Einnahme von Schlafmitteln rate ich in jedem Fall ab. Das sollte immer ein Arzt beurteilen. Betroffene sollten zunächst ihren Lebenswandel hinterfragen. Die permanente Reizüberflutung (z.B. Handy, Computer, TV) gepaart mit zu geringer körperlicher Aktivität an der frischen Luft beeinträchtigt einen ruhigen Schlaf.
3. Auch ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen kann Schlafstörungen verursachen – welche Mikronährstoffe können einen guten Schlaf fördern?
Mikronährstoffe, die an der Synthese von Serotonin beteiligt sind, haben Einfluss auf unser Schlafverhalten. Dazu zählen vor allem die Aminosäure L-Tryptophan, das Antistress-Mineral Magnesium und das Sonnenhormon Vitamin D.
4. Welcher Mechanismus steckt hinter dieser Wirkung?
L-Tryptophan wird im Körper zu dem schlaffördernden Botenstoff Serotonin umgewandelt. Aber auch Magnesium unterstützt die Synthese von Serotonin. Auf einen gesunden Vitamin-D-Status von mindestens 50 nmol/l sollte man in jedem Fall auch achten.
Was kann man noch tun, um besser zu schlafen?
Generell sollte man seine Schlafhygiene überdenken. Mit Schlafhygiene ist gemeint, bestimmte Gewohnheiten zu pflegen, die einen erholsamen Schlaf ermöglichen und wiederum andere zu vermeiden, die ihn stören. Regelmäßige Schlafzeiten, eine Abendroutine und ruhige Schlafräume, geschützt vor Lärm und Licht, können den Schlaf positiv beeinflussen. Auch Kräuter mit einer beruhigenden Wirkung können hilfreich sein, so zum Beispiel der Duft von Lavendel.
Zink und seine Rolle im Immunsystem
Prof. Dr. rer. nat. Lothar Rink, Uniklinik Aachen
1. Spurenelemente scheinen eine bedeutende Rolle bei der Abwehr von Viren und Bakterien zu spielen. Gilt das für alle Spurenelemente oder haben einzelne eine ganz besondere Bedeutung?
Prinzipiell braucht man erst einmal alle Mineralstoffe und Spurenelemente, wie insgesamt eine ausgewogene Ernährung, für ein funktionierendes Immunsystem, denn ein solches benötigt unheimlich viel Energie und Baustoff um zu funktionieren. Das Immunsystem ist das Zellsystem mit der höchsten Vermehrungsrate im Körper. So produziert ein Mensch pro Minute allein 80 Millionen neutrophile Granulozyten, die für die Bekämpfung von Krankheitserregern zuständig sind. Der Bedarf dafür muss erst einmal gedeckt werden.
Im Besonderen benötigt der Körper Zink, Kupfer und Eisen für das Immunsystem. Zink hat dabei die Rolle, das Immunsystem im Gleichgewicht zu halten. Studien bei unterernährten Kindern in der Dritten Welt haben auch gezeigt, dass nur Zink als Monopräparat in der Lage ist, das geschwächte Immunsystem bei diesen Kindern zu verbessern.
2. In Erkältungszeiten wird oft die Einnahme von zinkhaltigen Präparaten empfohlen. Kann Zink tatsächlich helfen, eine Erkältung abzuwehren?
Zink bringt das Immunsystem in die Balance. Bei Zinkmangel, der häufig bei alten Menschen auftritt, kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Entzündungsmediatoren und einer verminderten antiviralen Immunantwort. Ein Zinküberschuss hat allerdings fast die gleichen Effekte, da Lymphozyten gehemmt werden und direkt einige Botenstoffe unspezifisch als Antwort auf eine toxische Metallbelastung produziert werden. Insofern benötigt man einen ausgeglichenen Zinkhaushalt. Das aber ist gar nicht so einfach, denn für Zink verfügt unser Körper im Gegensatz zu beispielsweise Eisen über keinen eigenen Speicher. Daher muss Zink täglich zugeführt werden. Menschen mit ungenügender Zinkversorgung können bereits nach einer Woche unter Zinkmangel leiden.
Deshalb kann eine kurzzeitige Zinksupplementierung in Zeiten von Stress oder bei ungesunder oder unregelmäßiger Ernährung durchaus ratsam sein. Es sollten aber niemals mehr als 10 mg Zink pro Tag zusätzlich eingenommen werden, da es sonst zu Verdrängungseffekten mit Kupfer kommen kann – mit wiederum nachteiligen Effekten auf das Immunsystem.
3. Zink wird in Salben oft auch für wunde Hautstellen verwendet. Was bewirkt Zink bei einer lokalen Behandlung?
Bei der Wundheilung hilft Zink über die Unterstützung der Zellteilung und dadurch, dass es entzündungshemmend wirkt. Dies kann man mittlerweile auf molekularer Ebene belegen, denn Zink reguliert die Gene einiger Entzündungsmediatoren. Bei einem Zinkmangel werden die Gene unnötigerweise abgelesen, in Situationen der adäquaten Zinkhomöostase nur aufgrund von Gefahrensignalen, wie einer Infektion. Eine leichte Überdosierung, wie sie bei der Anwendung in Salben vorkommt, bewirkt dann eine Unterdrückung der Entzündung. Eine zu starke Überdosierung würde wieder eine Stressreaktion auslösen und gegenteilig wirken.
4. Wie schätzen Sie die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit dem essentiellen Spurenelement ein? Gibt es eine Methode zur Messung des Zinkstatus im menschlichen Körper?
In Mitteleuropa muss niemand an einem Zinkmangel leiden. Schließlich steht es eigentlich bei ausgewogener Ernährung ausreichend zur Verfügung. Trotzdem kommt eine Zinkunterversorgung häufiger vor als gedacht. Am häufigsten betroffen sind alte Menschen. Ein besonderes Problem haben aber auch Vegetarier und vor allem Veganer, da Zink nur über tierische Proteine gut verfügbar ist. Zink aus Pflanzen können wir nur schlecht aufnehmen, denn es ist zum größten Teil an Phytate gebunden. Manche Tiere besitzen dafür Phytase, ein Enzym, das das Zink freisetzt, welches dem Menschen jedoch fehlt.
Nach der nationalen Verzehrstudie II aus dem Jahr 2008 nehmen in Deutschland immerhin 32 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen zu wenig Zink zu sich. Bei alten Menschen über 65 Jahren sind dies sogar 44 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen, obwohl in dieser Altersgruppe schon 5,2 Prozent der Männer und 7,4 Prozent der Frauen Zink supplementieren. Wahrscheinlich ist das Problem aber noch größer, da in der Verzehrstudie von den aktuellen Empfehlungen der Zinkaufnahme für DACH (Deutschland-Österreich-Schweiz) ausgegangen wird. Diese Empfehlungen liegen aber deutlich unter den europäischen Empfehlungen der EFSA. Legt man diese zu Grunde, so hätten 75 Prozent der alten Menschen eine Zinkunterversorgung. Das deckt sich mit amerikanischen Studien, in denen bei über 60 Prozent der alten Menschen eine Zinkuntervorsorgung nachgewiesen werden konnte.
Die Konzentrationsbestimmung von Zink im menschlichen Körper ist schwierig und aufwändig. Es gibt seit Jahrzehnten Forschungsverbünde, die vergeblich nach einem Biomarker für Zink suchen, so wie wir zur Messung des Eisenspiegels Hämoglobin und Ferritin nutzen. Deshalb kann man zurzeit Zink nur direkt im Serum über Atomabsorptionsspektrometrie bestimmen. Dies ist zwar eine gängige Methode, die Spurenelementanalytik wird aber meist nur stiefmütterlich betrieben, so dass die Werte häufig nicht valide sind. Wir haben dies kürzlich getestet und veröffentlicht, wobei kommerzielle Anwender auf bis zu 80 Prozent Abweichung in identischen Proben kamen.
Aber auch wenn Zink akkurat gemessen wird, so hat der Zinkserumspiegel nur eine begrenzte Aussagekraft über die Zinkversorgung, da im Serum nur 0,1 Prozent des Körperzinks lokalisiert ist. An einem verbesserten Parameter beziehungsweise einer besseren Normierung des Serumzinks arbeiten weltweit viele Zinkforscher, wie wir auch.
Aus diesem Grund haben wir zunächst einen biochemisch validierten Kurzfragebogen mit 18 Punkten entwickelt (Trame et al. (2018) J. Trace Elem. Med. Biol.), der eine relativ verlässliche Aussage über den Zinkstatus gibt und der für die Ernährungsberatung oder Hausarztpraxis geeignet ist.
Omega-3-Fettsäuren im Detail betrachtet
Ernährungswissenschaftlerin Angelika Severin
Im Jahr 2016 erschien zum ersten Mal eine Übersichtsarbeit zur Versorgungslage gesunder Erwachsener mit Omega-3-Fettsäuren. Warum wurden bis dahin kaum Daten dazu erhoben? Was macht die Datenerhebung so schwierig?
Die Datenerhebung ist aus zwei Gründen schwer. Zum einen ist die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren nicht direkt messbar, sondern nur beispielsweise über den prozentualen Anteil dieser Fettsäuren an den Fettsäuren in den Erythrozyten. Der daraus gewonnene Index gibt Auskunft über den individuellen Versorgungsstatus des Menschen. Dieser Wert wird aber nicht standardmäßig bestimmt.
Zum zweiten kann die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren nicht bewertet werden, ohne die Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren im Auge zu behalten. Wichtig ist hier ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren. Sind diese beiden Gegenspieler nicht in einer ausbalancierten Menge vorhanden, können Entzündungen im Körper entstehen, wodurch bestimmte Krankheiten begünstigt werden können. Dieses Verhältnis sollte bei fünf zu eins liegen, liegt aber heutzutage häufig darüber. Das liegt auch an der gestiegenen Verwendung vorgefertigter Nahrungsmittel, Margarine und Sonnenblumenöl, aber auch dem Futter der Nutztiere.
Deshalb wird in der Regel die Versorgung über den Verzehr an den Omega-3-Fettsäure-reichen tierischen Lebensmitteln und pflanzliche Lieferanten wie Leinöl, Walnussöl und Rapsöl abgeschätzt und weniger über die Blutwerte verifiziert.
Bisher gibt es Empfehlungen zur Aufnahme von Omega-3-Fettäuren. Gibt es auch Grenzwerte im Blut für die essentielle Fettsäure?
Bei einem Wert für die essentiellen Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) in den Erythrozyten von weniger als acht Prozent der Fettsäuren spricht man von einer guten Versorgung, zumal der Wert in den Erythrozyten über die Versorgung in den letzten 120 Tagen Auskunft gibt. Bei Werten unter vier Prozent wird von einer Unterversorgung gesprochen.
Hauptaufnahmequelle für die Omega-3-Fettsäuren ist der Verzehr von fettreichem Seefisch. In Deutschland wird laut DGE zu wenig Fisch verzehrt, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Was empfehlen Sie? Was sind Alternativen?
Da das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren eine Rolle spielt, kann man durch eine Verringerung der Omega-6-Fettsäuren in der Nahrung dazu beitragen, dass man geringere Mengen an Omega-3-Fettsäuren benötigt.
Gut für die Versorgung ist auch, wenn man pflanzliche Omega-3-Fettsäuren-Lieferanten also Leinöl, Walnussöl und Rapsöl statt Omega-6-Fettsäure-reiche Öle wie Sonnenblumenöl verwendet. Auch Streichfett wie Margarine, industriell gefertigte Nahrungsmittel, fettes Fleisch und fette Wurst enthalten viele Omega-6-Fettsäuren und erhöhen damit indirekt den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren
Die essentiellen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA können aus der a-Linolensäure aufgebaut werden, die in pflanzlichen Ölen wie Leinöl, Walnussöl und Rapsöl enthalten ist. Doch leider liegt die Umwandlung der Linolensäure in EPA und DHA nur bei 9,5 Prozent bei Männern und 30 Prozent bei Frauen.
Menschen, die partout keinen Fisch mögen, sind Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren aus hochgereinigten Fischöl-Konzentraten eine sichere Variante um die Versorgung zu gewährleisten. Menschen, die nicht die einmal pro Woche Fisch essen, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen, können die Zufuhr der essentiellen Fettsäuren durch diese Nahrungsergänzungsmittel ergänzen.
Wichtig ist es zu wissen, dass derzeit keine negativen Auswirkungen einer langfristigen Aufnahme hoher Mengen an Omega-3-Fettsäuren bekannt sind, es also keine Auswirkungen eines „zu viel“ gibt, wohl aber eines „zu wenig“.
Die Entstehung welcher Krankheiten ist Ihrer Meinung nach am stärksten mit einer unzureichenden Versorgung mit essentiellen Omega-3-Fettsäuren verbunden?
Die essentiellen Fettsäuren tragen zu Erhaltung der normalen Gehirnfunktion, normaler Sehkraft und normale Herzfunktion bei. Deshalb ist eine ausreichende Versorgung zur Vorbeugung aller mit diesen Organen verbundenen Krankheiten wie beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen oder Demenz in diesem Zusammenhang wichtig.
Viele Studien belegen, dass Omega-3-Fetsäuren positive Effekte auf Blutdruck und Cholesterin haben sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen können. Der kardioprotektive Zielwert für EPA+DHA liegt bei über acht Prozent der Erythrozyten Proteine. Werte unter vier Prozent werden mit einem zehnfach erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod assoziiert. Darüber hinaus sollen Omega-3-Fettsäuren sich auch positiv auf verschiedene Gehirnfunktionen auswirken, was bei der erhöhten Anforderung der heutigen Zeit eine große Rolle spielen kann.
Die Rolle von Mikronährstoffen bei nichtübertragbaren Krankheiten
Dipl. oec. troph. Dirk Neuberger, Queisser Pharma GmbH & Co. KG
Das Quartalsthema sind noncommunicable diseases (NCDs), also nichtübertragbare Krankheiten. Was versteht man unter diesem Begriff? Welche Krankheiten sind unter diesem Begriff zusammengefasst?
Nichtübertragbare Krankheiten sind nicht ansteckend bzw. nicht von einer Person auf eine andere übertragbar. Typischer Charakter der Krankheiten ist, dass sie sich langsam entwickeln und über einen langen Zeitraum andauern, weshalb sie auch als chronische Krankheiten bekannt sind. Die fünf häufigsten NCDs sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Krebs, Diabetes und Erkrankungen des Bewegungsapparates. Aber auch psychische Erkrankungen wie die Demenz gehören der Rubrik der NCDs an. Alle Krankheiten weisen gemeinsame Risikofaktoren für die Entstehung auf und auch gemeinsame Handlungsmöglichkeiten sind bekannt.
Sind diese Krankheiten nicht vor allem ein Problem in Entwicklungsländern mit weniger fortgeschrittener medizinischer Versorgung? Inwieweit ist Europa/Deutschland von diesen Krankheiten betroffen?
Armut steht eng im Zusammenhang mit dem Auftreten von NCDs. Tatsächlich betreffen drei Viertel der NCD-bedingten Todesfälle Schwellen- und Entwicklungsländer. Statistisch sind laut WHO in Deutschland NCDs Ursache für 91 % aller Todesfälle. Mit 40 % stehen allen voran die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch auch die steigende Diabetesprävalenz, die gerade im „Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2017” veröffentlicht wurde, zeigt, dass in Deutschland trotz modernster medizinischer Versorgung mit einem weiteren Anstieg von NCDs zu rechnen ist. Durch den demographischen Wandel wird zudem ein Anstieg von psychischen Erkrankungen im Alter, wie der Demenz, erwartet.
Neben einer guten medizinischen Versorgung müssen vor allem Präventionsmaßnahmen zur Bekämpfung von Risikofaktoren vorangebracht werden, um das Problem in Angriff zu nehmen.
Eine solche Präventionsmaßnahme wäre die Gesundheitskampagne „Fünf am Tag“, die auf Empfehlungen internationaler Ernährungsgesellschaften, unter anderem von der deutschen Gesellschaft für Ernährung, ins Leben gerufen wurde. Damit ist der Verzehr von mindestens 5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag gemeint, um unter anderem vor Zivilisationskrankheiten zu schützen. Werden diese Empfehlungen in Deutschland umgesetzt? Gibt es Nährstoffe, die von besonderer Bedeutung sind?
Eine ausgewogene Ernährung liefert ausreichend Nährstoffe, um das Risiko für die Entstehung von unterschiedlichen Krankheiten zu mindern. Allerdings werden allgemeine Empfehlungen nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung erreicht. In der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DGES1), die zwischen 2008 und 2011 durchgeführt wurde, ermittelte das Robert-Koch-Institut den Lebensmittelverzehr von 7116 Personen. Daraus ging hervor, dass lediglich 15 % der Frauen und 7 % der Männer die empfohlenen 5 Portionen pro Tag erreichen. Betont wird, dass immerhin 39 % der Frauen und 25 % der Männer mindestens 3 Portionen Obst und Gemüse pro Tag konsumieren. Neben wichtigen Vitaminen sind in Obst und Gemüse viele Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die zur Risikominderung für NCDs beitragen können. Carotinoide sind beispielsweise in rotem, orangem oder gelbem Gemüse/Obst enthalten. Zu den Carotinoiden zählt übrigens auch das vornehmlich in grünem Blattgemüse enthaltene Lutein. Es ist besonders wichtig für die Makula des Auges. Neben der positiven Wirkung auf die Augengesundheit gibt es neue Erkenntnisse zum Erhalt der Gehirnfunktion bei älteren Personen.
Zu einer ausgewogenen Ernährung zählt auch der Konsum von (fettreichem) Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Die darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sind für ihre positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System bekannt. Laut Nationaler Verzehrsstudie II liegt der Fischkonsum deutlich unter den Empfehlungen und 16 % der Deutschen konsumieren überhaupt keinen Fisch. Einen ganz speziellen Fall stellt das Vitamin D dar. Hier ist es in der Praxis alleine im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung kaum möglich, den Tagesbedarf zu decken. Unverzichtbar ist daher zusätzlich die körpereigene Bildung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Körper hierfür Sonnenlicht benötigt, das in unseren Breitengraden gerade in den Herbst- und Wintermonaten häufig fehlt bzw. in seiner Intensität nicht ausreicht.
Gibt es besondere Risikofaktoren, bzw. was können wir außer einer ausgewogenen Ernährung noch tun, um Krankheiten vorzubeugen?
Neben Armut und einer mangelnden Versorgung mit Mikronährstoffen sind Rauchen und ein inaktiver Lebensstil bedeutende Risikofaktoren. Raucher haben ein zwei- bis viermal erhöhtes Risiko,Herzerkrankungen oder einen Schlaganfall zu erleiden. Trotz des Rauchverbots in öffentlichen Einrichtungen vieler Länder ist das Passivrauchen noch immer ein Thema. Gerade Kinder und Säuglinge sind besonders anfällig und können infolgedessen chronische Atemwegserkrankungen entwickeln.
Mangelnde körperliche Aktivität ist vor allem in Industriestaaten, also auch Deutschland, ein wichtiger Risikofaktor. Nach Angaben der WHO erreichen 26 % der Männer und 35 % der Frauen in den Industrienationen nicht die Empfehlungen für einen gesunden, aktiven Lebensstil. Grund hierfür sind die häufig sitzenden Tätigkeiten im Job und im Alltag. Studien zeigen, dass Personen mit einem aktiven Lebensstil ein deutlich geringeres Risiko für erhöhten Blutdruck, andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes haben. Durch eine gezielte Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention für die gesamte Bevölkerung wären Gesundheitsprobleme in Folge von NCDs weitgehend vermeidbar.
Welche Rolle hat die genetische Prädisposition bei NCDs?
Unter der genetischen Prädisposition versteht man eine erblich bedingte Empfänglichkeit für eine Erkrankung. Die Entstehung der Krankheitsbilder, die unter die NCDs fallen, unterliegt komplexen Schritten mit mehreren genetischen Komponenten. Ob eine Krankheit phänotypisch in Erscheinung tritt, ist von unterschiedlichen Umwelteinflüssen abhängig. Personen mit vermehrtem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fällen von Diabetes oder Demenz in der Familiengeschichte erkranken nicht zwingend an diesen Krankheiten. Das erhöhte Risiko kann durch einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend körperlicher Aktivität verringert werden.
Krankheiten vorbeugen mit Vitamin D
Apotheker Uwe Gröber, Mikronährstoffexperte
Schaut man sich wissenschaftliche Veröffentlichungen an, dann scheint die Vitamin-D-Forschung in den letzten Jahren einen wahren Boom erlebt zu haben – Woran liegt das? Was macht das Vitamin so interessant für die Wissenschaft?
Ein Mangel oder eine Unterversorgung mit Vitamin D ist ein globales Gesundheitsproblem, von dem weltweit über eine Milliarde Kinder und Erwachsene betroffen sind. Die damit verbundenen Folgen sollten vonseiten der Gesundheitspolitik nicht unterschätzt werden. Denn eine Vielzahl von akuten und chronischen Krankheiten unterschiedlichster Entwicklung ist untrennbar mit einem Vitamin-D-Mangel verbunden. Dazu zählen unter anderem Adipositas, Autoimmunerkrankungen (zum Beispiel multiple Sklerose und Typ-1-Diabetes), bakterielle und virale Infektionskrankheiten, Dentalkaries und Knochenstörungen in der Kindheit sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (zum Beispiel Schlaganfall), verschiedene Krebsarten (zum Beispiel Brust- und Darmkrebs), Osteomalazie, Parodontitis, Schwangerschaftskomplikationen, Typ-2-Diabetes sowie neurologische Erkrankungen (zum Beispiel Morbus Alzheimer).
Zudem spielt das Sonnenhormon seit Beginn der Evolution bereits eine zentrale Rolle für die Entwicklung und das Überleben der Menschheit. Wer seine mentale und physische Gesundheit, Lebensfreude und Schaffenskraft von Kindheit an bis ins hohe Lebensalter bewahren und das persönliche Risiko – auch das seiner Liebsten – für Zivilisationskrankheiten senken möchte, der sollte sich unbedingt mit diesem wunderbaren Sonnenhormon beschäftigen und in seinem sozialen Umfeld das Wissen darüber propagieren. In den letzten Jahren hat sich Vitamin D durch die aktuelle Forschung neben einer gesunden Lebensführung vom Knochenvitamin zu einer der wichtigsten Säulen für eine erfolgreiche Prävention gemausert.
Inzwischen wird Vitamin D in einem Atemzug mit verschiedenen Erkrankungen genannt. Was ist der Stand der Forschung? Kann das Vitamin tatsächlich vor der Entstehung von Krankheiten schützen?
Für den Vitamin-D-Spiegel misst man den 25(OH)D- Wert im Blut, er ist das Barometer für den Vitamin-D-Status und die Vitamin-D-Gesundheit. Zunächst ist wichtig zu wissen, dass der Vitamin-D-Spiegel in zwei unterschiedlichen Maßeinheiten gemessen werden kann: ng/ml und nmol/l. Man sollte daher stets auf die angegebene Einheit achten, da „ein Vitamin-D-Spiegel von 50“ völlig unterschiedliche Werte bezeichnen kann. 1 ng/ml entspricht 2,5 nmol/l.
Aktuelle Studien legen nahe, dass ein Mangel an Vitamin D [25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l] nicht nur die allgemeine sowie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität erhöhen kann, sondern auch ein wichtiger verursachender Faktor bei der Entstehung zahlreicher Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs oder Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, sein kann.
Dazu zwei Beispiele: Vitamin-D-Mangel ist mit dem vermehrten Auftreten von Brust- und Dickdarmkrebs sowie mit einem ungünstigen Verlauf von Non-Hodgkin-Lymphomen assoziiert. Bei Krebspatienten findet sich häufig ein Vitamin-D-Mangel, der mit dem Fortschreiten der Erkrankung korreliert.
Sowohl In-vitro- als auch In-vivo-Studien belegen, dass Vitamin D in seiner hormonaktiven Form – hierfür misst man den 1,25(OH)2D-Spiegel – in der Lage ist, die Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen im Pankreas zu verhindern und somit das Auftreten des Typ-1-Diabetes, der durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird, verringern kann. Eine Normalisierung des Vitamin-D-Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor der weiteren Zerstörung zu schützen.
In einer finnischen Studie an 12.058 Kindern wurde der Einfluss der Supplementierung von Vitamin D im ersten Lebensjahr auf die Diabetesinzidenz über einen Zeitraum von 30 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass Neugeborene, denen im ersten Lebensjahr täglich 2.000 IE Vitamin D im Rahmen der Rachitis-Prophylaxe gegeben wurde, im Vergleich zu denjenigen mit geringer dosierten Supplementen ein 78 % niedrigeres Risiko für Diabetes mellitus Typ 1 hatten. Kinder, bei denen im ersten Lebensjahr Rachitis auftrat, hatten im Vergleich zu nicht erkrankten Kindern ein 3-fach höheres Risiko für Typ-1-Diabetes.
Wie verhält es sich mit der Behandlung von Krankheiten? Kann auch hier Vitamin D eingesetzt werden?
Der Vitamin-D-Status sollte bei einer Reihe von Erkrankungen (siehe oben) labormedizinisch kontrolliert und gegebenenfalls durch eine adäquate Supplementierung kompensiert werden. Eine Erkrankung wie zum Beispiel Krebs lässt sich aber nicht durch Vitamin D komplett heilen. Bei Brustkrebspatientinnen konnte während der Behandlung mit bestimmten Chemotherapeutika ein deutlicher Abfall des 25(OH)D-Spiegels beobachtet werden. Vitamin D ist eine begleitende Maßnahme, welche die Krebstherapie sowie die Lebensqualität der betroffenen Patienten verbessern kann. Der Vitamin-D-Status sollte daher bei allen Krebspatienten kontrolliert und durch angemessene Supplementierung kompensiert werden.
In Deutschland sind laut Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung rund 60 Prozent der Männer und Frauen nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt. Ist das aus Ihrer Sicht ein Anlass zur Sorge?
Das ist natürlich erschreckend, aber wie eine aktuelle Studie zeigt, kommt es noch schlimmer: Die Häufigkeit des Vitamin-D-Mangels in den europäischen Bevölkerungen und die für alle Betroffenen damit verbundenen potenziellen Gesundheitsgefahren werden durch die Ergebnisse der soeben in der Fachzeitschrift American Journal of Clinical Nutrition publizierten ODIN-Studie (AJCN, 2016; Internetseite: www.odin-vitd.eu) zusätzlich belegt. In dieser Studie wurden die 25(OH)D-Spiegel von 55.844 Europäern ausgewertet. Die Ergebnisse sind alarmierend und stellen die Handlungskompetenz und das Verantwortungsbewusstsein der nationalen und europäischen Gesundheitspolitik gegenüber ihren Bevölkerungen infrage:
84 % der untersuchten Menschen hatten demnach einen 25(OH)D-Spiegel von weniger als 30 ng/ml, der nach den aktuellen Studien der Arbeitsgruppe um Herrn Prof. Dr. Michael Amling vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf für eine gesunde Knochenmineralisierung nicht ausreicht. Wie zu erwarten war, war ein Vitamin-D-Mangel in den Monaten von Oktober bis März deutlich häufiger nachweisbar als im Zeitraum von April bis November. Bei ethnischen Gruppen mit dunkler Hautfarbe war der Vitamin-D-Mangel sogar bis zu 71-mal häufiger nachweisbar. Legt man als gesunden Normalwert einen 25(OH)D-Spiegel von 40 bis 60 ng/ml (bzw. 100 bis 150 nmol/l) fest, so ist nach den Ergebnissen der ODIN-Studie die Volksgesundheit von Millionen Europäern und damit auch Deutschen durch einen Vitamin-D-Mangel gefährdet.
Wie könnte eine bessere Vitamin-D-Versorgung der Bevölkerung erreicht werden?
Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die einzeln oder kombiniert angewandt werden können:
- Sonnenlicht ist die natürliche und zugleich wichtigste Quelle für unsere Vitamin-D-Versorgung. Durch einen maßvollen und gesunden Umgang mit der Sonne ohne Sonnenschutzmaßnahmen könnten wir über 90 % unseres Tagesbedarfs an Vitamin D abdecken. Deutschland ist aber, wie viele andere Länder in Europa (zum Beispiel Großbritannien, Finnland, Norwegen), kein „Platz an der Sonne“. Und da viele von uns in abhängigen Beschäftigungssituationen stecken, beispielsweise in (Großraum-)Büros arbeiten, können sie daher kaum 2-3x pro Woche während ihrer Arbeitszeit eine Pause einlegen und sich vollständig entkleiden, um mittags 10 bis 20 Minuten auf einer Sonnenterrasse oder einer Wiese zu verbringen. Faustregel: Steht die Sonne so niedrig (flacher als 45 Grad) am Himmel, dass der Schatten des Körpers länger ist als der Körper selbst, kann in der Regel keine natürliche Vitamin-D-Produktion in der Haut mehr erfolgen.
- Steinpilze und Champignons sind eine gute Nahrungsquelle für Vitamin D. Allerdings muss man die Pilze vor dem Verzehr in der Sonne trocknen. Dieses Konservierungsverfahren ist bereits seit Jahrhunderten bekannt: man schneidet dabei zunächst die Fruchtkörper der Pilze in dünne Scheiben und legt sie dann auf einem sauberen Geschirrtuch oder Ähnlichem in der Sonne zum Trocknen aus(, ohne sie überlappen zu lassen). Im Zuge der Trocknung in der Sonne werden in den Pilzen durch die UV-Bestrahlung nennenswerte Mengen von Vitamin D2 (Ergocalciferol) produziert. Forscher der Universität Freiburg gehen davon aus, dass es für eine Tagesdosis Vitamin D ausreicht, wenn man an einem Sommertag 30 Gramm Pilze in jeweils 5 Millimeter dicke Scheiben schneidet und vor dem Verzehr etwa 30 Minuten in die Mittagssonne legt. Das auf diese Weise durch das UV-B-Licht gebildete Vitamin D2 ist chemisch stabil, was bedeutet, dass sich seine biochemische Wirkung nicht verändert und die getrockneten Pilze auch gelagert oder eingefroren werden können. Dieses verblüffend einfache Verfahren würde es ermöglichen, den Vitamin-D-Mangel in Deutschland zu verringern.
- Vitamin-D-Supplemente: Aufgrund der kurzen Halbwertszeit der Muttersubstanz Colecalciferol von 12 bis 24 Stunden werden hohe Dosen wie etwa 50.000 bis 100.000 I. E. Vitamin D rasch abgebaut und sind bereits nach einer Woche kaum noch nachweisbar.
Die regelmäßige tägliche Einnahme von Vitamin D führt hingegen zu einem gleichmäßigen Anstieg der Vitamin-D- und 25(OH)D-Spiegel im Blutserum, die sich nach etwa drei bis vier Monaten auf einem Gleichgewicht eingependelt haben. Im Gegensatz dazu verursacht die akute oder hoch dosierte Intervalltherapie mit Vitamin D starke Schwankungen des Vitamin-D-Status. Zum Ausgleich des 25(OH)D-Spiegels sollte daher bei einem Vitamin-D-Mangel eine Einnahme von täglich 40 bis 60 I. E. Vitamin D pro Kilogramm Körpergewicht erfolgen.
Vitamin D: Mehr als nur ein Vitamin
Dr. Thomas Schettler, Pfizer Consumer Healthcare GmbH
Warum ist Vitamin D so wichtig für unsere Gesundheit?
Das Vitamin D nimmt eine Sonderstellung unter den Vitaminen ein, denn es ist kein Vitamin im eigentlichen Sinne sondern ein Hormonvorläufer. Neben der Aufnahme mit der Nahrung kann das Vitamin auch bei Sonneneinstrahlung in der Haut des Menschen synthetisiert werden. In der Leber und in der Niere vollzieht sich dann die Umwandlung in die hormonell aktive Substanz 1,25-Dihydroxy-Vitamin D. Das Hormon wird in erster Linie benötigt, um den Calcium-Bedarf des menschlichen Körpers zu decken und ermöglicht die ausreichende Aufnahme des Mineralstoffs aus dem Darm. 30 bis 40 Prozent des mit der Nahrung aufgenommen Calciums und 80 Prozent des Phosphors können so für das Knochengerüst zur Verfügung gestellt werden – Vitamin D spielt somit eine zentrale Rolle bei der Mineralisation der Knochen. Außerdem ist das Vitamin auch an der Bildung der knochenaufbauenden Zellen – der Osteoblasten – beteiligt und sorgt dafür, dass sich das Knochengrundgerüst entwickeln kann. Diese klassischen Wirkungen von Vitamin D auf den Calcium- und Phosphatstoffwechsel stellen jedoch nur einen Teil seines vielfältigen Wirkungsspektrums dar. Darüber hinaus konnten auch Wirkungen auf das Immunsystem, das Herz-Kreislaufsystem und die Haut beobachtet werden. So wird mittlerweile auch die Rolle des Vitamin D in der Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen, von Immunerkrankungen wie z.B. Diabetes oder Multipler Sklerose und auch von Krebserkrankungen untersucht.
Laut aktuellem Ernährungsbericht der DGE ist die Vitamin-D-Versorgung in Deutschland nicht ausreichend. Woran liegt das?
Nur ein relativ geringer Teil des Vitamin D wird über die Nahrung aufgenommen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt an, dass je nach Altersgruppe pro Tag 10 bis 20 Mikrogramm Vitamin D benötigt werden – Kinder nehmen täglich aber nur 1 bis 2 Mikrogramm und Jugendliche und Erwachsene nur 2 bis 4 Mikrogramm über die Nahrung auf. Der größte Teil des Bedarfs muss daher mit Hilfe der Ultraviolett-B (UVB)-Strahlen der Sonne in der Haut hergestellt werden. In unseren Breiten – zwischen dem 47. und 55. Breitengrad – reicht die UVB-Strahlung in den Wintermonaten von Oktober bis März jedoch nicht aus, um ausreichend Vitamin D in der Haut zu bilden. Im Sommer könnten bei einer Ganzkörper-Sonnenbestrahlung dagegen täglich bis zu 250 Mikrogramm des Vitamins erzeugt werden, wozu ein halbstündiges Sonnenbad ausreichen würde. Da Vitamin D fettlöslich ist, kann das im Sommer gebildete Vitamin im Fettgewebe und in der Muskulatur gespeichert werden und dem Körper im Winterhalbjahr zur Verfügung gestellt werden. Für Personen, die sich im Sommer häufig im Freien aufhalten, kann der Vitamin-D-Vorrat ausreichen, um auch den Bedarf im Winter zu decken. Trotzdem gibt es verschiedene Faktoren, die bewirken, dass die im Sommer produzierte Menge bei vielen nicht für die Wintermonate ausreicht.
Gibt es Bevölkerungsgruppen, die einen erhöhten Bedarf haben, bzw. die besonders gefährdet sind, einen Mangel zu erleiden?
Menschen im Alter von 50 Jahren und älter haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Vitamin-D-Mangels. Das liegt daran, dass die alternde Haut die Fähigkeit verliert, Vitamin D so effizient wie notwendig zu synthetisieren. Außerdem können die Nieren im Alter auch weniger Vitamin D in die aktive Form umwandeln. Eine weitere Risikogruppe sind Frauen, die zum Beispiel aus religiösen Gründen lange Kleider und Kopfbedeckungen tragen – auch sie können durch die geringe Sonneneinstrahlung auf die Haut keine ausreichenden Mengen des Vitamins synthetisieren. Daneben hat die Pigementierung der Haut einen Einfluss auf die Vitamin-D-Produktion: Menschen mit dunklerer Haut besitzen mehr Melanin. Das Pigment reduziert die Fähigkeit der Haut, bei Sonneneinstrahlung Vitamin D zu produzieren. Daher müssen sie sich länger in der Sonne aufhalten, um die erforderliche Menge an Vitamin D zu synthetisieren. Letztlich sind auch die Büroarbeit und die Zunahme von Freizeitaktivitäten in geschlossenen Räumen, wie z.B. am Computer oder Fernsehen, für das Risiko einer Unterversorgung mit Vitamin D verantwortlich.
Wie hoch sollte der Vitamin-D-Spiegel idealerweise liegen? Und wie kann ich einem Mangel vorbeugen? Gibt es beispielsweise Lebensmittel, die besonders viel von dem Vitamin enthalten?
Ein Vitamin-D-Mangel liegt nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dann vor, wenn der Serum-25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel unter 30 Nanomol pro Liter (30 nmol/l) liegt. Eine gute Vitamin-D-Versorgung im Hinblick auf die Knochengesundheit ist bei einer Serumkonzentration von 50 Nanomol pro Liter und mehr gewährleistet. Wenn keine Vitamin-D-Synthese über die Haut stattfindet, kann diese Konzentration mit einer täglichen Aufnahme von 20 Mikrogramm Vitamin D erreicht werden.
Nur wenige Lebensmittel enthalten Vitamin D in signifikanten Mengen – die meisten davon sind tierischen Ursprungs. Dazu gehören insbesondere fetthaltige Fische (z. B. Lachs, Hering, Makrele) und in deutlich geringerem Maße Leber, Margarine (angereichert mit Vitamin D), Eigelb und mehrere Speisepilze. In Deutschland beträgt die Vitamin-D-Aufnahme über übliche Lebensmittel jedoch nur 2 bis 4 Mikrogramm pro Tag.
Wie erfahre ich, ob ich ausreichend mit Vitamin D versorgt bin? Gibt es Symptome, die auf einen Mangel hinweisen?
Leider sind die Symptome bei einem Vitamin-D-Mangel sehr unspezifisch: Müdigkeit und Abgeschlagenheit zählen ebenso dazu wie eine verstärkte Anfälligkeit für Infekte. Die Symptome alleine reichen daher nicht aus, um einen Vitamin-D-Mangel oder eine unzureichende Zufuhr festzustellen. Eine Einschätzung der persönlichen Lebensumstände und der Zugehörigkeit zu einer der Risikogruppen kann dabei helfen, die Wahrscheinlichkeit für eine Unterversorgung abzuschätzen. Letztendlich kann aber nur die Messung des Vitamin-D-Spiegels im Plasma Aufschluss über den momentanen Vitamin-D-Status geben. Für die Bewertung des persönlichen Plasmaspiegels und für eine Absprache der eventuell zu treffenden Maßnahmen zur Verbesserung des Vitamin-D-Status sollte ein Hausarzt aufgesucht werden.
Die Rolle der Ernährung in der sportmedizinischen Beratung
Prof. Dr. med. habil. Dr. iur. Heiko Striegel, Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin
Am Universitätsklinikum Tübingen sind Sie stellvertretender ärztlicher Direktor der Abteilung Sportmedizin. Welche Rolle nimmt die Ernährung in der sportmedizinischen Betreuung und Beratung ein?
Am Uniklinikum haben wir häufig mit intensiv sporttreibenden Menschen zu tun. Also mit Leistungssportlern, Hochleistungssportlern und Spitzensportlern, die natürlich speziell auf ihre Ernährung achten müssen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Ausdauersportarten handelt, bei denen über längere Zeit unter hoher Belastungsintensität trainiert wird. Darüber hinaus ist auch die Ernährung während der Wettkampfvorbereitung nicht immer ganz einfach. Zudem werden Nahrungsmittel sehr unterschiedlich vertragen – auch dabei können wir den Sportlern eine Hilfeleistung geben.
Was empfehlen Sie Profisportlern, worauf sie bei ihrer Ernährung achten sollten?
Ich persönlich bin einer derjenigen, die nicht irgendwelche Extreme vertreten. Meiner Meinung nach ist es am sinnvollsten, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Das gilt für Leistungs- und Spitzensportler sowie für Breiten- und Freizeitsportler gleichermaßen. Man sollte weder in den Hunger hinein laufen, noch sollte man vor dem Training zu viel essen.
Gibt es Umstände, unter denen Sie Sportlern die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln empfehlen? Um welche Situationen handelt es sich?
Ja, es gibt beispielsweise Mikronährstoffe, die eine vorbeugende Wirkung gegen Infekte haben können. Daher halte ich es zumindest in den Wintermonaten für sinnvoll, bestimmte Nährstoffe zu supplementieren. Zum Anderen gibt es Situationen, in denen der Sportler einer hohen Belastungsintensität ausgesetzt ist – während Trainingslagern oder wenn viele Reisen und Turniere stattfinden. In diesen Phasen essen Sportler häufig sehr unregelmäßig. Bei Fußball-Profis ist das beispielsweise der Fall, wenn die Spiele erst spät abends beginnen. In solchen Situationen kann es durchaus sinnvoll sein, Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen.
Welche Nährstoffe kommen dann zum Einsatz?
In Zeiten hoher Belastung kommen in erster Linie Makronährstoffe zum Einsatz. Kohlenhydrate und Proteine werden dann in einer ganz bestimmten Zusammensetzung und teilweise in konzentrierterer Form, als wir sie in Nahrungsmitteln finden, zugeführt. Bei den Mikronährstoffen spielen die Vitamine E und C sowie die Spurenelemente Zink und Selen eine Rolle, da ihnen eine prophylaktische Wirkung gegen Infekte zugeschrieben wird.
Ernährung im Sport – wie wichtig ist die Versorgung mit einzelnen Nährstoffen?
Dr. Swen Wolfram, DSM Nutritional Products
Mit dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung spielt auch der Sport eine immer größere Rolle. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang eine gesunde Ernährung?
Beim Sport ist eine gesunde Ernährung generell sehr wichtig. Denn Sport löst körperlichen Stress aus und die Muskulatur wird beansprucht. Nach dem Sport muss sich die Muskulatur dann wieder regenerieren können. Außerdem hat man durch das Schwitzen beim Sport auch einen größeren Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust. Das sollte nach dem Training so schnell wie möglich wieder ausgeglichen werden. Zudem ist die Sporternährung wichtig, um Fortschritte beim Sport zu erreichen – die sportliche Leistungsfähigkeit soll sich schließlich mit der Zeit steigern und sich dem Training anpassen. Dabei spielt die Ernährung eine ganz wichtige Rolle.
Welche Rolle spielt die Proteinzufuhr in der Sporternährung?
Protein ist der in der Sporternährung meistverbreitete Inhaltsstoff. Wenn man vor oder nach der sportlichen Tätigkeit Protein zu sich nimmt, kann das zum Beispiel Muskelkater vorbeugen; im Vergleich zu einer kohlenhydratreichen Ernährung verkürzt sich dann die Regenerationszeit. Das ist ein wichtiger Nutzen der proteinreichen Ernährung bei Sportlern. Denn indem die Regeneration gefördert wird, wird die Leistungsfähigkeit für das nächste Training schneller wieder hergestellt und ist höher als zuvor. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Ausdauer- oder Schnellkraftsport handelt. Denn bei beiden wird die Muskulatur beansprucht und die Beanspruchung führt zu einem schnelleren Stoffwechsel, also einem Abbau und Aufbau der Muskulatur. Der Aufbau kann durch eine höhere Proteinzufuhr unterstützt werden. Daher gibt es Empfehlungen von unabhängigen Gremien, die sich mit der Sporternährung befassen, denen zufolge Sportler eine Proteinaufnahme im Bereich von 1,2 bis 1,4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht haben sollten. Bei Nicht-Sportlern liegt die Empfehlung bei lediglich 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Auf welche anderen Nährstoffe sollte man als Sportler besonders Acht geben?
Zum Einen spielen die Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium und Calcium eine wichtige Rolle in der Wiederherstellung der Flüssigkeitsbilanz. Diese Mineralien kann man beispielsweise über Sportgetränke zu sich nehmen. Auch Vitamine sind generell von großer Bedeutung. So haben Studien gezeigt, dass die Regeneration nach sportlicher Belastung schneller vonstattengeht und dass auch das Immunsystem weniger belastet ist, wenn man die Vitamine C und E in ausreichendem Maße zu sich führt. Darüber hinaus sind B-Vitamine wichtig für den Energiestoffwechsel im Muskel.
Sind neben der verbesserten Regeneration noch weitere positive Effekte von Nährstoffen bekannt?
Ja, ein sehr interessanter Nährstoff ist in diesem Zusammenhang das Vitamin D. Kürzlich konnte in einer Studie mit Footballspielern gezeigt werden, dass die Athleten, die einen höheren Vitamin-D-Spiegel hatten, weniger Sportverletzungen erlitten. Außerdem konnten sie mehr Spiele in ihrer Liga bestreiten und hatten größere Chancen, einen Anschlussvertrag in der höheren Liga zu bekommen.
Vitamin D bewirkt also zum Einen eine geringere Verletzungsanfälligkeit und zum Anderen eine längere Leistungsabgabe. Zusätzlich gibt es Studien, die zeigen, dass die Muskelfunktion mit Vitamin D gesteigert werden kann. So kam eine Studie mit Schnellkraftsportlern zu dem Ergebnis, dass das One-Repetition-Maximum, also das maximale Gewicht, dass mit einer Wiederholung bewegt werden kann, bei denjenigen Sportlern höher war, die eine bessere Vitamin-D-Versorgung hatten.
Auch Omega-3-Fettsäuren könnten Studien zufolge die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems steigern und die Entzündungen in der Muskulatur nach einem Training herabsetzen.
Als letztes möchte ich die Nährstoffe Lutein und Zeaxanthin erwähnen. Das sind zwei Nährstoffe, die man im gelben Fleck im Auge findet. Der gelbe Fleck ist wie eine Art interne gelbe Sonnenbrille, die vor den Fotorezeptoren sitzt. Er reduziert die Blendempfindlichkeit im Auge und verkürzt die Regeneration der Sehfähigkeit nach einem blendenden Lichtreiz. Das ist insbesondere für diejenigen Sportler wichtig, die im Freien Sport machen und eine schnelle visuelle Reizverarbeitung brauchen. Zum Beispiel Tennisspieler, Beachvolleyballer oder Fußballspieler. Auch beim Skifahren hilft eine optimale Konzentration der beiden Nährstoffe im Auge, damit man nicht so schnell geblendet ist.
Immer mehr Hobbysportler greifen zu Fitnessgetränken – wie sinnvoll ist der Einsatz von Eiweißshakes und Co im Breitensport?
Auch im Breitensport, also wenn man ein oder zwei Mal in der Woche ins Fitnessstudio geht, oder als Läufer hin und wieder mal einen Zehnkilometerlauf absolviert, profitiert man von einer höheren Proteinzufuhr. Denn, wie schon gesagt, kann eine proteinreiche Ernährung während oder nach einer sportlichen Herausforderung Muskelkater vorbeugen – das ist durchaus auch für die Breitensportler relevant.
Müssen es aber immer Eiweißshakes sein, oder gibt es auch andere Möglichkeiten, eine höhere Proteinzufuhr zu erreichen?
Diesbezüglich gibt es sowohl Studien mit Eiweißshakes als auch Studien, die zeigen, dass man den gleichen Effekt erzielen kann, wenn man einen halben Liter Magermilch trinkt. Grundsätzlich kann man seine Ernährung so steuern, dass man eine höhere Proteinzufuhr hat und muss nicht unbedingt zum Eiweißshake greifen. Aber natürlich machen es diese Präparate einem einfacher und bequemer. Wenn man zum Beispiel in der Mittagspause Sport macht, ist es unter Umständen leichter, direkt nach dem Training im Fitnessstudio oder nach dem Laufen so ein Getränk zu konsumieren, das man nur aufschütteln muss.
Wie verhält es sich mit den anderen Nährstoffen – kann ein Hobbysportler den Bedarf über die normale Ernährung decken?
Auch der Breitensportler hat einen Flüssigkeitsverlust, wenn er schwitzt. Den muss er wieder ausgleichen– denn mit einer unzureichenden Flüssigkeitszufuhr nimmt auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab. Wenn man zum Beispiel in der Mittagspause joggen geht und sich nicht ausreichend rehydriert, hat man nach dem Sport eventuell Probleme, sich zu konzentrieren. Das kann man mit einem Elektrolytgetränk ausgleichen.
Lutein und Zeaxanthin kann man über die normale Ernährung zu sich nehmen, indem man zum Beispiel viel Spinat isst – das ist eine gute Lutein-Quelle. Oder Mais oder Kürbis – das sind gute Zeaxanthin-Quellen. Also generell ist es möglich, den Bedarf über die Ernährung zu decken; allerdings nicht bei allen Nährstoffen.
Aufpassen sollte man bei Vitamin D. Da ist es unter Umständen sehr, sehr schwer, einen vernünftigen Spiegel zu erreichen, wenn man nicht supplementiert. Das gilt für jeden – die Sportler machen da keine Ausnahme. Im Winter sollte man ein Vitamin-D-Präparat mit 1000 bis 2000 Einheiten einnehmen, weil man zu dieser Jahreszeit nicht so viel Vitamin D über die Haut produzieren kann. Dafür ist der Einfallswinkel der Sonne in unserer geografischen Breite zu niedrig.
Soziologische Aspekte angesagter Ernährungstrends
Prof. Dr. Jana Rückert-John, Soziologin, Hochschule Fulda
In diesem Quartal dreht sich bei GIVE e.V. alles um ausgefallene Ernährungsweisen. Gibt es Ernährungsformen, die Sie für besonders extrem halten und wenn ja, warum?
Den Begriff „extrem“ finde ich irritierend. Extreme Ernährungsform – ich würde das eher unter aktuelle Ernährungstrends fassen, weil ich es schwierig finde, zu bewerten, was extrem ist. Aber was Sie sicherlich damit meinen: Es gibt ein breites Spektrum von Ernährungstrends, die wir derzeit in der Gesellschaft beobachten. Angefangen bei z.B. Paleo oder auch Frei-von-Diät oder Veganismus/Vegetarismus und auch der Biokonsum wäre so etwas, denke ich. Also diese Vielfalt, die ist, wie ich finde, sehr spannend und ich denke, das kann man alles auch als Ernährungstrends bezeichnen.
Sind Ernährungstrends etwas Neues, oder gab es schon immer Menschen, die einen Hang zu besonderen Essgewohnheiten hatten?
So etwas gab es natürlich schon immer. Wenn man zum Beispiel den Vegetarismus anschaut, dann ist das nichts Neues. Das hatten wir auch schon zu Zeiten der Lebensreformbewegung des letzten Jahrhunderts. Aber was neu ist, ist diese Vielfalt und, dass verschiedene Gewohnheiten jetzt so explizit als spezielle Ernährungsweisen bezeichnet werden. Meines Erachtens hängt das auch stark damit zusammen, dass wir – nicht nur, aber natürlich auch im Ernährungsbereich – in einer Welt leben, in einer Moderne, die immer komplexer wird. Im Kontext von Globalisierung und Internationalisierung, aber auch von Technologien und der Zunahme des wissenschaftlichen Knowhows kommt es zu einer immer weiteren Zunahme an Komplexität. Diese geht für viele Menschen häufig mit einer Verunsicherung einher. Wenn man zum Beispiel ins Internet schaut, gibt es da zahlreiche Empfehlungen. Und letztendlich überfordert uns dieses Mehr und diese Vielfalt. Die Ernährungstrends stellen eine Art von Reduktion dieser Komplexität dar. So wird mit einfachen Wahrheiten gesagt: „Wenn du das isst, bist du auf der sicheren Seite.“ Meines Erachtens liegt die soziale Funktion dieser Trends in der Reduktion der Komplexität und in dem damit suggerierten und versprochenen Wiedererlangen von Sicherheit, von Struktur, von Übersichtlichkeit.
Warum ist es heutzutage denn so modern, einer ganz bestimmten Diät zu folgen und nicht einfach zu essen, was einem schmeckt? Gibt es aus soziologischer Sicht eine Erklärung hierfür?
Wie schon gesagt, ist eine der sozialen Funktionen dieser Trends die Komplexitätsreduktion. Aber eine weitere Funktion ist auf jeden Fall auch die identitäre Selbstbeschreibung. Das, was ich esse, wie ich esse, aber zunehmend auch, was ich NICHT esse – also diese Abgrenzung und dieser Ausschluss – dient auch dazu, Identität zu bestimmen. Identität heißt immer, mich selbst zu beschreiben: Wer bin ich und was zeichnet mich aus? Das kann man vortrefflich und gerade in der Überflussgesellschaft, wo es wirklich eine Vielzahl und Vielfalt von Angeboten gibt, sehr gut über das Essen und Trinken. Wenn man das zum Beispiel mal beim Vegetarismus oder Veganismus betrachtet: Indem Anhänger dieser Ernährungsformen sagen: „Nein, ich esse kein Fleisch, ich bin für die damit verbundenen Probleme wie Klimaveränderungen und Tierquälerei nicht verantwortlich“, weisen sie diese Verantwortung von sich. Letztlich geht diese Selbstbeschreibung immer auch mit einer Abgrenzung von anderen mittels moralischer Kommunikation einher, indem gesagt wird: „Andere machen das, aber ich bin besser, weil ich mich bewusst ernähre“.
Sind Ernährungstrends eine Frage der sozialen Schicht? Und sind Männer und Frauen gleichermaßen anfällig für neue Trends?
An Umfragewerten kann gezeigt werden, wie sich das verhält. Was zum Beispiel den Veganismus/Vegetarismus angeht: Das ist eindeutig ein weibliches Phänomen. Etwa 80 % sind Frauen, die zumeist jüngeren Alters zwischen 20 und 30 Jahren und gut gebildet sind. Das weist darauf hin, dass sie eine hohe Reflexivität besitzen, sie also stark über Fragen der Ernährung nachdenken und reflektieren und dementsprechend auch entscheiden, bestimmte Dinge abzulehnen. Auch historisch lässt sich festhalten, dass es bei Frauen eine höhere Sensibilität, ein höheres Interesse für Fragen des Essens, der Ernährung, des Körperbewusstseins, usw. gibt.
Inwiefern beeinflussen Ernährungstrends auch die Außer-Haus-Verpflegung?
Die Außer-Haus-Verpflegung umfasst ein breites Spektrum: darunter fallen Schulverpflegung Betriebsverpflegung, Verpflegung in Krankenhäusern, etc. Jeder dieser Bereiche hat natürlich auch besondere Spezifika. Wenn sie zum Beispiel an Schulverpflegung denken, dann haben wir laut einer aktuellen Studie in diesem Bereich eine sehr defizitäre Lage. So ist das Angebot recht mäßig. Vor dem ganzen Hintergrund der sehr niedrigen Preise sind aber auch nur beschränkte Möglichkeiten vorhanden, Trends aufzugreifen und aktiv zu bedienen. Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass diese Trends auf Widerhall stoßen. Wenn man sich zum Beispiel das GV-Barometer anschaut – das ist eine Umfrage unter Küchenchefs der Gemeinschaftsverpflegung – sieht man, dass diese Themen und Trends durchaus wahrgenommen werden. Sicherlich nicht in dieser breiten Vielfalt – wenn man von Paleo und Frei-von-Diät und diesen Dingen redet. Wenn man mit Mensa-Chefs spricht, dann reflektieren diese schon, dass eine immer größere Vielfalt nachgefragt wird. Da braucht es neben dem „normalen“ Essen auch ein vegetarisches und ein veganes, usw. Das ist für Küchenchefs vor dem Hintergrund begrenzter Mittel eine große Herausforderung. Aber es ist wie gesagt durchaus so, dass sie den Bedarf wahrnehmen und es vielfältige Ansätze gibt, darauf zu reagieren. Ich denke, eine Salattheke und vegetarische Angebote, das gehört heute ja schon zur Normalität in vielen Betriebsrestaurants und Mensen.
Was ist Ihre Prognose: Wie wird die Esskultur der Zukunft aussehen? Wird es vielleicht irgendwann wieder eine Besinnung auf das „Normale“ geben, oder werden diese Trends immer beliebter werden?
Ich denke, dass diese Diversifizierung und die Zunahme an Trends sicherlich noch weiter ausgereizt werden können. Denn – wie gesagt – dahinter steht ein sozialer Bedarf nach Orientierung; nach konkreten, vereinfachten und weniger komplexen Angeboten und Lösungen. Und diese Trends werden durch andere Veränderungen begleitet, wie zum Beispiel das Self-Tracking. Also der Möglichkeit, sich durch Apps selbst zu kontrollieren; zu dokumentieren, was man isst und wie viel und zu erfahren, ob das okay ist. Das ist eine Entwicklung, die die Ernährungstrends begleitet und auch befeuert und unterstützt. Insofern denke ich, dass diese sicherlich noch zunehmen werden. Eine positive Begleiterscheinung der Ernährungstrends ist, dass dadurch auch das Nachdenken über Essen und Ernährung zunimmt. Aber gleichzeitig geht damit eine Art Selbstkontrolle einher, die auch in krankhafte, überzogene, übertriebene Tendenzen ausarten kann. Und ich glaube, was damit auch immer schwieriger wird, ist, den Genussfaktor und das unkomplizierte Essen zu bewahren – sich einfach zusammenzusetzen und zu genießen; Spaß und Freude am Essen zu haben. All das wird natürlich durch die Kontrolle ein Stück weit überlagert. Stellen Sie sich vor, dass jeder am Tisch sitzt und sagt: „Ich brauche mein Essen vegan“, und ein anderer sagt dann: „Oh ne, ich brauche Paleo“, das wird dann natürlich auch ziemlich kompliziert und sehr anstrengend. Es kann durchaus sein, dass das unbeschwerte, mit Lust und Spaß verbundene Essen, was eine wichtige Komponente der Esskultur darstellt, darunter leidet. Das wäre bedauerlich.
Von glutenfrei bis vegan – was verbirgt sich hinter den aktuellen Ernährungstrends?
Dr. rer. nat. Ruth Diebold, Pfizer Consumer Healthcare GmbH
Im Supermarkt sind die Regale voll von Produkten, die als glutenfrei gekennzeichnet sind. Was steckt hinter der Bezeichnung und an wen richtet sich diese Information?
Unter Gluten versteht man das sogenannte Klebereiweiß, das in vielen unserer heimischen Getreidesorten wie zum Beispiel Weizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste oder auch Grünkern vorkommt und in Produkten, die aus diesen Getreidesorten hergestellt werden. Lebensmittel dürfen immer dann als glutenfrei bezeichnet werden, wenn sie weniger als 20 Milligramm pro Kilogramm des Klebereiweißes enthalten. Mittlerweile ist auf der Verpackung der meisten glutenfreien Produkte ein Symbol abgebildet – eine durchgestrichene Ähre. Diese Kennzeichnung richtete sich aus ernährungsphysiologischer Sicht an Menschen mit einer bestimmten Erkrankung, der Zöliakie. Es handelt sich dabei um eine seltene Autoimmunerkrankung: In Deutschland sind aktuellen Zahlen zufolge nur etwa 0,3 % der Bevölkerung – also rund 200.000 Menschen – davon betroffen. Wenn diese Menschen glutenhaltige Nahrungsmittel verzehren, kommt es zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die sich wiederum auf die Nährstoffaufnahme auswirken. Aktuell ist die einzige wirksame Therapie für diese Patienten, lebenslang auf glutenhaltige Nahrungsmittel zu verzichten. Für sie ist es eine Erleichterung, wenn sie im Supermarkt auf deutlich gekennzeichnete glutenfreie Lebensmittel zurückgreifen können. Für alle anderen Menschen, die nicht an einer Zöliakie leiden – die Erkrankung sollte in jedem Fall von einem Arzt diagnostiziert werden – macht es keinen Sinn, glutenfreie Produkte zu sich zu nehmen, bzw. auf Produkte zu verzichten, die Gluten enthalten. Das ist eine unnötige Einschränkung und hat keinen gesundheitlichen Vorteil. Mittlerweile weiß man jedoch, dass es neben Patienten mit Zöliakie auch Menschen gibt, die eine sogenannte Weizensensitivität haben. Bei diesen Menschen verbessert sich die Symptomatik – das sind meistens auch Magen-Darm-Beschwerden – wenn sie auf Gluten verzichten. Nichtsdestotrotz raten auch hier die Experten, nicht in Panik zu verfallen. Man sollte dies erst mit einem Arzt besprechen und dann gegebenfalls kurzzeitig – ca. 4 Wochen – auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten und schauen, ob es eine Verbesserung gibt. Aber, wie bereits gesagt, hat es für einen gesunden Menschen keinerlei gesundheitliche Vorteile, prophylaktisch auf Gluten zu verzichten.
In letzter Zeit liest man außerdem immer mehr über die Steinzeitdiät. Auf welche Lebensmittel wird bei dieser Diät verzichtet? Gibt es gesundheitliche Gründe, auf diese Lebensmittel zu verzichten?
Die Steinzeitdiät, auch Paleo-Diät genannt, soll das Essverhalten unserer Vorfahren in der Steinzeit nachahmen. Die Diät gehört derzeit zu den am meisten angepriesenen Ernährungsformen. Die Paleo-Diät besteht aus Fleischprodukten, Fisch, Gemüse, Obst, Nüssen, Samen, aber auch aus Eiern. Aus der täglichen Ernährung gestrichen werden alle Arten von Getreide, sowie Milch- und Milchprodukte. Vorteilhaft an dieser Ernährungsform ist sicherlich, dass stark verarbeitete Produkte mit einem hohen Gehalt an zugesetztem Zucker oder Salz in großen Mengen vermieden werden. Die Aufnahme von Eiweiß bei der Paleo-Diät entspricht ungefähr der von Menschen, die sich nach einer Mischkost ernähren, oder ist sogar leicht darüber. Bisher gibt es allerdings nur wenige Studien – und die gehen meist nur über einen kurzen Zeitraum – in denen ein vorteilhafter Effekt auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auf Diabetes mellitus nachgewiesen werden kann. Momentan sind keine Studien vorhanden, die überprüfen, ob auch eine langzeitige Ernährung gemäß der Paleo-Diät einen positiven Effekt hat. Doch durch den Verzicht auf Milch und Milchprodukte gibt es Nährstoffe, deren Aufnahme meist nicht mehr ausreichend ist. Zum Beispiel Calcium, aber auch die Vitamine Thiamin und Riboflavin. Außerdem hat man gesehen, dass die Menschen, die sich nach Paleo ernähren, oft nicht ausreichend mit Jod versorgt sind.
Häufig hört man, dass ein hoher Fleischkonsum gar nicht gesund sei. Die DGE empfiehlt einen Fleischkonsum von nicht mehr als 300-600 Gramm pro Woche. Ist es daher ratsam, sich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren?
Wenn jemand aus ethisch-moralischen, ökologischen oder anderen Gründen auf Fleisch, Fisch und andere tierische Produkte verzichten möchte, ist nicht automatisch von einer unzureichenden Zufuhr an Nährstoffen auszugehen. Sobald man etwas aus der Ernährung herausstreicht, ist es jedoch deutlich schwieriger, ausreichend mit allen Vitaminen und Mineralstoffen versorgt zu werden. Das setzt eine gewisse Kenntnis über die Zusammensetzung unserer Ernährung und auch über Vitamine und Mineralstoffe voraus. Wenn man sich komplett fleischlos und fischlos ernährt, sollte darauf geachtet werden, dass man mit ausreichend Vitamin B12, das ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt, versorgt wird. So empfiehlt beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Menschen mit einer veganen Ernährungsweise, auf Vitamin-B12-haltige Präparate zurückzugreifen. Aber auch andere Nährstoffe, wie zum Beispiel Eisen, Omega-3-Fettsäuren oder Calcium können bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung zu kurz kommen. Kritisch wird es immer dann, wenn bei einer veganen oder vegetarischen Ernährung auch noch andere Produkte – wie gewisse Obst- und Gemüsesorten – gestrichen werden, z.B. weil man sie selber nicht mag. Je mehr man streicht, desto schwieriger wird es letztendlich, ausreichend mit allen Mineralstoffen und Vitaminen versorgt zu sein.
Wenn ich aus ethischen oder anderen Gründen beschließe, auch während der Schwangerschaft und Stillzeit auf tierische Produkte zu verzichten – kann das Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung meines Kindes haben?
Auch mit einer vegetarischen Ernährung kann die ausreichende Nährstoffversorgung von Mutter und Kind gewährleistet werden. Gerade für Schwangere und Stillende ist es besonders wichtig, auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung zu achten.
Etwas anders sieht es aus, wenn trotz Schwangerschaft oder Stillzeit eine vegane Ernährung weitergeführt wird: Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird diese nicht als geeignete Ernährungsform für werdende und stillende Mütter angesehen, da eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich sei. Als kritisch wird hier unter anderem die Versorgung mit VitaminB12 gesehen.
Zu hohe Cholesterinwerte – können Mikronährstoffe helfen?
Dr. oec. troph. Ulrike Weingärtner, MCM Klosterfrau GmbH & Co. KG
Ich habe erhöhte Cholesterinwerte und habe mich bereits darüber informiert, welche Anpassungen ich in meiner Ernährung vornehmen sollte und welche arzneilichen Optionen offenstehen. Können mir auch Mikronährstoffe helfen?
Im Prinzip: Ja! Bestimmte Mikronährstoffe, wie Omega-3-Fettsäuren und Pflanzensterine, können gegen erhöhte Cholesterinwerte unterstützend wirken. Unerlässlich dafür sind aber eine gesunde Ernährung und eine regelmäßige Bewegung. Ob man auf Medikamente verzichten kann, hängt von den individuellen Umständen ab und sollte unbedingt vom Hausarzt entschieden werden. Dies kann beispielsweise bei nur mäßig erhöhten Werten der Fall sein, die eine medikamentöse Behandlung nicht zwingend erforderlich erscheinen lassen. Grundsätzlich muss man bei den Blutfetten unterscheiden zwischen HDL- und LDL-Werten. Gefährlich können vor allem die LDL-Fette werden, weil sie sich an den Wänden der Blutgefäße ablagern und diese damit verengen können, mit den gefürchteten Folgen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Hohe Werte von HDL-Fetten wirken dem entgegen. Entscheidend ist der Quotient aus LDL und HDL: Ideal ist ein möglichst niedriger LDL- und ein möglichst hoher HDLWert.
Woher kommt eigentlich das Cholesterin im Blut?
Cholesterin wird als Vorstufe zahlreicher Verbindungen vom Körper selbst produziert, aber auch über die Nahrung aufgenommen. Beispielsweise wird es für Steroidhormone, für Vitamin D und für Gallensäuren benötigt. Gleichzeitig ist Cholesterin auch Bestandteil von Zellmembranen. Bei Bedarf wird es von den Zellen gezielt angefordert. Es kann aber als fettartige Substanz nicht frei im Blut gelöst transportiert werden; dazu muss es zuerst in Lipoproteine verpackt werden, den Low Density Lipoproteins (LDL) und den High Density Lipoproteins (HDL). Erst in dieser Form ist es im Blut transportfähig. Produziert wird Cholesterin vor allem in der Leber, aber auch in der Dünndarmschleimhaut, abhängig vom Körpergewicht rund 1.000 Milligramm pro Tag.
Wie können dann Mikronährstoffe helfen?
Vor allem können Antioxidantien wie die Vitamine A, C und E die Oxidation von LDL-Teilchen verhindern. Vitamin E schützt die fetthaltigen Strukturen der Gefäßwände, Vitamin C hemmt die Bildung freier Radikale. Ähnliches gilt für bestimmte Spurenelemente wie Kupfer oder Selen. Es geht hierbei nicht nur darum, die Blutfettkonzentrationen zu vermindern, sondern auch schädliche Folgen zu verhindern. In diese Richtung unterstützt auch Vitamin D; es steuert Immunzellen (Makrophagen) bei der Beseitigung von LDL. Ist zu wenig Vitamin D vorhanden, nehmen die Makrophagen immer mehr LDL auf, die sich dann schaumartig an den Gefäßwänden ablagern können.
Gibt es neben diesen Vitaminen weitere Mikronährstoffe, die sich günstig auswirken?
Nicht unterschätzen sollte man Pflanzensterine und Omega-3-Fettsäuren. Vor allem die in Fischölen enthaltene EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure), welche den TriglyzeridSerumspiegel vermindern – und zwar umso mehr, wenn gleichzeitig die Zuckerzufuhr eingeschränkt wird. Omega-3-Fettsäuren sind nicht nur in fettem Seefisch (wie Hering, Makrele,Thunfisch) enthalten, sondern auch in Lein- und Rapsöl sowie in Nüssen. Das Spurenelement Chrom ist wichtig für den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Es wirkt bei der Steuerung des Zucker- und des Cholesterinspiegels mit. Eine ausreichende Chromzufuhr hat einen positiven Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und den Stoffwechsel der Makronährstoffe, daher kann das Spurenelement unterstützend bei Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein.
Kann ich mir diese Mikronährstoffe in ausreichender Menge mit der Nahrung zuführen, um meine Cholesterinwerte zu senken?
In den meisten Fällen ja, wenn man sich an die allgemeinen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung hält: eine ausgewogene Kost mit viel Vollkornprodukten, Obst und Gemüse, wenig tierischen Fetten und Fleisch sowie häufiger Seefisch und Nüssen. Damit kann man sich die meisten der genannten Mikronährstoffe in ausreichender Menge auf den Teller holen.
Kann ich dann meine Blutfettwerte überhaupt mit einer entsprechenden Ernährung senken?
Die mit der Nahrung aufgenommene Menge Cholesterin überschreitet in der Regel nicht die vom Körper selbst gebildete Menge: Je nach Kost sind das zwischen rund 100 und etwa 1.500 Milligramm täglich. Diese Bandbreite deutet schon darauf hin, dass eine streng cholesterinarme Kost nicht zwangsläufig die gewünschten Effekte zeitigt. Eine große Rolle spielt die Veranlagung. Wer genetisch bedingt hohe Cholesterinwerte hat, wird auch durch eine nahezu fettfreie Ernährung nur wenig Einfluss darauf nehmen können. Maximal die Hälfte des mit der Nahrung zugeführten Cholesterins wird durch die Dünndarmschleimhaut in den Körper aufgenommen und mit dem Blut oder der Lymphe zu den Organen gebracht. Wird mehr Cholesterin zugeführt, bewirkt das in einem gesunden Organismus kein weiteres Ansteigen der Blutfettwerte, weil die Transportkapazität der Dünndarmschleimhaut begrenzt ist. Außerdem schränkt die Leber ihre Cholesterinproduktion ein, wenn zuviel mit der Nahrung aufgenommen wird. Ein gesunder Stoffwechsel verträgt deshalb auch zeitweise eine größere Menge Cholesterin, ohne dass der Blutfettspiegel stark ansteigt.
Mikronährstoffversorgung bei Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit
Dr. med. Thomas Schettler
Ich bin geistig stark gefordert. Können mir Vitamine und Mineralstoffe helfen, geistig leistungsfähig zu bleiben?
Grundsätzlich ja, denn einige von ihnen spielen eine wichtige Rolle für die kognitiven Funktionen und Leistungsfähigkeit.
Um welche Vitamine geht es dabei?
Da sind die Vitamine der wasserlöslichen B-Gruppe zu nennen, in erster Linie die Vitamine B1, B6 und B12. B-Vitamine spielen eine wichtige Rolle bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen des Gehirns, unter anderem bei der Bereitstellung verschiedener Botenstoffe. Ein Mangel an diesen Vitaminen kann daher zu einer verminderten Produktion der Botenstoffe führen und so Funktion und Leistungsfähigkeit des Gehirns beeinträchtigen. Sicherlich werden heute Mangelerscheinungen dieser Vitamine in der Durchschnittsbevölkerung eher selten auftreten. In Risikogruppen, und dazu zählen vor allem ältere Menschen, findet man aber vermehrt Defizite, die vor allem auch schon im Anfangsstadium mit Störungen der geistigen Leistung verbunden sind. Insbesondere die Bedeutung eines Mangels an Vitamin B12 wird häufig unterschätzt. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass viele Senioren damit unterversorgt sind. Ursache ist häufig eine sogenannte atrophische Gastritis, die bei ca. einem Drittel der über 65-Jährigen gefunden wird. Ein Vitamin-B12-Mangel kann lange unentdeckt bleiben, weil seine Anfangssymptome unspezifisch sind: Er kann sich in Form von Gedächtnisschwäche, Konzentrationsstörungen, Apathie, chronischer Müdigkeit und auch Depressionen äußern.
Spielen neben diesen Vitaminen auch Mineralstoffe bzw. Spurenelemente eine Rolle bei der geistigen Leistungsfähigkeit?
Hier ist zunächst einmal das Spurenelement Jod zu nennen, das für die Produktion der Schilddrüsenhormone essentiell ist. Ein Jodmangel wird in der Ernährungstherapie sehr häufig festgestellt. Obwohl infolge intensiver Aufklärung über den Nutzen einer ausreichenden Jodversorgung zu einer deutlichen Verbesserung der Situation in Deutschland geführt hat, ist diese noch lange nicht optimal. Jodmangel von Müttern kann die körperliche und geistige Entwicklung des ungeborenen Kindes negativ beeinflussen. Da die Reifung des Gehirns mit der Geburt noch lange nicht abgeschlossen ist, stellt sich eine ausreichende Versorgung mit Jod gerade auch für Kinder als außerordentlich wichtig dar. Ein Jodmangel hat nicht selten Lernschwierigkeiten mit einem daraus folgenden Nachlassen der schulischen Leistungen zur Folge. Aber auch bei Erwachsenen sind erste Anzeichen eines Jodmangels zunächst unspezifisch und werden häufig nicht als solche erkannt. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, depressive Verstimmungen sind typische Symptome, die die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können. Die reduzierten geistigen Funktionen sind verbunden mit eingeschränkten Fähigkeiten zu Initiative und Entscheidungsfreudigkeit.
Ein weiteres Spurenelement mit einer sehr wichtigen Rolle für die Gehirnfunktion ist Eisen. Es ist für verschiedene zelluläre Prozesse im Gehirn notwendig; so für die Synthese von Botenstoffen und der Myelinscheide der Neuronen und auch der Mitochondrien. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Eisenmangel die Gehirnfunktion beeinträchtigen kann, mit unter Umständen irreversiblen Störungen der Intelligenzentwicklung.
Die Schwere der negativen Effekte auf die Gehirnfunktion wie z. B. Lern- Merkstörungen hängt von der Dauer des Eisenmangels ab. Darüber hinaus kommt Eisen als Bestandteil des Hämoglobins der roten Blutkörperchen eine wichtige Rolle beim Transport des für die einwandfreie Funktion des Gehirns notwendigen Sauerstoffs zu. Die Eisenversorgung der deutschen Bevölkerung hat sich zwar in den letzten Jahren verbessert, so dass eine Eisenmangelanämie seltener gefunden wird. Generell häufiger tritt jedoch ein Eisenmangel bei Frauen im gebärfähigen Alter auf, bedingt durch die Menstruation, sowie bei männlichen Senioren bedingt durch chronischen Entzündungen und Krebs. Die Nationale Verzehrstudie hat gezeigt, dass in der Altersgruppe vom 19. bis 50. Lebensjahr nur 25 Prozent der Frauen die den Zufuhrempfehlungen entsprechende Eisenmenge erreichen. Bei den über 51-jährigen Frauen sind nur 63 bis 75 Prozent ausreichend versorgt. Eisenmangel kann Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben: Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, chronische Müdigkeit und Abgeschlagenheit verbunden auch mit einer reduzierten kognitiven Leistungsfähigkeit sind die wichtigsten Symptome.
Welche Lebensmittel sollte ich dann bevorzugt auf den Tisch bringen?
B-Vitamine sind in hoher Konzentration in Bierhefe enthalten, ansonsten vor allem in Lebensmitteln tierischen Ursprungs: B1 in Schweinefleisch und Hülsenfrüchten, B3 (Niacin) in Hühner- und Rindfleisch, Thunfisch, Lachs, Eiern, aber auch in Avocados, Tomaten und Blattgemüse. Vitamin B6 kommt in sehr vielen Lebensmitteln vor, ganz gleich, ob tierischen oder pflanzlichen: in Milchprodukten, Leber, Schweinefleisch, Kohl, Bohnen, Vollkornprodukten und vielen anderen. Vitamin B12 ist in der Regel nur in tierischen Lebensmitteln enthalten, unter anderem in Leber, Makrele und Hering. In geringen Konzentrationen findet es sich auch in Sauerkraut und anderen fermentierten Lebensmitteln. Gerade für Vegetarier und insbesondere für Veganer stellt daher eine hinreichende Versorgung mit B12 eine große Herausforderung dar. Eine Unterversorgung oder gar ein Mangel sind in diesen Gruppen überdurchschnittlich oft zu finden.
Jod ist in ausreichenden Mengen vor allem in Seefisch enthalten. Abhängig von der Fütterung der entsprechenden Tiere sind Eier und Milch ebenfalls als jodreich zu bezeichnen. Aufgrund der allgemein schlechten Versorgung der deutschen Bevölkerung darf Speisesalz mit Jod angereichert werden und man sollte darauf achten, dass es auch im eigenen Haushalt genutzt wird. Jod ist auch für industriell produzierte Lebensmittel zugelassen. Es kann keine Allergien auslösen, da es als Ion keine allergene Wirkung hat. Die mit der Nahrung zugeführte Jodmenge kann keine Überfunktion der Schilddrüse auslösen. Auch bei Erkrankungen der Schilddrüse (z. B. autonome Adenome, Morbus Basedow, Autoimmunthyreoiditis) oder von Patienten mit Schilddrüsenhormonersatztherapie kann Jodsalz gefahrlos eingesetzt werden.
Entsprechend der Verzehrmenge der deutschen Bevölkerung sind Fleisch, Wurstwaren, Brot die wichtigsten Quellen für eine ausreichende Versorgung mit Eisen. Das im Fleisch an das Hämoglobin gebundene Eisen kann vom Körper wesentlich besser aufgenommen werden als aus pflanzlichen Nahrungsmitteln. Zudem behindern verschiedene Inhaltstoffe der Pflanzen die Aufnahme des Eisens. Darüber hinaus können aber auch Milch- und Sojaprodukte, schwarzer Tee und andere Lebensmittel die Aufnahme behindern. Vitamin C kann hingegen die Aufnahme von Eisen aus den Nahrungsmitteln fördern.
Mikronährstoffversorgung bei Arthrose und rheumatoider Arthritis
Dr. med. Thomas Schettler
Was unterscheidet eine Arthrose von einer rheumatoiden Arthritis? Wie kommt es dazu?
Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um chronisch fortschreitende Erkrankungen, die die Gelenke des Körpers befallen und in ihrer Funktion erheblich beeinträchtigen können. Die Arthrose ist dabei die häufigste Erkrankung der Gelenke überhaupt und kann jedes Gelenk befallen. Aufgrund von ständigen mechanischen und biochemischen Reizen des Gelenkknorpels verschleißt dieser und beeinträchtigt damit zunehmend die Gelenkfunktionen. Gleichzeitig werden auch die umliegenden Strukturen der Gelenke wie Gelenkkapsel und die Muskulatur in ihrer Funktion beeinträchtigt. Im Verlauf der Erkrankung kann es auch zu einer Entzündung der betroffenen Gelenke kommen. Symptome der Arthrose sind zunehmende Schmerzen, Schwellungen und Funktionsstörungen. Im Gegensatz zur Arthrose handelt es sich bei rheumatoiden Arthritis („entzündliches Gelenkrheuma“), an der rund ein Prozent der Bevölkerung leidet, um eine Autoimmunerkrankung, also um eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Die schubartig verlaufende Erkrankung kann sich im gesamten Körper ausbreiten, befällt aber vor allem die Gelenke. Zeichen eines systemischen Befalls können z. B. Rheumaknoten, Muskelschwäche und -abbau, Lymphknotenschwellungen und eine Beeinträchtigung verschiedener Organfunktionen sein. Die entzündlichen Prozesse der Erkrankung greifen die Innenhaut der Gelenke an, die schließlich zerstört wird. Neben den Gelenken kann aber auch die Funktion der Knochen insgesamt durch die Erkrankung beeinträchtigt sein. So zeigen neue Studien, dass das Risiko für Hüftund auch Wirbelsäulenfrakturen bei rheumatoider Arthritis deutlich erhöht ist.
Was lässt sich da mit Mikronährstoffen überhaupt noch ausrichten?
Natürlich ist es immer besser, sehr frühzeitig gegen das Krankheitsgeschehen vorzugehen. Aber auch im fortgeschrittenen Stadium können Mikronährstoffe bzw. eine optimierte Ernährung dazu beitragen, das zerstörerisch he Entzündungsgeschehen zumindest zu bremsen und dadurch zu einer Linderung der Symptomatik verhelfen.
Welche Vitamine können dabei helfen?
Antioxidative Vitamine wie Vitamin C, Vitamin E und auch Carotine können in das Entzündungsgeschehen eingreifen und die vermehrt auftretenden Sauerstoffradikale und Superoxide unterdrücken. Darüber hinaus wird auch das Knorpelwachstum durch die Vitamine E und C beeinflusst. Die Funktion der Muskulatur und vor allem auch der Knochen werden in entscheidendem Maße durch das Vitamin D beeinflusst. Bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis werden durchaus bereits bevor die ersten Symptome auftreten erniedrigte Blutplasmaspiegel der angesprochenen Mikronährstoffe gefunden. Ein Vitamin-D-Mangel wird unabhängig von der Erkrankung auch bei einem Großteil der Bevölkerung und insbesondere bei älteren Menschen gefunden.
Spielen auch Spurenelemente eine Rolle?
Wichtige Spurenelemente sind Selen, Zink, Kupfer und Mangan; sie dämpfen die oxidativen Reaktionen im Rahmen der entzündlichen Prozesse der Erkrankungen und bremsen so den Abbau des Knorpels. Ein wesentlicher Bestandteil der Gelenkschmiere, die Hyaluronsäure, wird mit zunehmendem Alter in immer geringeren Mengen gebildet. Das Spurenelement Selen zusammen mit Vitamin C hemmt den Abbau dieser Substanz. Vergleichbar mit dem Vitamin C beruht die Wirkung des Selens wahrscheinlich auf seinen antioxidativen Eigenschaften.
In erster Linie geht es dabei ja um entzündliche Prozesse. Kann man auch die Bildung von Knorpel direkt fördern und damit den Verlauf einer Arthrose bremsen?
Es gibt Präparate, die wesentliche Bausteine der Knorpelsubstanz enthalten und dessen Aufbau unterstützen. Vor allem sind dies Chondroitin und der Aminozucker Glucosamin, der auch in der Gelenkschmiere vorkommt und das natürliche Gleichgewicht von Knorpelaufbau und -abbau reguliert. .
Kann man sich die nötigen Mikronährstoffe mit einer angepassten Ernährung zuführen?
Das ist bei Vitamin A bzw. Betacarotin und Vitamin C kein Problem; Karotten, Paprika und anderes Gemüse enthält viel Betacarotin, auch Vitamin C ist in vielen Früchten mehr oder weniger reichlich zu finden. Regelmäßiger Genuss der entsprechenden Säfte kann durchaus für eine ausreichende Zufuhr sorgen. Schwieriger wird es bei den Vitaminen E und D, bei denen man allein mit angepasster Ernährung kaum auf die nötigen Werte kommt. Denn in diesem Fall liegen die benötigten Mengen auch deutlich über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Nährstoffzufuhr. So sollte von Vitamin E bei Entzündungen etwa 30 bis 100 Milligramm täglich aufgenommen werden, dazu müsste man schon bestimmte pflanzliche Öle in großen Mengen verspeisen.
Vitamin D sollte zumindest für jüngere Menschen in den Sommermonaten kein Problem darstellen – ein Aufenthalt von 30 min im Freien über die Mittagszeit mit möglichst wenig bedeckter Haut produziert genügend große Mengen für den Tag. Mit zunehmendem Alter lässt die Fähigkeit unserer Haut aber deutlich nach, die notwendige Menge an Vitamin D zu produzieren. Alternativ sind ausreichende Mengen an Vitamin D über die Ernährung bestenfalls durch mehrere Mahlzeiten in der Woche mit fettreichem Seefisch, wie Hering, Lachs, Makrele usw., zu erreichen. Für viele ist daher der Bedarf eigentlich nur über die Einnahme von Vitamin-D-haltigen Präparaten zu decken.
Grundsätzlich sollte man im Falle einer Arthrose oder Arthritis seine Ernährung darauf einstellen und beispielsweise wenig Fleisch und tierische Fette essen. Sie enthalten unter anderem Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure, aus der in unserem Körper sogenannte Prostaglandine entstehen. Prostaglandine sind Botenstoffe, die eine wichtige Rolle in der komplexen Regulierung von Entzündung und Schmerzen spielen. Dem kann man auch mit Omega-3-Fettsäuren, vor allem Eicosapentaensäure oder EPA entgegenwirken; EPA konkurriert mit der Arachidonsäure um die gleichen Enzyme, verdrängt sie und hemmt damit die entzündungsfördernde Wirkung der Archidonsäure. Omega-3- Fettsäuren kann man sehr gut mit fettreichem Seefisch zu sich nehmen oder alternativ auch mit Fischölkapseln..
Mikronährstoffe für Diabetiker
Immer mehr Menschen leiden an Diabetes. Kann man dieser Volkskrankheit auch durch eine mikronährstoffreiche Ernährung vorbeugen oder die Entwicklung günstig beeinflussen?
Zunächst einmal gelten die allgemeinen Ernährungsempfehlungen für Diabetiker, also möglichst wenig zucker- und weißmehlhaltige Kost, viel ballaststoffreiche Speisen und viel frisches Obst und Gemüse. Darüberhinaus haben Diabetiker allerdings einen spezifisch höheren Bedarf an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen. Grundsätzlich sind das alle für den Kohlehydrat- und Energiestoffwechsel wichtigen Mikronährstoffe.
Das wären dann doch vor allem B-Vitamine?
Im Zusammenhang mit einem gestörten Zuckerstoffwechsel, wie er bei Diabetikern vorliegt, spielen einige B-Vitamine eine hervorgehobene Rolle. Alle B-Vitamine sind zudem wasserlöslich und gehen deshalb bei Diabetikern, die häufig unter gestörter Nierenfunktion leiden, verstärkt verloren. Zuckerkranke kommen beispielsweise nur auf ein Viertel der durchschnittlichen Vitamin-B1- Konzentration im Blutplasma. Ein Mangel an diesem Mikronährstoff wiederum fördert Neuropathien und Herz-Kreislauf-Störungen und begünstigt die negativen Auswirkungen eines hohen Blutzuckerspiegels auf Nerven und Blutgefäße. Folsäure, Vitamin B6 und B12 sind am Homocystein-Abbau beteiligt. Homocystein ist eine Aminosäure, die in unserem Stoffwechsel als Zwischenprodukt ständig gebildet wird und in erhöhter Konzentration unter anderem das Risiko für Gefäßschäden und deren Folgen steigert, also Artheriosklerose, Schlaganfall, Herzinfarkt usw.
Gerade bei Folsäure und Vitamin B12 sind ja Defizite schon in der „Normalbevölkerung“ verbreitet – kommen da bei Diabetikern zusätzliche Faktoren ins Spiel?
Vitamin B12 muss hier besonders erwähnt werden. Das häufig verschriebene Diabetesmedikament Metformin hat einen höheren B12-Bedarf zur Folge, wahrscheinlich hemmt es die Aufnahme des Mikronährstoffs aus dem Darm. Man sollte dies auf keinen Fall unterschätzen, schließlich sind viele Patienten, die dieses Medikament regelmäßig zu sich nehmen, Senioren. Weil der menschliche Verdauungstrakt mit zunehmendem Alter immer weniger Vitamin B12 verwerten kann, sind alte Menschen sehr oft damit unterversorgt. B12-Mangel begünstigt aber auch die Entwicklung von Demenz und den Abbau geistiger Fähigkeiten, also häufiger sogenannter „Alterserscheinungen“.
Gibt es weitere Mikronährstoffe, die für Diabetiker besonders wichtig sind?
Diabetiker scheiden etwa zwei- bis dreimal so viel Zink über den Urin aus wie Gesunde. Dieses Spurenelement wird aber für die Blutzuckerregulierung und den Kohlehydratstoffwechsel benötigt, außerdem ist es wichtig für die Wundheilung. Da Diabetiker häufig an Wundheilungsstörungen leiden, sollten sie unbedingt auf eine ausreichende Zinkzufuhr achten.
Studien haben gezeigt, dass Menschen, die mit Magnesium versorgt sind, ein geringeres Risiko haben, an Diabetes-II (Altersdiabetes) zu erkranken. Die genauen Wirkungsmechanismen sind zwar nicht letztendlich geklärt, am Zusammenhang besteht jedoch kein Zweifel. In Anbetracht verbreiteter Magnesiumdefizite sollten Diabetiker deshalb auch ihre Magnesiumzufuhr im Auge behalten. Der Mineralstoff ist Cofaktor beim Glucosetransport und spielt eine Rolle bei der Insulinregulation. Insulin benötigt für seine volle Wirksamkeit zudem Chrom.
Diabetiker sind verstärkt oxidativem Stress ausgesetzt. Deshalb sind für sie auch die antioxidativen Vitamine C und E von Bedeutung. Bei einem hohen Blutzuckerspiegel werden verschiedene Enzyme beeinträchtigt; die Vitamine C und E wirken dem entgegen. Außerdem ist noch das Insulinaktivierende Spurenelement Chrom zu nennen.
Kann ich mein Soll bei den genannten Mikronährstoffen eigentlich durch eine angepasste Ernährung erreichen?
Im Prinzip schon, in der Praxis gibt es allerdings gewisse Schwierigkeiten. Zink beispielsweise nehmen wir fast ausschließlich mit Fleisch zu uns. Für eine gute Zinkversorgung wäre also eine Diät angemessen, bei der häufiger Schnitzel, Braten und ähnliches auf den Tisch kommt. Das allerdings widerspricht den Ernährungsempfehlungen für Diabetiker, die zu einer eher fleischarmen Kost raten. Auch Vitamin B12 ist in nennenswerten Mengen nur in Lebensmitteln tierischer Herkunft enthalten. In diesen Fällen kommt man um eine Supplementierung kaum herum.
Macht es für meine Vitaminversorgung einen Unterschied, ob ich bereits Diabetiker bin, oder ob es sich bei mir um ein Vorstadium handelt?
Man hat beobachtet, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin-D-Status ein höheres Risiko tragen, Diabetes zu entwickeln. Ähnliches gilt für andere Mikronährstoffe. Insofern ist es sinnvoll, die Frage nach der Vitaminversorgung nicht erst bei einer akuten Erkrankung zu stellen, sondern grundsätzlich seine Lebensweise und seine Ernährungsgewohnheiten zu überprüfen.
Selen – selten und unterschätzt
Selen ist als Spurenelement eher weniger bekannt – was macht es denn aus medizinischer Sicht so interessant?
Unser Körper enthält zwar nur rund 10 bis 15 Milligramm Selen, dennoch zählt es zu den essentiellen Elementen und ist Bestandteil wichtiger Enzyme. Vor allem wirkt es antioxidativ und trägt damit zum Schutz vor oxidativem Stress bei. Das heißt, es fängt freie Radikale ab, die bei der Entstehung zahlreicher Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Freie Radikale sind besonders reaktiv und können zum Beispiel die Erbsubstanz schädigen, auch Alterungsprozesse werden durch sie begünstigt. Als Enzymbestandteil ist Selen beispielsweise wichtig für eine normale Schilddrüsenfunktion. Unentbehrlich ist es für die Gluthadion-Peroxidase, einem sehr potenten Enzym, das viele körpreigene Substanzen vor Oxidation schützt. Weiterhin trägt das Spurenelement dazu bei, dass das Immunsystem einwandfrei funktioniert, Haare und Nägel gesund bleiben und die Spermatogenese ungestört abläuft. Für eine Reihe von weiteren günstigen Einflüssen gibt es Hinweise, aber noch keine eindeutigen Belege.
In welchen Fällen oder für welche Personen ist Selen besonders wichtig?
Grundsätzlich sollten sich alle Menschen mit einem labilen oder stark belasteten Immunsystem ausreichend mit Selen versorgen. Dies gilt auch bei Störungen der Schilddrüsenfunktion – in diesem Fall sollte immer auch der Selenstatus beobachtet werden. Vegetarier haben ein hohes Risiko für Selendefizite, wenn sie nicht gerade eine für diesen Mikronährstoff optimierte Kost zu sich nehmen und sehr viel Getreideprodukte und Nüsse verzehren. Da auch Eier relativ viel Selen enthalten, sind Veganer besonders von Unterversorgung bedroht. Defizite können unter anderem durch starken Alkoholgenuss oder Rauchen entstehen. Höheren Bedarf haben auch Schwangere und ältere Menschen.
Wie steht es denn grundsätzlich um die Selenversorgung in Deutschland?
Das sieht eher ungünstig aus: Der Gehalt in Nahrungsmitteln ist abhängig von der Konzentration dieses Mikronährstoffes in den Böden. Diese sind in ganz Mitteleuropa ausgesprochen selenarm. Demzufolge nehmen die Menschen hier im Allgemeinen zu wenig Selen zu sich; Ernährungsexperten schätzen etwa 30 bis 40 Mikrogramm täglich. In Gebieten mit stärker selenhaltigen Böden ist die Situation ganz anders, wie in bestimmten westlichen Staaten der USA. Der Tagesbedarf wird auf zwischen minimal 20 und maximal 300 Mikrogramm geschätzt, die Empfehlungen sind abernicht in allen Ländern einheitlich. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt der Richtwert von 30 bis 70 Mikrogramm täglich. Amerikanische Wissenschaftler raten zu einem Mikrogramm Selen pro Kilogramm Körpergewicht, also rund 70 bis 80 Mikrogramm für einen durchschnittlichen Erwachsenen. Allerdings halten nicht wenige Experten diese Werte für zu niedrig und empfehlen Gesunden 80 bis 100 Mikrogramm, Risikogruppen wie etwa Rauchern sogar bis zu 200 Mikrogramm täglich.
Wie kann ich mir ausreichend Selen zuführen, geht das über die Ernährung?
Das Spurenelement ist proteingebunden vor allem in tierischen Nahrungsmitteln enthalten. Besonders selenreich sind Innereien wie Nieren oder Leber. Auch Seefisch enthält nennenswerte Mengen. Man schätzt, dass Selen in Deutschland zu fast neunzig Prozent über tierisches Eiweiß aufgenommen wird und nur zu rund zehn Prozent aus pflanzlicher Nahrung. Hierbei kommen in erster Linie Getreide, Nüsse und bestimmte Pilze in Betracht.
Prinzipiell kann man sich also mit einer entsprechenden Kost durchaus ausreichend mit Selen versorgen. Dies wäre allerdings eine ziemlich einseitig fleischreiche Diät, die man aus bekannten gesundheitlichen Gründen keineswegs empfehlen kann. Mit der Forderung nach einer gesunden, ausgewogenen und obst- und gemüsereichen Ernährung wäre sie kaum vereinbar. Am nächsten kommt man seiner empfohlenen Selenzufuhr durch den häufigen Verzehr von Seefisch, wie beispielsweise Hering oder Thunfisch. Allerdings sollte man bei Seefisch auch an die Belastung mit Umweltgiften wie etwa Quecksilber denken. Wirklich optimal und gut dosierbar versorgen kann man sich mit Hilfe von Selenpräparaten.
Was muss ich bei Selen beachten? Kann ich mir damit auch schaden?
Grundsätzlich ja. Bevor Selen vor etwa vierzig Jahren als Spurenelement „entdeckt“ wurde, war es eher wegen seiner toxischen Eigenschaften bekannt. In Gebieten mit extrem selenreichen Böden hatte man beispielsweise Vergiftungserscheinungen bei weidendem Vieh beobachtet. In der Praxis ist es jedoch in Mitteleuropa so gut wie ausgeschlossen, sich über die Nahrung mit Selen zu vergiften. Auch mit Hilfe von Selenpräparaten wäre dies schwierig; man müsste sich schon gezielt damit vergiften wollen. Die Dosierung in den üblichen Nahrungsergänzungsmitteln orientiert sich am Tagesbedarf – und der sollte möglichst nicht überschritten werden. Üblicherweise enthalten in Deutschland frei verkäufliche Selenpräparate seriöser Hersteller höchstens 100 Mikrogramm oder etwas mehr pro Dosis. Der maximal sichere Wert der Zufuhr wird mit 600 Mikrogramm pro Tag angegeben. Wie auch bei anderen Mikronährstoffen sollte man bei Selen nicht nach dem Motto „Viel hilft viel“ verfahren, sondern seinen kritischen Blick auf die persönlichen Ernährungsgewohnheiten, den Gesundheitsstatus und andere medizinisch relevante Faktoren werfen. Im Zweifelsfall empfiehlt sich immer eine Rücksprache mit dem Hausarzt.
Ausgewogene Ernährung und das richtige Maß
Katharina Greifenstein, Diplom-Ökotrophologin
Im Zusammenhang mit Diäten und Nährstoffzufuhr wird immer von einer „ausgewogenen Ernährung“ gesprochen. Was genau bedeutet das?
Ausgewogen ist die Ernährung dann, wenn sie den Körper mit allen notwendigen Nährstoffen im richtigen Verhältnis und in ausreichender Menge versorgt und damit eine optimale Funktion des Organismus gewährleistet.
Das „richtige Verhältnis“ heißt nach der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): mindestens 50 Prozent der Kalorienzufuhr aus Kohlenhydraten, circa 30 Prozent aus Fett und maximal 20 Prozent aus Eiweiß.
Grundlage für eine ausgewogene Ernährung sind Getreideprodukte – am besten Vollkorn – sowie Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst. Dabei sollten Obst oder Gemüse zu jeder Mahlzeit gehören, um auf die empfohlenen 5 Portionen täglich zu kommen. Wenigstens einmal am Tag gehören fettarme Milchprodukte wie Milch, Joghurt und Käse auf den Teller. Fleisch allerdings sollte nicht jeden Tag gegessen werden, Fisch jedoch ein- bis zweimal pro Woche. Wurst und Eier sollten ebenso wie Fett und fettreiche Lebensmittel nur selten und in kleinen Mengen verzehrt werden, wobei pflanzliche Fette zu bevorzugen sind.
Die Flüssigkeitszufuhr von ein bis zwei Litern am Tag erreicht man am besten mit Mineralwasser, verdünnten Säften und ungesüßtem Tee. Süßigkeiten wie Kuchen, Torten, Eis und Schokolade gehören wegen des hohen Zucker- und Fettgehaltes nur selten auf den Speiseplan.
Als Leitlinie hört sich das ganz einfach und plausibel an – aber kann man eigentlich alle Richtwerte für eine ausgewogene Ernährung ohne Probleme komplett einhalten?
Eine ausgewogene Ernährung nach den oben genannten Regeln der DGE ist auf jeden Fall die beste Grundlage, um sich ausreichend mit allen notwendigen Nährstoffen zu versorgen. Dennoch gibt es Umstände, die es uns schwer machen, uns täglich ausgewogen und gesund zu ernähren. Hauptgrund hierfür ist vor allem die moderne Arbeitswelt mit viel Hektik und Stress, aber auch zunehmende Mobilität und Außer-Haus-Verpflegung. Weitere individuelle Faktoren, wie zum Beispiel Schwangerschaft, chronische Krankheit oder Unverträglichkeiten können Ursache dafür sein, dass der Bedarf abweicht oder eben nicht ausreichend gedeckt wird. Dies kommt leider ausgesprochen häufig vor:
Die Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II und des Ernährungsberichts der DGE von 2008 zeigen, dass es vielen Menschen schwer fällt, ihren Bedarf mit allen Vitaminen und Mineralstoffen den Richtwerten entsprechend zu decken. Vor allem betrifft dies die Versorgung mit Vitamin D, Folsäure, Jod, Eisen und Calcium.
Können Sie dies in Zahlen fassen?
Die sind eindeutig: Nur 35 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen halten die Empfehlungen der DGE zum Obstkonsum von 250 Gramm pro Tag ein, und nur 11 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen kommen auf den Richtwert von 400 Gramm Gemüse täglich.
Die Vitamin-D-Zufuhr liegt der Nationalen Verzehrsstudie II zufolge bei 91 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer unterhalb der empfohlenen Werte, wobei besonders Jugendliche und Senioren Defizite aufweisen.
Ähnlich ungünstig sieht es bei der Folsäurezufuhr aus: 86 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer bleiben unter dem Soll. Etwa die Hälfte aller Deutschen nimmt zu wenig Calcium auf (46 Prozent der Männer, 55 Prozent der Frauen); weibliche Jugendliche und ältere Männer und Frauen sind davon besonders betroffen. Bei Frauen beobachten wir zudem verbreitete Eisendefizite: Drei Viertel der unter 50-jährigen nehmen zu wenig zu sich.
Alles in allem sind also sehr viele Menschen von einer ausgewogenen Ernährung und deren Zielen weit entfernt – es ist eher die Ausnahme, als die Regel.
Wenn schon bei der Durchschnittsbevölkerung solche klaren Defizite bestehen, wie sieht es dann für Vegetarier und Veganer aus? Was bedeutet „ausgewogene Ernährung“ für diese Menschen?
Zunächst muss man bei vegetarischer Ernährung unter verschiedenen Formen unterscheiden: Während die Ovo-Lacto-Vegetarier neben den pflanzlichen Lebensmitteln auch Eier, Milch und Milchprodukte verzehren, verzichten Lacto-Vegetarier zusätzlich auf Eier. Veganer nehmen überhaupt keine tierischen Lebensmittel zu sich.
Demnach sind die Auswirkungen der verschiedenen Formen auf die Gesundheit unterschiedlich zu beurteilen. Vor allem mit Fleisch und Fisch aufgenommen werden die Vitamine D3 und B12 sowie Eisen, Zink und die Omega-3-Fettsäuren. Bei diesen Mikronährstoffen können Vegetarier also leicht in defizitäre Bereiche geraten.
Bei einer ausgewogenen Ovo-Lacto-vegetarischen Ernährung ist die ausreichende Versorgung der oben erwähnten Nährstoffe in der Regel gewährleistet, sie sollte aber in speziellen Lebensphasen (Schwangerschaft, Stillzeit, Wachstum, Alter) besonders beachtet werden. In diesen speziellen Fällen sind Supplemente mit den genannten Nährstoffen sinnvoll.
Voraussetzung für eine ausgewogene Ovo-Lacto-vegetarische Ernährung ist jedoch entsprechendes Wissen über den ernährungsphysiologischen Wert der Lebensmittel sowie sorgfältige Lebensmittelauswahl und -kombination. Eine sehr bewusste und durchdachte Nahrungsauswahl ist für alle Vegetarier besonders wichtig. Nur so kann der Bedarf an Grundnährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen gedeckt werden.
Bei Veganern steigen durch den zusätzlichen Verzicht auf alle tierischen Produkte die Risiken für Defizite bei den genannten Nährstoffen nochmals. Veganer müssen ganz besonders auf ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 und Eisen achten. Weil Veganer auch keine Milch und Milchprodukte essen, kommt bei ihnen Calcium als kritischer Nährstoff hinzu. Sie müssen ihn ausschließlich aus pflanzlichen Lebensmitteln zuführen. Auch in diesem Fall können Supplemente sehr sinnvoll sein.
Nahrungsergänzungsmittel sind bei bestehenden Mikronährstoffstoffdefiziten sicher sehr hilfreich. Aber kann ich eigentlich auch zu viel davon zu mir nehmen?
Obwohl fast ein Drittel – also 28 Prozent – der Befragten in der Nationalen Verzehrsstudie II angaben, ein Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, ist ein Zuviel davon ziemlich unwahrscheinlich. Vor allem die Vitamine C, B, E und Folsäure werden supplementiert, bei den Mineralstoffen sind es Calcium- und Magnesium-Präparate.
Eine Überdosierung von Mikronährstoffen ist aus verschiedenen Gründen sehr unrealistisch: Seriöse Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln orientieren sich bei der Dosierung auch ohne gesetzliche Höchstmengen für Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente an wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und Sicherheitsregeln. Da der Bedarf des Einzelnen in bestimmten Situationen vom durchschnittlichen Bedarf abweichen kann und sinnvoll zusammengesetzte Supplemente diesem Bedarf gerecht werden wollen, kann die Dosierung einiger Vitamine und Mineralstoffe die empfohlene Tageszufuhr überschreiten. Jedoch werden dabei die Sicherheitslevel, der so genannte UL – tolerable upper intake level – die maximale langfristige Gesamtzufuhr eines Nährstoffes, nicht überschritten. Eine Überdosierung, wie sie wegen der Überschreitung der empfohlenen Tageszufuhr manchmal fälschlicherweise angenommen wird, ist deshalb nicht zu befürchten. Außerdem finden sich auf jeder Verpackung Angaben, wie das Nahrungsergänzungsmittel zu verwenden ist, und es wird davor „gewarnt“, die empfohlene Tageszufuhr zu überschreiten.
Einer Auswertung des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahre 2004 zufolge gibt es nur einen relativ geringen Anteil in der Bevölkerung, der mehrere Supplemente verwendet. Dort heißt es: „Dabei kommt die Mehrfachaufnahme von Vitamin C noch am häufigsten vor. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gefahr einer Überdosierung mit verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen im Jahr 1998 in Deutschland relativ gering war.“
Besteht hierzulande das Risiko einer Unterversorgung mit Mikronährstoffen?
Dr. Peter Engel, Mikrobiologe
Wie sieht es derzeit mit der Versorgung der Deutschen mit Vitaminen und Co. aus?
Das Fazit zahlreicher nationaler Verzehrsstudien lautet, dass in Industrieländern wie Deutschland „im statistischen Mittel” kein Mikronährstoffmangel herrscht. Insbesondere wenn man sich ausgewogen ernähren und an die von den Ernährungsgesellschaften empfohlene Ernährungsweise – z. B. fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag – halten würde, sei der Vitaminbedarf gedeckt. Dabei räumen die Ernährungsexperten ein, dass sie in ihren Untersuchungen zur Vitaminzufuhr innerhalb der Bevölkerung große Unterschiede feststellen und nicht alle Menschen die anzustrebenden Referenzwerte tatsächlich erreichen. Hinzu kommt, dass der tatsächliche Nährstoffbedarf von Mensch zu Mensch verschieden ist und von Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Lebensgewohnheiten und genetischen Anlagen beeinflusst wird. In jeder Altersgruppe werden Risikogruppen mit vergleichsweise ungünstiger Nahrungsauswahl und unzureichender Mikronährstoffversorgung identifiziert.
Welche Risikogruppen für eine Unterversorgung gibt es?
Eine ausreichende Zufuhr von Mikronährstoffen ist schon für das ungeborene Leben von großer Bedeutung. Für die Entwicklung des Fötus ist Folsäure besonders wichtig: Innerhalb der ersten Entwicklungswochen bildet sich das Neuralrohr heraus. Wenn dabei Folsäure nicht ausreichend vorhanden ist, wird diese Entwicklung gestört und kann schwerste Fehlbildungen zur Folge haben, wie etwa einen so genannten offenen Rücken. Die bekannte Kiefer-Gaumen-Spalte gehört dabei zu den weniger schwerwiegenden Folgen. Schwangeren wird deshalb geraten, mindestens vier Wochen vor Beginn und während des ersten Drittels der Schwangerschaft Folsäurepräparate einzunehmen. Ebenso ist eine ausreichende Versorgung mit Jod für die körperliche und geistige Reifung des Fötus wichtig.
Auch nach der Geburt sind die Kleinen auf eine angemessene Versorgung mit Mikronährstoffen durch die Mutter angewiesen: Säuglinge ernähren sich einige Monate lang nur von der Muttermilch oder entsprechender Ersatznahrung. Es liegt auf der Hand, dass der sich entwickelnde Organismus hohe Ansprüche an die Versorgung mit Mikronährstoffen stellt. Säuglinge bekommen häufig zu wenig Vitamin D, das für die Knochengesundheit wichtig ist. Da jedoch schon viele Mütter schlecht mit Vitamin D versorgt sind, erhalten auch die Säuglinge zu wenig Vitamin D. Zudem wird Säuglingen oft zu wenig Vitamin K mit der Nahrung zugeführt, das unter anderem für die Blutgerinnung benötigt wird. Viele Kliniken verabreichen deshalb routinemäßig Vitamin K in den ersten Lebenstagen. Ab dem vierten Lebensmonat kann Muttermilch allein den Eisen- und Vitamin-C-Bedarf nicht mehr decken, weswegen dann Beikost eingeführt wird.
Worauf sollten Schwangere sonst noch achten?
Neben der schon erwähnten Folsäure und dem Vitamin D sollten Schwangere auch auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin A achten, das für das Wachstum und die Entwicklung verschiedener Gewebe benötigt wird. Wer auf den Verzehr von Vitamin-A-reicher Leber und leberhaltigen Lebensmitteln verzichten möchte, für den ist eine ausreichende Zufuhr von Beta-Carotin, als essenzielle und sichere Vitamin-A-Quelle, von großer Bedeutung. Während der Schwangerschaft nimmt das Blutvolumen einer Frau um 25 bis 40 Prozent zu, dementsprechend steigt auch ihr Eisenbedarf. Eine Nahrungsergänzung mit Eisenpräparaten kann sinnvoll sein, um Eisenmangel vorzubeugen, der unter anderem das Risiko für eine Frühgeburt erhöht.
Wie sieht es bei Kindern aus – sind sie besser mit Mikronährstoffen versorgt als Säuglinge?
Nicht zwangsläufig. Mikronährstoffmängel entstehen bei Kindern vor allem durch einseitige Ernährung; beispielsweise wird häufig zu wenig Gemüse und Obst verzehrt. Ein besonders hohes Risiko für Defizite haben Kinder und Jugendliche bei den BVitaminen sowie bei Vitamin C und D und den Mineralstoffen Calcium (für die Knochen) und Eisen (für die Blutbildung). Vitamin D stellt dabei einen Sonderfall dar, da es unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut, also vom Körper selbst gebildet werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass sich die Kinder viel im Freien aufhalten. Wegen ihres starken Wachstums haben Kinder und Jugendliche einen erhöhten Bedarf an praktisch allen Mikronährstoffen.
Was ist mit Senioren – hat eine veränderte Lebensweise auch Einfluss auf den Mikronährstoffbedarf?
Auf jeden Fall – besonders, wenn sich auch die Ernährung ändert. Manche Senioren reduzieren die zugeführte Nahrungsmenge aufgrund von Appetitverlust. Andere können nicht mehr so gut kauen und verzichten deshalb weitgehend auf knackiges Obst oder frische Salate und bevorzugen weich (= lange) gekochte Speisen. Vor allem Vitamin C, die B-Vitamine sowie die Carotinoide (z. B. Beta-Carotin) kommen dann zu kurz. Zudem verfügt etwa ein Drittel der über 70-Jährigen nicht mehr über eine ausreichende Magensäureproduktion. Dadurch wird der im Rahmen der Verdauung notwendige Aufschluss der Nahrung, d. h. die Freisetzung von Nährstoffen, beeinträchtigt. Das kombinierte Defizit von Folsäure sowie der Vitamine B12 und B6 wird mit einem gesteigerten Arteriosklerose-Risiko in Verbindung gebracht.
Da mit zunehmendem Alter die Fähigkeit zur Vitamin-D-Synthese in der Haut nach Sonnenlicht-Exposition abnimmt und viele ältere Menschen zumindest zeitweise ans Haus gebunden sind, verdient deren Vitamin-D-Versorgung besondere Aufmerksamkeit. Eine ausreichende Aufnahme von Calcium, Vitamin D und möglicherweise Vitamin K kann das Auftreten einer Osteoporose verzögern und deren Voranschreiten verlangsamen.
Gibt es weitere Risikogruppen für eine Unterversorgung mit bestimmten Mikronährstoffen?
Für Personen mit geringer Nahrungsaufnahme aufgrund häufiger Reduktionsdiäten besteht dieses Risiko. Veganer müssen auf eine ausreichende Vitamin-B12-Zufuhr achten, ebenso auf Vitamin D und die hauptsächlich in Nahrungsmitteln tierischer Herkunft vorkommenden Mineralstoffe Zink und Eisen. Auch chronisch Kranke und Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, haben oft Defizite bei bestimmten Mikronährstoffen. Erwähnt werden sollte auch regelmäßiger Alkoholgenuss, der den Bedarf an B-Vitaminen erhöhen kann. Raucher belasten ihren Körper mit großen Mengen an freien Radikalen und benötigen deshalb gegebenenfalls antioxidative Mikronährstoffe wie die Vitamine E und C sowie Carotinoide. Unabhängig von den genannten Risikogruppen spielen immer auch individuelle Faktoren und Lebensumstände eine Rolle: Bei alleinstehenden Personen – besonders Männern – die überwiegend wenig frisches Obst und Gemüse konsumieren, wird regelmäßig eine niedrige Versorgung mit Vitamin C, Folsäure und Carotinoiden festgestellt. Zudem können Stress oder eine starke körperliche Belastung den Bedarf an Mikronährstoffen erhöhen.
Moderne Arbeitswelt und Ernährung
Prof. Peter Weber, Internist
Welche Faktoren haben typischerweise Einfluss auf die Ernährung Berufstätiger?
Sehr häufig haben Berufstätige wenig Zeit für die Zubereitung von Mahlzeiten. Viele gehen in eine Kantine, da hängt es dann davon ab, was zur Auswahl steht. Auch wenn viele Großküchen inzwischen ein vorbildliches Angebot haben, gibt es leider immer noch häufig eher deftige Küche, das heißt recht fetthaltige und vitaminarme Mahlzeiten. Nicht wenige Berufstätige nehmen anstelle eines richtigen Mittagessens nur einen schnellen Snack zu sich, oft auch, weil ihnen ein richtiges Mittagessen in der üblich angebotenen Form zu üppig ist. Diese Faktoren wirken sich natürlich auf die Qualität der Ernährung aus. Dabei können Mahlzeiten aus der Kantine durchaus sehr hochwertig sein, und ein Snack kann ja auch aus einem gemischten Salat bestehen.
Das ist aber doch aller Erfahrung nach eher die Ausnahme, gerade Snacks werden doch wohl vorwiegend als Fastfood verzehrt – was sagt denn die Statistik dazu?
Nach einer Erhebung der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) geht rund ein Viertel aller Berufstätigen mittags in eine Kantine essen. Fast die Hälfte, etwa 40 Prozent nehmen ihr Mittagessen direkt am Arbeitsplatz zu sich, meistens als Snack, und jeder zehnte verzichtet ganz darauf. Das ist ziemlich weit entfernt von der Idealvorstellung einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Hauptmahlzeit zum Mittag. Der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellt zudem seit Jahren einen immer weiter ansteigenden Anteil frittierter Speisen an den täglichen Mahlzeiten fest. Demnach nimmt auch der Zuckerverbrauch ständig zu – zurzeit geschätzt, steigt er um 400 Gramm jedes Jahr!
Welche Mikronährstoffe kommen denn bei Berufstätigen häufig zu kurz?
Das sind vor allem die Frischevitamine C und Folsäure, die schon bei längerer Lagerung leiden oder durch Erhitzen zerstört werden. Auch Vitamin B1 und B6 gehen dabei verloren. In lange warm gehaltenen Speisen und Fertiggerichten ist davon in aller Regel nicht mehr viel zu finden, von süßen Snacks ganz zu schweigen. Ein niedriger Vitamin-C-Spiegel aber ist nicht nur ungünstig für das Immunsystem, er erhöht auch das Risiko für Diabetes. Diese Zivilisationskrankheit wird schon durch andere verbreitete Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel gefördert. Wer wenig an die frische Luft beziehungsweise ans Sonnenlicht kommt, bildet in seiner Haut auch wenig Vitamin D. In Mitteleuropa sind ohnehin mehr als die Hälfte aller Menschen mit den Vitaminen D und Folsäure nicht ausreichend versorgt, das zeigen praktisch alle Untersuchungen der letzten Jahre. Auch eine Reihe von B-Vitaminen kommt schnell zu kurz, insbesondere bei häufigem Stress.
Die Regel „fünf mal am Tag Obst und Gemüse“ lässt sich im Berufsalltag oft nur schwer einhalten – kann man das irgendwie ausgleichen?
Man kann natürlich auch bei Kantinenessen oder einem schnellen Imbiss stärker auf Salate und frisches Obst zurückgreifen (statt auf Schokoriegel und Ähnliches) und anstelle so genannter Softdrinks besser einen Obstsaft oder einfach nur Mineralwasser trinken. Vitamin-D-Defizite kann man relativ leicht mit viel Milch, Milchprodukten oder fettem Seefisch vermeiden, der im Übrigen auch die sehr wertvollen Omega-3-Fettsäuren und viele Spurenelemente enthält. Im Zweifelsfall kann man seine Vitaminreserven immer noch mit Nahrungsergänzungsmitteln auffrischen.
Ein Ausgleich über entsprechend reichhaltiges Essen am Abend funktioniert nur bedingt, weil unser Organismus nicht alle Vitamine speichern kann; dies gilt zum Beispiel für Vitamin C. Man kann zudem kaum mit einer einzigen guten und nährstoffreichen Mahlzeit die Versäumnisse eines ganzen Tages wettmachen.
Auf welche Mineralstoffe und Spurenelemente sollte besonders geachtet werden?
Ganz wichtig ist Magnesium, das vor allem mit pflanzlicher Nahrung zugeführt wird. Es wird für zahlreiche Stoffwechselvorgänge benötigt. Jede Muskelzelle und jede Nervenzelle braucht Magnesium; ohne Magnesium können die Zellen keine Energie erzeugen und keine Leistung bringen. Ein Teil der Bevölkerung ist nicht ausreichend mit Magnesium versorgt; man spürt das oft erst durch Waden- und andere Krämpfe. Die Leistungsfähigkeit und Stressbelastbarkeit leidet allerdings schon lange vorher. Wichtig ist auch Calcium, wird zu wenig davon aufgenommen, holt sich der Körper das Element aus den Knochen, die dadurch brüchig werden und an Stabilität verlieren. Damit steigt das Risiko für Knochenbrüche. Außerdem wichtig: Kalium (zum Ausgleich von viel Kochsalz in Fertiggerichten), welches ebenfalls in allen pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden ist, sowie Zink und Selen für das Immunsystem. Bei all diesen Elementen entstehen besonders dann schnell Defizite, wenn man sich nicht ausgewogen und abwechslungsreich mit viel Frischkost ernährt und stattdessen hauptsächlich Fastfood und viel Süßes verzehrt. Werden dazu noch große Mengen Kaffee getrunken, wie in vielen Büros und Betrieben üblich, kommt ein weiterer Effekt hinzu: Kaffee behindert die Aufnahme bestimmter Mineralstoffe und sollte deshalb wenigstens in deutlichem Zeitabstand zu den Mahlzeiten genossen werden.
Einfluss von Antioxidantien auf chronische Parodontitis
Dr. Andreas Erber, Molekularbiologe
Herr Dr. Erber, Parodontitis – allgemein entzündliche Erkrankungen des Zahnfleischs – sind weit verbreitet. Kann das auch an der Ernährung liegen?
Parodontitis ist eine chronische Entzündung des Zahnfleisches. Sie wird durch Bakterien hervorgerufen, die im Zahnbelag leben. Sie wird in aller Regel durch mangelnde Zahnhygiene und schlechte Ernährung ausgelöst und durch zu wenig Vitamine und Mineralstoffe begünstigt. Leider verläuft die weit verbreitete Krankheit oft lange Zeit unbemerkt, weil sie nicht unbedingt mit Schmerzen einher- geht. Wenn solche spürbaren Beschwerden auftreten – dazu gehören auch lockere Zähne oder Blutungen – ist die Parodontitis meistens weit fortgeschritten. Das Essverhalten ändert sich dann häufig, beispielsweise wird frisches, knackiges Obst gemieden, dafür werden sehr weich gekochte Speisen bevorzugt. Dies hat Einfluss auf die Vitaminversorgung und kann leicht Defizite zur Folge haben.
Gibt es bestimmte Vitamine, die in diesem Zusammenhang besonders wichtig sind?
Da wäre zuallererst Vitamin C zu nennen. Skorbut, die Seefahrerkrankheit früherer Zeiten, ist ja eine klassische Vitamin-C-Mangelerkrankung, die bis zum Zahnausfall oder im Extremfall zum Tode führte. Vitamin C ist ein wichtiges Antioxidans, es wirkt gegen Entzündungen und fördert die Wundheilung. Außerdem unterstützt Vitamin C das Immunsystem. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass gut mit Vitamin C versorgte Personen seltener an Parodontitis erkranken als solche, die weniger davon zu sich nehmen.
Spielen auch noch andere Vitamine bei Zahnfleischentzündungen eine Rolle?
Da es sich um eine entzündliche Erkrankung handelt, kommen alle entzündungshemmenden Vitalstoffe in Betracht. Das sind vor allem die Vitamine E und A, vorzugsweise in der Kombination ACE. Beide unterstützen das Immunsystem. Bei einem Vitamin-A-Mangel kommt es zudem zu einer Austrocknung der Mundschleimhäute, unter Umständen leiden auch die Speicheldrüsen. In einem trockenen Mund können die Parodontitis verursachenden Bakterien sehr gut gedeihen.
Nicht außer Acht lassen sollte man Vitamin D – allein schon wegen dessen Bedeutung für den Calcium-Stoffwechsel und damit für die Gesundheit der Zähne. Darüber hinaus wirkt es antimikrobiell und unterstützt die Immunabwehr. Folsäure hat eine Schlüsselfunktion bei Zellteilung und -wachstum und fördert somit die Regeneration des erkrankten Gewebes. Folsäure kann darüber hinaus Blutungsneigung und Schleimhautentzündungen schnell verringern.
Haben auch Spurenelemente einen Einfluss auf Zahnbettentzündungen?
Ja, teilweise im Zusammenspiel mit anderen Mikronährstoffen: Die Wirkung von Vitamin E ist abhängig von ausreichend Vitamin C, Coenzym Q10, Selen und Zink. Zink ist zudem wichtig für das Immunsystem und für die Wundheilung. Coenzym Q10 stimuliert das Zellwachstum und fördert den Heilungsprozess bei Wunden; letzteres gilt auch für Selen – es ist ein starkes Antioxidans und unterstützt die Immunabwehr. Zudem wirkt es synergistisch mit Vitamin E. Ein Mangel an Selen erhöht das Risiko für Zahnfleischentzündungen um ein Vielfaches.
Gibt es Personen, beziehungsweise Risikogruppen, die besonders gefährdet sind?
Raucher sind besonders gefährdet; auch deshalb, weil der Rauch mit all seinen Giften unmittelbar Kontakt mit der Mundschleimhaut hat. Sie leidet darunter und wird weniger gut durchblutet. Die freien Radikale im Rauch fördern natürlich Entzündungen. Auch Diabetiker und Schwangere haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Dazu eben auch alle Menschen, die ihre Zahnpflege vernachlässigen und alle, die sich einseitig ernähren. Grundsätzlich steigt das Risiko in dem Maße an, wie das Immunsystem leidet – deshalb ist starker Stress sehr ungünstig.
Was kann man tun, wenn bereits eine fortgeschrittene Parodontitis eingetreten ist und bestimmte Nahrungsmittel, wie etwa knackiges Obst, kaum noch in Frage kommen, weil das Zahnfleisch empfindlich und einzelne Zähne locker geworden sind?
Das ist zunächst einmal ein Fall für den Zahnarzt. Man kann aber selbstverständlich die Gesundung des Zahnfleisches mit einer guten Vitalstoffzufuhr unterstützen. In einem solch fortgeschrittenem Stadium bietet sich an, reichlich Obstsäfte zu sich zu nehmen, am besten frisch gepresste. Darüber hinaus bietet sich an, seine Vitalstoffversorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln zu optimieren. Wenn man sich dabei an Kombinationspräparate hält, lassen sich auch Defizite bei anderen Vitaminen und Mineralstoffen ausgleichen.
Kann eine fortgeschrittene Parodontitis eigentlich Folgeerkrankungen auslösen?
Durchaus. Die Entzündungsmediatoren fördern die Blutgerinnung, wodurch ein Herzinfarkt oder ein Gehirnschlag begünstigt wird. Patienten mit ausgeprägten Zahnfleischerkrankungen haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Für Männer gilt Parodontitis sogar als Risikofaktor für einen Schlaganfall. Bei Diabetikern wirkt sich eine Zahnbettentzündung ungünstig auf die Einstellung der Blutzuckerwerte aus.
Versorgung mit Mikronährstoffen – Mangel im Überfluss, Probleme und Risikogruppen
Dr. med. Thomas Schettler, Humanmediziner
Herr Dr. Schettler, im Prinzip sind wir doch alle gut ernährt – eher zu gut. Ein Mangel an Vitaminen oder Mineralstoffen sollte dann doch weitgehend auszuschließen sein?
Das kann man eindeutig mit nein beantworten! Zwischen krassem Vitaminmangel und guter Versorgung gibt es eine weite Spanne, die überwiegende Zahl aller Deutschen kommt beispielsweise nicht auf die offiziell empfohlenen Werte für die Folsäureversorgung. Auch bei anderen Vitaminen sieht es ähnlich aus.
Wie ist das möglich? Wir können uns doch heutzutage sehr viel besser und reichhaltiger ernähren, als jede andere Generation vor uns!
Das stimmt wohl. Unsere Lebensweise und unsere Essgewohnheiten stehen aber häufig einer optimalen Vitalstoffversorgung entgegen – wenig frisch zubereitete Speisen, zu wenig Obst und Gemüse und zu viele tierische Fette und Zucker bleiben nicht ohne Auswirkungen. Rauchen und Alkoholgenuss haben zusätzlichen Vitaminbedarf zur Folge. Fatal ist dann oft die Kombination dieser Faktoren – wer unter Stress steht, raucht und trinkt vielleicht eher und stärker, zusätzlich ernährt er sich wahrscheinlich eher von vitamin- und mineralstoffarmem Fast Food.
Gibt es bestimmte Bevölkerungsgruppen, die besonders gefährdet sind, zu wenig Mikronährstoffe zu erhalten?
Je nach Lebensweise, Alter, Ernährung etc. ist der Bedarf an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen unterschiedlich groß. In erster Linie von Mikronährstoffdefiziten bedroht sind Schwangere, Senioren, Kinder und Jugendliche sowie chronisch Kranke und Personen, die regelmäßig bestimmte Medikamente einnehmen. Schwangere zum Beispiel müssen ja außer sich selbst auch noch den Fötus mitversorgen. Sie benötigen vor allem diejenigen Vitamine und Mineralstoffe, die für ein mindestens ungestörtes Wachstum des werdenden Kindes wichtig sind. Vor allem ist dies Folsäure. Dieses Vitamin ist unverzichtbar für die Entwicklung des Nervensystems, bei Defiziten können schwere Missbildungen auftreten. Die Versorgung mit Folsäure ist in weiten Bevölkerungskreisen sowieso nicht besonders gut. Der Nationalen Verzehrstudie zufolge bleiben drei Viertel der Gesamtbevölkerung unter dem empfohlenen Sollwert! Deshalb sollten Schwangere hier ganz besonders darauf achten. Die erforderlichen Mengen sind jedoch über die Ernährung kaum zu erreichen, es sei denn durch mit Folsäure angereicherte Lebensmittel. Normalerweise kommt man aber um eine ergänzende Zufuhr über entsprechende Präparate nicht herum, wenn man die empfohlenen Richtwerte einhalten will. Für ein gesundes Knochen- und Zahnwachstum ist neben Calcium ausreichend Vitamin D erforderlich, an dem es auch sehr vielen Menschen mangelt. Wegen ihres größeren Blutvolumens haben Schwangere außerdem einen höheren Eisenbedarf.
Wie sieht das für Kinder und Jugendliche aus?
Für sie ist das Knochen- und Zahnwachstum sehr wichtig, also Calcium und Vitamin D. Solange sich Kinder und Jugendliche häufig im Freien aufhalten, sollten sie allerdings keine Probleme mit Vitamin D haben, da es unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut gebildet wird. Bei den Wachstumsprozessen spielen jedoch eine Reihe von B-Vitaminen eine große Rolle, die z. B. durch Fast Food und sehr zuckerhaltige Nahrung leicht zu kurz kommen.
Wenn das Sonnenlicht so wichtig für die Vitamin-D-Versorgung ist, dann wäre das doch auch generell für Menschen von Bedeutung, die sich wenig im Freien aufhalten?
Ja – z. B. für Senioren, die nicht mehr so mobil sind und das Haus nicht mehr so oft verlassen. Hinzu kommt, dass die Fähigkeit der Haut, Vitamin D unter Sonnenlichtbestrahlung zu bilden, mit dem Alter nachlässt. Das lässt sich dann oft nur noch mit einer Ernährung ausgleichen, die etwa viel Milch- und Milchprodukte oder Seefisch enthält. Senioren sind besonders Osteoporose-gefährdet und sollten deshalb für gesunde Knochen sorgen. Dazu ist neben dem Vitamin D auch Calcium nötig – enthalten in Milch und Milchprodukten. Wer dies nicht verträgt, sollte supplementieren. Ältere Menschen sind die zweite große Gruppe, die vom Folsäuremangel betroffen sind. Sie verwerten die Nahrung häufig nicht mehr so gut wie in jungen Jahren. Hinzu kommen altersbedingte Essgewohnheiten – weniger frische und knackige Lebensmittel, mehr schnell zubereitete Fertiggerichte, schlechte Zähne, die zu sehr weich (und oft sehr lang) gekochten Speisen verleiten usw. Altersbedingt treten sehr häufig Vitamin-B-12-Defizite auf. Das liegt auch daran, dass dieses Vitamin in höherem Lebensalter nicht mehr so gut aus dem Darm aufgenommen werden kann. Da Vitamin-B12-Defizite auch eine Rolle bei der Entwicklung von Demenz spielen, sollte man verstärkt auf ausreichende Versorgung achten. Wegen der schlechten Resorption im Darm kommt dabei in der Regel nur Supplementierung in Form von Kapseln oder Tabletten in Frage. Gerade im fortgeschrittenen Alter ergibt sich oft ein spezieller Bedarf durch bestimmte chronische Erkrankungen, wie (besonders häufig) Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkankungen.
Was kann man denn grundsätzlich tun, um sich ausreichend Mikronährstoffe zuzuführen?
Ganz einfach: Abwechslungsreiche und möglichst frische, vor allen pflanzliche Nahrung zu sich nehmen: Obst und Gemüse, außerdem Seefisch. Der enthält im Übrigen auch eine Menge Mineralstoffe. Um auf die offiziell empfohlenen Werte, die für den gesunden Durchschnittsmenschen gelten, zu kommen, reicht dies aber nicht immer. In solchen Fällen leisten Nahrungsergänzungsmittel gute Dienste; sie sollten aber ein möglichst breites Spektrum an Mikronährstoffen aufweisen. Die enthaltenen Mengen bzw. die Dosierung sollte sich an den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Tagesdosen orientieren. Wer zu einer der genannten Risikogruppen zählt, sollte sich besser gezielt bestimmte Vitamine und Mineralstoffe zuführen, im Zweifelsfalle nach Absprache mit dem Hausarzt oder dem Apotheker.
Fischöle und ihre gesundheitsrelevanten Inhaltsstoffe
Dipl. oec. troph. Dirk Neuberger, Ernährungswissenschaftler
Ernährungswissenschaftler empfehlen immer wieder, öfters Fisch zu essen – was hat es damit auf sich?
Schon seit vielen Jahren beobachtet man, dass Menschen, die regelmäßig Fisch und Meeresfrüchte essen, sehr viel weniger von ganz bestimmten Erkrankungen betroffen sind. Ein gutes Beispiel ist Japan, wo sehr viel Fisch gegessen wird. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die bei uns in Europa und anderen Industrieländern als typische Zivilisationsschäden gelten, treten dort sehr viel seltener auf.
Worauf beruht dieser Effekt?
Das liegt an den in Kaltwasserfisch vorkommenden Fischölen beziehungsweise an den darin enthaltenen langkettigen und mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Diese Stoffe nehmen die Tiere mit der Nahrung auf und speichern sie in ihrem Körpergewebe. Deshalb finden sie sich besonders reichlich in fettem Fisch wie etwa Makrele, Hering, Lachs, Sardine usw.
Vor allem sind es zwei Omega-3-Fettsäuren, die einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit haben: DHA (Docosahexaensäure) und EPA (Eicosapentaensäure). Sie schützen vor Herz- und Schlaganfällen, indem sie die Fließeigenschaften des Blutes verbessern, den Blutdruck senken, die Gefäße erweitern sowie die Lipide, also die Blutfette, regulieren. Zudem haben sie generell entzündungshemmende Eigenschaften, die auch Patienten mit rheumatischer Arthritis zugute kommen. Das ist aber noch lange nicht alles: Während der letzten Jahre finden sich immer neue Belege für weitere gesundheitsfördernde Effekte dieser Fettsäuren. Sie wirken zum Beispiel auch auf das Gehirn und das Nervensystem.
Also: Cleverer dank Fisch?
Das wäre natürlich übertrieben. Aber etwas ist dran: DHA ist ein wesentlicher Bestandteil des Gehirns und der Netzhaut. Deshalb kann eine Schwangere, die reichlich Omega-3- Fettsäuren zu sich nimmt, schon vor der Geburt die Entwicklung des Gehirns und der Augen ihres Kindes unterstützen. Das hat man auch nachgewiesen: Besonders gut mit DHA versorgte Babys waren bei Aufmerksamkeitstests deutlich schneller. Diesen Vorsprung konnte man noch bis zu ihrem vierten Lebensjahr zeigen! Auch Erwachsene, die häufig Fisch verzehren, sind geistig leistungsfähiger als solche, die Fisch meiden.
Wirken Omega-3-Fettsäuren auch bei anderen mit dem Alter einhergehenden Beschwerden?
Zumindest weiß man aus Studien, dass ein höherer Blutspiegel dieser Fettsäuren die Chromosomen vor Schäden schützt. Die Telomere an den Chromosomenenden gelten als wichtiger Faktor für den Alterungsprozess einer Zelle. Sie werden vereinfacht gesagt mit zunehmendem Alter kürzer. Ab einem bestimmten Punkt stirbt die Zelle. Eine neue Untersuchung von Anfang dieses Jahres hat nun nachgewiesen, dass bei Menschen, die über längere Zeit hinweg erhöhte Werte für Omega-3-Fettsäuren im Blut hatten, die Telomere stabiler waren. Sie verkürzten sich weniger schnell als bei anderen Menschen mit niedrigeren Omega-3-Fettsäurewerten. Das könnte unter anderem erklären, weshalb altersassoziierte Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen günstig beeinflusst werden – neben dem günstigen Effekt auf die Blutfettwerte. Auf der anderen Seite stimulieren diese Fettsäuren das Immunsystem und wirken so vielen Krankheiten entgegen.
Wie lautet denn nun Ihre Empfehlung für den Fischverzehr?
Ganz allgemein sollte man mindestens ein- bis zweimal in der Woche fetten Kaltwasserfisch auf dem Teller haben, also Makrele, Hering, Lachs, auch Thunfisch usw. Dadurch werden ca. 300 mg EPA/DHA pro Tag aufgenommen. Personen mit einem erhöhten Risiko für die hier angesprochenen Krankheiten sollten entsprechend mehr zu sich nehmen, erst recht, wenn sie bereits erkrankt sind. Die Empfehlungen gehen dabei bis weit über ein Gramm der Omega-3-Fettsäuren pro Tag. Zu dieser Menge rät die amerikanische Herz-Gesellschaft zum Beispiel Herzpatienten.
Wird das nicht irgendwann ungesund, dauernd viel Fisch zu essen?
Nicht wegen der Fette, da müsste man schon extrem große Mengen zu sich nehmen. Man sollte aber auf einen anderen Faktor achten. Manche Fische sind mit Umweltgiften belastet, besonders, wenn sie Räuber sind und am Ende einer längeren Nahrungskette stehen, wie etwa Thunfisch. Diese Tiere können bestimmte Gifte anreichern, Thunfisch beispielsweise kann unter Umständen mit Quecksilber belastet sein. Solche Arten sollte man deshalb besser nicht allzu häufig essen. Eine Alternative – auch für Menschen, die keinen Fisch mögen – besteht darin, Fischöl in Kapseln zu sich zu nehmen. Das Öl darin ist – bei Qualitätsprodukten – gereinigt und kann damit bedarfsgerecht eingenommen werden. Außerdem gibt es auch pflanzliche Nahrungsmittel, die Omega-3-Fettsäuren enthalten, wie etwa Wal- und andere Nüsse sowie die daraus gepressten Öle. Auch Raps-, Soja- und Leinöl gehören dazu. Diese Quellen sind als Omega-3-Lieferanten allerdings weniger effektiv als Fische, da die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren vom Körper erst noch umgewandelt werden müssen.
Sport und Ernährung
Christiane Seng, Ernährungswissenschaftlerin
Wie wirkt sich Sport auf den Körper aus?
Zunächst verbraucht er zusätzliche Energie. Dabei arbeiten, wie bei jeder körperlichen Anstrengung (z. B. Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking), viele verschiedene Muskeln gleichzeitig zusammen. Sie müssen rund 300 Mal mehr mit Energie versorgt werden als im Ruhezustand. Je größer die Belastung, desto mehr Energie verbraucht der Organismus. Er läuft auf Hochtouren, dabei steigt der Bedarf an Energie liefernden Nährstoffen (Kohlenhydraten). Entsprechend dem erhöhten Umsatz werden auch Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine verstärkt benötigt. Beim Schwitzen kommt es zu einem verstärkten Verlust dieser Stoffe.
Brauchen aktive Sportler eine besondere Ernährung?
Hier muss ganz klar unterschieden werden, welche Sportart ausgeübt wird und wie oft? Bin ich Freizeit-, Kraft- oder Leistungssportler? Leistungssportler haben einen strikten von Ernährungswissenschaftlern und/oder Ernährungsmedizinern aufgestellten Ernährungsplan, der gezielt auf ihr Training ausgerichtet ist. Solche strengen Pläne sind für Freizeitsportler nicht nötig.
Wer sich zwei- bis dreimal die Woche ca. eine Stunde sportlich betätigt, könnte seinen Energie- und Nährstoffbedarf mit einer vollwertigen Ernährung leicht decken. Leider sieht das in der Praxis häufig anders aus. Für eine ausreichende ausgewogene Ernährung (tägliche Zubereitung frischer und nährstoffreicher Mahlzeiten) fehlt im normalen Alltag häufig die Zeit. Vor allem Berufstätige, die nach Feierabend noch Sport machen, ernähren sich häufig zu fettreich und zu nährstoffarm.
Neben dem Fitnessaspekt steht bei Sporttreibenden auch häufig der Wille zum Abnehmen im Vordergrund. Durch Sport entsteht ein Mehrbedarf an Nährstoffen, zusätzlich werden dem Körper durch eine geringere Nahrungszufuhr auch weniger Nährstoffe zugeführt. Dadurch können Lücken in der Versorgung mit Mikronährstoffen entstehen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt sich der zusätzliche Verzehr bestimmter Sportlernahrung oder Nahrungsergänzungen mit den Nährstoffen, die bei sportlichen Anstrengungen vom Körper verbraucht werden.
Warum ist es gerade auch für Sporttreibende besonders wichtig, sich ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen zu versorgen?
Um den Ablauf des Stoffwechsels überhaupt in Gang zu bringen, benötigt der Körper Enzyme. Nur wenn Mineralstoffe und Vitamine ausreichend zur Verfügung stehen, können die Enzyme ihre Arbeit in vollem Umfang leisten. Mangelt es auch nur an einem dieser Nährstoffe, läuft unser Stoffwechsel nicht mehr mit voller Kraft: Unsere körperliche Leistungsfähigkeit sinkt.
Auf welche Mineralstoffe sollte geachtet werden?
Ganz wichtig ist Magnesium. Jeder Jogger kennt die plötzlich auftretenden Wadenkrämpfe. Sie können ein Zeichen für Magnesiummangel sein. Auch deuten rasche Ermüdbarkeit, Muskelverhärtungen und geringe Belastbarkeit im Sport auf einen Mangel hin. Jede Muskelzelle und jede Nervenzelle benötigt Magnesium. Nur wenn es ausreichend zur Verfügung steht, kann sich der Muskel kontrolliert zusammenziehen und entspannen. Ohne Magnesium könnten die Zellen auch keine Energie erzeugen und dadurch keine Leistung bringen. Um das Magnesiumkonto nicht ins Minus gleiten zu lassen, sollte auf eine kontinuierliche und ausreichende Magnesium-Versorgung geachtet werden. Kleiner Tipp: 200 – 300 mg Magnesium vor dem Schlafengehen einnehmen, das entspannt und fördert das Einschlafen.
Ferner ist ausreichend Calcium wichtig. Wird zu wenig Calcium aufgenommen, holt sich der Körper das Element aus den Knochen. Der wird dadurch brüchig und verliert seine Stabilität – das Risiko für Knochenbrüche steigt. Wer nicht 1000 mg Calcium täglich über die Nahrung aufnimmt, sollte es unbedingt supplementieren. Was viele nicht wissen: Calcium wird auch für die Steuerung der Muskelkontraktion benötigt.
Zumindest weiß man aus Studien, dass ein höherer Blutspiegel dieser Fettsäuren die Chromosomen vor Schäden schützt. Die Telomere an den Chromosomenenden gelten als wichtiger Faktor für den Alterungsprozess einer Zelle. Sie werden vereinfacht gesagt mit zunehmendem Alter kürzer. Ab einem bestimmten Punkt stirbt die Zelle. Eine neue Untersuchung von Anfang dieses Jahres hat nun nachgewiesen, dass bei Menschen, die über längere Zeit hinweg erhöhte Werte für Omega-3-Fettsäuren im Blut hatten, die Telomere stabiler waren. Sie verkürzten sich weniger schnell als bei anderen Menschen mit niedrigeren Omega-3-Fettsäurewerten. Das könnte unter anderem erklären, weshalb altersassoziierte Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen günstig beeinflusst werden – neben dem günstigen Effekt auf die Blutfettwerte. Auf der anderen Seite stimulieren diese Fettsäuren das Immunsystem und wirken so vielen Krankheiten entgegen.
Welche Spurenelemente sind wichtig?
Müdigkeit und Abgeschlagenheit können ein Zeichen für Eisenmangel sein. Vor allem Diät haltende Frauen vor den Wechseljahren können hiervon betroffen sein. Aber auch Sportler, die sich vegetarisch ernähren, haben häufig ein Eisendefizit. Eisen ist Bestandteil der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff zu allen Zellen transportieren. Da für jede Energieproduktion in der Zelle Sauerstoff benötigt wird, wird schnell klar, wie wichtig Eisen für die Leistungsfähigkeit ist.
Auch Jod ist ein ganz wichtiges Spurenelement für den Energiestoffwechsel. Es wird beim Sport in hohen Mengen über den Schweiß ausgeschieden. Die Schilddrüsenhormone, die den Stoffwechsel anregen, können nur mit Jod gebildet werden.
Ähnlich verhält es sich mit Zink. Sportler verlieren es verstärkt beim Schwitzen. Zink stärkt die Abwehrkräfte, die besonders im Sport gefordert sind. Zinkdefizite sind häufig, vor allem bei älteren Menschen. Fast die Hälfte der über 65-jährigen Männer und immer noch mehr als ein Viertel der Frauen in dieser Altersgruppe erreicht nicht die empfohlene tägliche Zufuhr an Zink.
Sportlich aktive Menschen sollten außerdem auf eine ausreichende Versorgung mit Selen achten. Selen macht freie Radikale unschädlich und stärkt das Immunsystem.
Sollte auch auf Chrom geachtet werden?
Chrom ist ein lebenswichtiges Spurenelement und wird für die Insulinfunktion gebraucht. Insulin sorgt dafür, dass unsere Zellen, auch unsere Muskelzellen, mit Zucker, also mit Energie, versorgt werden.
Auf welche Vitamine kommt es für Sportler besonders an?
Wichtig ist eine ausreichende Zufuhr an den Vitaminen B1, B2 und B6. Sie sorgen dafür, dass aus der Nahrung in unseren Zellen Energie gebildet wird. Steigt der Energiebedarf durch Sport, so steigt auch der Vitaminbedarf an.
Vitamin B12 und Folsäure sind für die Zellteilung und die Bildung der roten Blutkörperchen unverzichtbar.
Vitamin C wird für starke Abwehrkräfte benötigt und beseitigt als Antioxidans zusammen mit Vitamin E, Zink und Selen freie Radikale im Körper. Vielen ist unbekannt, dass Vitamin C auch zur Bildung von Kollagen notwendig ist und damit unverzichtbar für Erhalt und Aufbau von Knochen, Knorpeln und Gelenken – die Voraussetzung für Mobilität bis ins hohe Alter.
Manche Sportarten wie Schwimmen sind gelenkschonend. Andere wie z. B. Joggen gelenkbelastend. Gibt es Nährstoffe außer Vitamin C, die die Gelenkfunktion und Knorpelfunktion bis ins hohe Alter unterstützen können?
Hier können Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Lebensmittel mit Glucosamin + Chondroitin helfen. Studien haben gezeigt, dass durch die Supplementierung mit Glucosamin die Knorpelstruktur verbessert werden kann und der Knorpelabbau verlangsamt wird. Dies ist aber nur möglich, wenn noch reaktives Knorpelmaterial vorhanden ist. Chondroitinsulfat ist Hauptbestandteil der Knorpelgrundsubstanz und wichtig für das Wasserbindungsvermögen des Knorpels und dessen Elastizität. Zusätzlich hat Chondroitin eine akut entzündungshemmende Wirkung. Auf diese Weise werden gleichzeitig Knorpel abbauende Stoffwechselprozesse gedrosselt.
Welche Bedeutung haben Kohlenhydrate in der Ernährung von Sportlern?
Kohlenhydrate sind der Treibstoff beim Training. 55 – 60 % der Gesamtenergie sollte in Form von Kohlenhydraten aufgenommen werden. Eine zu geringe Kohlenhydrataufnahme bei Ausdauersportlern führt zu Müdigkeit und frühzeitigen Erschöpfungssymptomen. Kohlenhydrate sollten aber nicht in Form von Zucker, sondern in Form von Getreideprodukten, Reis, Nudeln und Hülsenfrüchten aufgenommen werden. Auch Obst sollte täglich auf dem Speiseplan stehen.
Welche Menge Eiweiß sollte Ihrer Meinung nach zugeführt werden?
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 0,8 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Ausdauersportler sollten nach Ansicht von Sportmedizinern aber 1,2 – 1,5 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag aufnehmen. Eiweiß dient dem Muskelaufbau, ist aber auch für das Immunsystem wichtig. Unser Körpereiweiß befindet sich in einem ständigen Auf- und Abbau.
Gerade Diät haltende Frauen nehmen häufig zu wenig Eiweiß zu sich und treiben zusätzlich Sport. Und schon sind sie mitten drin in dem so genannten Jojo-Effekt. Denn der Muskel hat einen großen Energiebedarf, das Fettgewebe leider keinen. Durch den höheren Verbrauch an Energie beim Sport verbunden mit zu niedriger Energieaufnahme, wird auf Muskeleiweiß zurückgegriffen. D. h. der Muskel baut sich ab – wir nehmen ab! Der Haken hierbei ist, dass nach der Diät die Energiezufuhr wieder steigt, der Grundumsatz aber durch Abnahme der Muskelmasse verringert ist. Die Gewichtszunahme ist also vorprogrammiert. Eine Diät kann nur langfristige Erfolge bringen, wenn Muskeln während der Diät auf- und nicht abgebaut werden. Durch mehr Muskelmasse können dann mehr Kalorien zugeführt werden, ohne dass man zunimmt.
Aber auch Senioren nehmen häufig zu wenig Eiweiß zu sich. Die geringe Zufuhr führt zu Muskelschwund, wobei die Muskulatur bis zu 35 % abgebaut werden kann. Daher empfiehlt es sich, bis ins hohe Alter an die Eiweißzufuhr zu denken.
Wie sollte der Eiweißbedarf gedeckt werden?
Der Eiweißbedarf kann über Milch und Milchprodukte gedeckt werden. Fisch und mageres Fleisch sollten zwei- dreimal die Woche auf dem Speiseplan stehen. Auch kann auf Eiweißkonzentrate zurückgegriffen werden: Eine Alternative für diejenigen, die wenig Zeit und Lust zum Kochen haben.
Ist Fett gleich Fett?
30 – 35% der Nahrungsenergie darf aus Fett stammen. Hierbei sollte mit tierischen Fetten (in fettreichen Molkereiprodukten, Wurstwaren bzw. Frittiertem und Gebäck) sparsam umgegangen werden. 10 – 15 % der Kalorien sollten aus einfach ungesättigten Fettsäuren stammen wie z. B. Olivenöl oder Rapsöl. Auch eine Handvoll Nüsse oder Mandeln tragen dazu bei. 10 % der Kalorien sollten aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren stammen, wobei das Verhältnis Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren, das heißt Linolsäure zu alphaLinolensäure, mindestens 5:1 betragen sollte. Angemessen ist eine tägliche zusätzliche Aufnahme von 0,3 g Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure aus Fisch.
Wie wichtig ist die Zufuhr an den eben angesprochenen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA?
Für sportlich Aktive ist der Verzehr von Fisch zwei- bis dreimal in der Woche oder die Zufuhr der Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischölkapseln äußerst sinnvoll. Omega-3-Fettsäuren wirken zum einen antientzündlich und sind wichtig für ein gesundes Herz-Kreislauf-System. Zusätzlich haben diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren einen positiven Effekt auf das Immunsystem.
Wie sollte die Flüssigkeitszufuhr beim Sport aussehen?
Der Körper verliert abhängig von der Sportart und der Stärke des Schwitzens 0,5 – 2 l Flüssigkeit pro Stunde. Schweiß besteht zu 99 Protzent aus Wasser und zu einem Prozent aus gelösten Elektrolyten wie Natrium oder Chlorid, die die Haut salzig schmecken lassen. Es ist wichtig, bereits eine halbe bis eine Stunde vor dem Training ca. 300 – 700 ml Flüssigkeit in kleinen Schlücken aufzunehmen. Wer länger als eine Stunde Sport treibt und sich intensiv bewegt, sollte alle 15 Minuten 100 – 200 ml Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach dem Sport müssen die verlorene Flüssigkeit und Elektrolyte ebenfalls wieder zugeführt werden.
Welche Getränke sind dabei zu empfehlen?
Die Getränke sollten 2 – 6 Prozent Zucker enthalten und etwas Natrium (ca. 400 mg/l). Durch den geringen Gehalt an Zucker, kann die Flüssigkeit schneller aufgenommen werden. Fruchtsaftschorlen eignen sich gut als Sportlergetränke. Es sollte aber auf das richtige Mischungsverhältnis (Ein Drittel Saft, zwei Drittel Wasser) geachtet werden. Um dem Körper wichtige Mineralien zuzuführen, sollte bei der Auswahl des Mineralwassers auf einen hohen Anteil an Magnesium (> 200 mg/l) und Calcium (> 100 mg/l) geachtet werden.
Wie sinnvoll sind „probiotische“ Nahrungsmittel?
Patrizia Bohnhorst, Ernährungswissenschaftlerin
Wie wirkt sich Sport auf den Körper aus?
Zunächst verbraucht er zusätzliche Energie. Dabei arbeiten, wie bei jeder körperlichen Anstrengung (z. B. Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking), viele verschiedene Muskeln gleichzeitig zusammen. Sie müssen rund 300 Mal mehr mit Energie versorgt werden als im Ruhezustand. Je größer die Belastung, desto mehr Energie verbraucht der Organismus. Er läuft auf Hochtouren, dabei steigt der Bedarf an Energie liefernden Nährstoffen (Kohlenhydraten). Entsprechend dem erhöhten Umsatz werden auch Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine verstärkt benötigt. Beim Schwitzen kommt es zu einem verstärkten Verlust dieser Stoffe.
Brauchen aktive Sportler eine besondere Ernährung?
Hier muss ganz klar unterschieden werden, welche Sportart ausgeübt wird und wie oft? Bin ich Freizeit-, Kraft- oder Leistungssportler? Leistungssportler haben einen strikten von Ernährungswissenschaftlern und/oder Ernährungsmedizinern aufgestellten Ernährungsplan, der gezielt auf ihr Training ausgerichtet ist. Solche strengen Pläne sind für Freizeitsportler nicht nötig.
Wer sich zwei- bis dreimal die Woche ca. eine Stunde sportlich betätigt, könnte seinen Energie- und Nährstoffbedarf mit einer vollwertigen Ernährung leicht decken. Leider sieht das in der Praxis häufig anders aus. Für eine ausreichende ausgewogene Ernährung (tägliche Zubereitung frischer und nährstoffreicher Mahlzeiten) fehlt im normalen Alltag häufig die Zeit. Vor allem Berufstätige, die nach Feierabend noch Sport machen, ernähren sich häufig zu fettreich und zu nährstoffarm.
Neben dem Fitnessaspekt steht bei Sporttreibenden auch häufig der Wille zum Abnehmen im Vordergrund. Durch Sport entsteht ein Mehrbedarf an Nährstoffen, zusätzlich werden dem Körper durch eine geringere Nahrungszufuhr auch weniger Nährstoffe zugeführt. Dadurch können Lücken in der Versorgung mit Mikronährstoffen entstehen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt sich der zusätzliche Verzehr bestimmter Sportlernahrung oder Nahrungsergänzungen mit den Nährstoffen, die bei sportlichen Anstrengungen vom Körper verbraucht werden.
Mikronährstoffe in der frühkindlichen Entwicklung
Patrizia Bohnhorst, Ernährungswissenschaftlerin
Welche Mikronährstoffe sind für die frühkindliche Entwicklung besonders wichtig?
Während der ersten Lebenswochen bilden sich aus anfangs wenigen Zellen alle Strukturen, die den Menschen später ausmachen: Organe, Haut, Muskulatur, Skelett usw. In dieser Zeit werden die Grundlagen für den kindlichen Organismus gelegt, auf denen alle weiteren Entwicklungen aufbauen. Speziell in dieser sensiblen Phase ist es wichtig, auf eine ausreichende Versorgung mit wichtigen Mikronährstoffen zu achten.
Vor allem die Vitamine Folsäure, B6 und B12 sowie die Spurenelemente Jod und Eisen sind zu beachten. Allerdings kommt es auch auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D während der Schwangerschaft an.
Warum wird gerade Folsäure so oft an erster Stelle der wichtigen Spurennährstoffe genannt?
Folsäure ist wichtig, damit beim ungeborenen Kind beispielsweise kein offener Rücken (Spina bifida) auftritt. Das Spurenelement sorgt nämlich dafür, dass sich beim Embryo das so genannte Neuralrohr schließt, aus dem sich dann das zentrale Nervensystem entwickelt. Da dies schon sehr früh in der Schwangerschaft passiert, sollten Frauen mit Kinderwunsch Folsäure auch schon mindestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft einnehmen.
Kann Folsäure nicht einfach mit der Nahrung aufgenommen werden?
Nein, denn Folsäure selbst kommt in Reinform in der Natur nicht vor, sondern immer nur gebunden als Nahrungsfolat. Vor der Absorption (Aufnahme) müssen diese Formen erst enzymatisch umgewandelt werden. Damit synthetische Folsäure als Vitamin wirken kann, muss sie noch in eine biologisch aktive Form umgewandelt werden. Diese Umwandlung kann während der Verweildauer der Nahrung im Dünndarm nicht vollständig stattfinden. Daraus resultiert eine verglichen mit Folsäure geringere Bioverfügbarkeit von 50 %. Nahrungsergänzungsmittel enthalten synthetische Folsäure mit einer guten Bioverfügbarkeit.
Von den Spurenelementen wird häufig Jod erwähnt – wozu benötigt man das?
Jod wird für die Schilddrüsenhormone gebraucht, die bei der Gehirnentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Man sollte nicht nur auf eine gute Grundversorgung mit Jod über die Ernährung achten, sondern es ist empfehlenswert, möglichst schon vor der geplanten Schwangerschaft zusätzlich Jod (100 – 150 µg/Tag) einzunehmen.
Gibt es außer Vitaminen und Mineralstoffen noch andere Mikronährstoffe, auf die man während der Schwangerschaft achten sollte?
Ganz wichtig sind auch die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Eine besonders gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäure ist die Docohexaensäure (DHA) In Untersuchungen hat man herausgefunden, dass sich durch DHA das Gehirn des Babys und die Sehfunktion besser entwickeln können. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, in der Schwangerschaft täglich 200 mg DHA zuzuführen. Das geht beispielsweise durch 1 bis 2 Mahlzeiten mit fettem Seefisch pro Woche.
Und welche Lebensmittel enthalten besonders viele der genannten Mikronährstoffe?
Folat ist beispielsweise in Leber, Spinat, Kohlarten, Orangen und Weizenkeimen enthalten, Jod vor allem in Seefisch, Milch und Eiern. Die Omega-3-Fettsäure DHA führt man sich am besten mit fettem Seefisch wie Lachs, Makrele, Hering oder Thunfisch zu, die überdies noch reich an Vitamin D sind. Bei unausgewogener Ernährung können Nahrungsergänzungsmittel Versorgungslücken sehr gut ausgleichen.
Der Einfluss von Mikronährstoffen auf Muskeln und Gelenke
Karolin Aulwurm, Biologin
Die Notwendigkeit von Vitaminen in der Ernährung ist allgemein bekannt, was hat es mit Mikronährstoffen auf sich?
Mikronährstoffe ist der Oberbegriff – dazu gehören vor allem Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Inzwischen zählt man auch so genannte sekundäre Pflanzenstoffe dazu, wie etwa Flavonoide, wozu z. B. der rote Farbstoff aus Roten Rüben gehört. Auch bestimmte Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Seefisch und bestimmten Ölpflanzen enthalten sind, betrachtet man als Mikronährstoffe. Sie sind zwar keine Nährstoffe wie Proteine, Kohlehydrate und Fette, dennoch sind sie unentbehrlich für die einwandfreie Funktion des Organismus. Da sie nicht in größeren Mengen gespeichert werden können, müssen sie ständig mit der Nahrung aufgenommen werden.
Welche Rolle spielen Mikronährstoffe für die Muskulatur?
In den Muskeln wird vor allem durch die Verbrennung von Kohlehydraten Energie bereitgestellt. Für den Energiestoffwechsel ist Vitamin D wichtig. Vitamin B12 wird für die Energiespeicherung in den Muskeln benötigt, Vitamin B6 für den Proteinstoffwechsel: Es ist am Aufbau von körpereigenen Proteinen beteiligt und kommt hauptsächlich in der Muskulatur vor. Auch Fettsäuren spielen eine Rolle beim Energiestoffwechsel; ihr Transport ist von Vitamin C abhängig, weil das dafür notwendige Carnitin Vitamin C zu seiner Synthese benötigt.
Darüber hinaus kommt es auch auf bestimmte Mineralstoffe an: Calcium ist bei der Erregung und Kontraktion der Muskeln unabdingbar, ähnliches gilt für Kalium, und Eisen ist wichtig für die Durchblutung von Muskelgewebe. Magnesium ist Antagonist (Gegenspieler) von Calcium und dämpft die Erregungsübertragung; bei Magnesiummangel kann es zu Krämpfen kommen. Mehr als ein Viertel des im Körper vorhandenen Magnesiums findet sich in der Muskulatur.
Welche Mikronährstoffe sind besonders für Gelenke und Knochen wichtig?
Mit zunehmendem Alter degeneriert der Gelenkknorpel infolge mechanischer Belastung und weil er nicht aktiv mit Nährstoffen versorgt wird, sondern nur (mehr schlecht als recht) durch Diffussion. Aus diesem Grund kann auch längeres Ruhigstellen bzw. Inaktivität den Abbau fördern. Da sich der Knorpel auch nicht regenerieren kann, ist Vorbeugung nur durch gute Nährstoffversorgung möglich.
Vitamin C stimuliert die Neubildung der Gelenkmatrix und ist an der Kollagensythese beteiligt; Kollagen ist ein wichtiger Bestandteil von Knorpel- und Gelenkstrukturen. Als Antioxidans hemmt es entzündliche Erkrankungen. Ebenso wie Vitamin E, welches das Gelenk vor Verschleiß schützt und bei arthritischen Erkrankungen die Lipidperoxidation und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren hemmen kann.
Auch für die Knochen ist Vitamin C wichtig: Es regt die Bildung von Binde- und Knochengewebe an. Wegen seiner entscheidenden Beteiligung am Calciumstoffwechsel ist Vitamin D von überragender Bedeutung für die Knochen. Es bewirkt die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung und schützt u. a. die Knochen vor Demineralisierung. Auch Calcium selbst als ein Hauptbestandteil des Skeletts muss hier erwähnt werden, bei Calciummangel oder schlechter Versorgung kann leicht Osteoporose entstehen. Für den einwandfreien Einbau von Mineralstoffen in die Knochen wird weiterhin Vitamin K benötigt. Darüber hinaus spielen noch Eisen (für die Durchblutung) sowie Selen, Kupfer und Zink eine Rolle.
Gibt es Patienten oder auch Risikogruppen, die einen erhöhten Mikronährstoffbedarf für ihre Gelenke und ihre Muskeln haben?
Ja. Das sind vor allem Leistungssportler, Raucher und Senioren.
Leistungssportler, weil beim Energieumsatz freie Radikale gebildet werden; und zwar umso mehr, je höher der Umsatz ausfällt. Das zehrt an den Antioxidantien Vitamin C, E, BetaCarotin, Zink und Selen. Diese müssen dann verstärkt zugeführt werden. Raucher setzen ihren Organismus fortwährend großen Mengen an freien Radikalen aus und haben schon allein deshalb einen erhöhten Bedarf an Antioxidantien. Zudem feuern die freien Radikale eine Autoimmunreaktion an, die arthritische Erkrankungen begünstigt. Diese führen zu einem zusätzlichen Bedarf an Antioxidantien. Senioren haben ein erhöhtes Arthroserisiko, d. h. sie werden anfälliger gegen degenerative Erkrankungen der peripheren Gelenke. An den resultierenden Gelenksentzündungen sind bestimmte Fettsäuren und oxidative Prozesse maßgeblich beteiligt. Diesen kann durch Antioxidantien entgegengesteuert werden, vor allem mit den Vitaminen C und E, aber auch Selen, Kupfer, Zink und Eisen als Co-Faktoren wichtiger Enzyme. Wirksam sind aber auch andere Antioxidantien, wie z. B. Flavoinide.
Worauf sollte man bei einer Mikronährstoff-Supplementierung achten?
Wichtig ist natürlich die Zusammensetzung, also möglichst nicht nur ein oder zwei Vitalstoffe, sondern eine sinnvolle Kombination. Außerdem sollten die Mikronährstoffe langsam und einigermaßen gleichmäßig freigesetzt werden, so wie der Organismus sie benötigt und verarbeiten kann. Die Dosierung sollte sich an den offiziell empfohlenen Tagesmengen (Recommended Daily Allowance = RDA) orientieren, vor allem bei längerfristiger Einnahme. Bei hoch dosierten Präparaten sollte man die Höchstmengenbegrenzung im Auge behalten und besser seinen Arzt oder Apotheker um Rat fragen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Nur Qualitätsprodukten kann man vertrauen! Also: auf eindeutige Deklaration, wissenschaftliche Belege oder Dokumentation und ausreichende Stabilitätsuntersuchungen achten.
Mikronährstoffversorgung in Schwangerschaft und Stillzeit
Patrizia Bohnhorst, Ernährungswissenschaftlerin
Warum sind Vitalstoffe für Schwangere besonders wichtig?
Zunächst einmal muss eine Schwangere den Fetus miternähren, allein dadurch ist ihr Organismus schon besonders belastet. Der Fetus selbst hat aber auch spezifische Ansprüche, weil er sehr schnell wächst und dabei die Grundlagen für seine spätere Entwicklung gelegt werden. Während des Stillens gibt dann die Mutter wichtige Vitalstoffe mit der Muttermilch an ihr Kind weiter, die sie sich selbst verstärkt zuführen muss.
Auf welche Vitalstoffe oder Mikronährstoffe kommt es dabei in erster Linie an?
Die allerfrühsten Entwicklungsphasen eines Menschen sind außerordentlich empfindlich. Nehmen Sie zum Beispiel die Neuralrohrentwicklung: Wenn es dabei an Folat fehlt, kann es passieren, dass das Neuralrohr nicht geschlossen wird und schwere Fehlbildungen entstehen. Aus dem Neuralrohr entwickelt sich das ganze Nervensystem. Neben Neuralrohrdefekten könnten auch Fehlbildungen des Herzens, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten und weitere Anomalien auftreten. Folat fehlt ohnehin vielen Menschen, Schwangere sollten deshalb noch stärker darauf achten; ihr zusätzlicher Bedarf ist um rund 50 Prozent höher als bei Nichtschwangeren. Der normale Tagesbedarf eines Erwachsenen wird auf 400 Mikrogramm geschätzt, allerdings nehmen Frauen in Deutschland im Durchschnitt nur die Hälfte dieser Menge mit ihrer Nahrung zu sich! Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt deshalb Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, die zusätzliche Einnahme von 400 Mikrogramm synthetischer Folsäure pro Tag, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Denn Untersuchungen zeigen, dass eine zusätzliche Folsäurezufuhr schon vor dem Zeitpunkt der Empfängnis wichtig ist, um adäquate Blut-Folatspiegel frühzeitig aufzubauen. Bei Frauen, die bereits ein Jahr oder noch länger vor der Schwangerschaft mit der Folsäureeinnahme begannen, hat man auch einen deutlichen Rückgang von Frühgeburten beobachtet. Die Zufuhr sollte bis zum Ende der Stillzeit beibehalten werden: Muttermilch ist besonders folatreich; ihr Gehalt an dem Vitamin ist 5 bis 10 Mal höher, als der im Serum. Dieser Verlust muss natürlich ausgeglichen werden. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung hat die Stillende ebenso wie die Schwangere einen täglichen Mehrbedarf von 200 Mikrogramm Nahrungsfolat.
Welche Spurenelemente sind in der Schwangerschaft besonders wichtig?
Bei den Spurenelementen sollte vor allem auf eine ausreichende Eisen- und Jodversorgung geachtet werden. Während der Schwangerschaft erhöht sich das Blutvolumen um etwa ein Drittel, und Eisen ist zentraler Bestandteil der roten Blutkörperchen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt während der Schwangerschaft eine Gesamtzufuhr von 30 mg Eisen pro Tag, was sich über die Nahrung nicht immer realisieren lässt. Eine Beurteilung des Eisenstatus der Schwangeren wird routinemäßig bei den Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt und eine individuelle Supplementierung gegebenenfalls von Ärzten empfohlen.
Jod ist wichtig für die Schilddrüse und den gesteigerten Stoffwechsel der Schwangeren, wird aber auch für die Entwicklung der fetalen Schilddrüse benötigt. Bei Untersuchungen in Mittel europa zeigt sich immer wieder, dass sehr viele Schwangere schlecht mit Jod versorgt sind. Der Arbeitskreis „Jodmangel“ empfiehlt 100 bis 150 Mikrogramm Jod pro Tag während der Schwangerschaft.
Gibt es weitere Vitalstoffe, deren Bedarf während einer Schwangerschaft ansteigt?
Vitamin D spielt eine entscheidende Rolle beim Calciumstoffwechsel, also beim Aufbau des Skeletts und der Zähne. Es ist beispielsweise nachgewiesen, dass sich ein niedriger VitaminD-Status während der Schwangerschaft nachteilig auf die Zahngesundheit der Kinder auswirkt.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass neben Folat auch für andere B-Vitamine sowie Vitamin A ein erhöhter Bedarf in der Schwangerschaft besteht. B-Vitamine sind Coenzyme, das heißt, sie werden zur Aufrechterhaltung von Stoffwechselvorgängen benötigt. Vitamin A spielt eine wichtige Rolle für die Lungenentwicklung und -reifung des Feten.
Neben der adäquaten Folatversorgung sollte während Schwangerschaft und Stillzeit besonders auf die Zufuhr der mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäure DHA (Docosahexaensäure) geachtet werden. Angesichts ihrer besonderen Bedeutung hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2008 erstmals eine Zufuhrempfehlung ausgesprochen: Frauen sollten während Schwangerschaft und Stillzeit mindestens 200 mg DHA pro Tag aufnehmen, denn DHA ist essentiell für die Entwicklung des Gehirns und der Sehfunktion. Der Fötus bzw. das Neugeborene erhalten DHA über die Nabelschnur bzw. die Muttermilch. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kinder in mehrfacher Hinsicht davon profitieren, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft gut mit DHA versorgt sind. Ihre Sehfunktionen entwickeln sich besser, ebenso ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Der Konsum von Fisch oder Fischöl kann außerdem das Risiko von Frühgeburten senken.
Wie können Schwangere sicherstellen, sich genügend Vitalstoffe zuzuführen, und worauf sollten sie dabei besonders achten?
Grundsätzlich durch eine ausgewogene und vitalstoffreiche Ernährung mit möglichst frischen Zutaten, reichlich Obst und Gemüse sowie öfters mal fetten Seefisch, das heißt ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche. Bei pflanzlichen Ölen sollten auf jeden Fall solche bevorzugt werden, die mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthalten, also beispielsweise Rapsöl, Leinöl usw. Des Weiteren sollten Schwangere besonders darauf achten, gesundheitlich bedenkliche Substanzen strikt zu meiden – zuallererst natürlich Rauchen, Alkohol und den Umgang mit Haushaltsgiften wie aggressiven Reinigern und ähnlichem. Zum einen wegen der unmittelbaren Giftbelastung, zum anderen, weil Faktoren wie Rauchen und Alkohol den körpereigenen Vitaminpool belasten. Selbst bei sehr gesundheitsbewusster Ernährung werden jedoch die empfohlenen täglichen Rationen für einige Vitalstoffe nicht erreicht. Das gilt vor allem für Folat. Deshalb empfehlen sich Kombinationspräparate, die ein breites Spektrum an Vitaminen und Spurenelementen enthalten.
Einfluss von Mikronährstoffen auf Herz, Kreislauf und Blutfette
Dipl. oec. troph. Dirk Neuberger, Ernährungswissenschaftler
Was sind die hauptsächlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten?
Ein sehr wichtiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten ist – außer Alter und Körpergewicht – eine hohe Cholesterinkonzentration im Blut. Besonders gefährdet sind Personen, deren LDL-Cholesterin- und Triglyceridkonzentrationen erhöht sind und deren HDL-Cholesterinkonzentration niedrig ist. Außerdem Menschen, die rauchen, sich wenig bewegen und unter Diabetes mellitus oder Bluthochdruck leiden.
Welche Rolle spielen die Blutfettwerte für das Herz-Kreislauf-System?
Sie spielen grundsätzlich eine sehr große Rolle für die Gesundheit des Menschen. Eine zu hohe Konzentration des Cholesterins im Blut, insbesondere ein hoher LDL-Cholesterinwert, stellt einen bedeutenden Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten dar. Größere Mengen an HDL-Cholesterin dagegen schützen die Arterien vor Fettablagerungen und vorzeitiger Arteriosklerose.
Was ist LDL-Cholesterin?
Fette (z. B. Cholesterin) sind weder in Wasser noch in Blutflüssigkeit löslich. Um sie trotzdem in einzelne Körperregionen transportieren zu können, werden die Fette (Lipide) an bestimmte Eiweiße (Proteine) gebunden. Diese Verbindungen bezeichnet man als Lipoproteine. Das „schlechte“ Cholesterin (LDL) ist zum Beispiel ein solches Lipoprotein. Es transportiert Cholesterin in die Körperperipherie zu Zellen, die Andockstationen (Rezeptoren) dafür besitzen.
Bei einem Überangebot an Cholesterin lagert sich LDL an den Innenseiten der Gefäße ab und kann diese mehr und mehr verstopfen; deshalb gilt es als Risikofaktor für Gefäßverkalkung (Arteriosklerose). Je höher der LDL-Cholesteringehalt im Blut ist, desto höher ist auch das Risiko für eine Gefäßverkalkung. Die Folge kann dann beispielsweise ein Herzinfarkt sein.
Ist Cholesterin grundsätzlich schädlich?
Nein. Cholesterin ist an sich ein unverzichtbarer Baustein unserer Zellmembranen, es ist für die Bildung von Hormonen und für die Bildung von Vitamin D erforderlich, außerdem ist es der Ausgangsstoff für die Gallensäuren, die zur Verdauung benötigt werden. Schädlich sind zu hohe Cholesterinwerte, wobei noch zwischen dem LDL und dem HDL-Cholesterin unterschieden werden muss. Hohe LDL-Werte sind ungünstig, wohingegen hohe HDL-Werte sogar einen schützenden Effekt haben. LDL-Lipoprotein transportiert unter anderem Cholesterin zu den verbrauchenden Zellen, wohingegen das HDL-Lipoprotein überschüssiges Cholesterin zurück zur Leber bringt.
Wie hoch sollten die Blutfettwerte eigentlich sein?
Die Blutfettwerte sind als „normal“ einzustufen, wenn die Konzentration an Gesamtcholesterin kleiner als 200 mg/dl und die an LDL-Cholesterin kleiner als 160 mg/dl ist und wenn die Werte für HDL-Cholesterin bei mindestens 40 mg/dl und für die Triglyceride unter 150 mg/dl liegen.
Zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Krankheiten sind dabei aber unterschiedliche Zielwerte wünschenswert, je nach individuellem Risiko. Ist dieses beispielsweise bei einem Patienten mit Diabetes mellitus erhöht, so sollte die LDL-Konzentration am besten unter 100 mg/dl liegen, um das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu reduzieren.
Warum sollte auf eine ausreichende Zufuhr von Antioxidantien geachtet werden?
Eine neuere Hypothese besagt, dass die Ablagerungen an den Arterienwänden hauptsächlich durch eine veränderte Form des LDL-Cholesterins hervorgerufen wird, die durch radikalische Oxidation (oxidativer Stress) beschädigt wurde. Demnach würde eine erhöhte Konzentration von natürlichen Antioxidantien eine verminderte Anzahl an oxidierten LDL-Partikeln bedeuten, womit das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung sinken müsste. Vor allem auf eine ausreichend hohe Zufuhr von Vitamin C sollte geachtet werden, weil das ebenfalls sehr wichtige antioxidative Vitamin E durch Vitamin C regeneriert werden muss.
Was hat es mit dem Homocystein auf sich?
Homocystein ist eine natürlich vorkommende Aminosäure, die im normalen täglichen Stoffwechsel der Aminosäuren im menschlichen Körper entsteht. Es wird heute diskutiert, dass erhöhte Blutwerte für Homocystein eine Schädigung der Blutgefäße zur Folge haben können. Normale Laborwerte bei der Blutuntersuchung liegen zwischen 5 und 10 µmol/l. Zur Regulierung des Homocysteinpegels im Blut ist eine ausreichende Versorgung mit den Vitaminen B12, B6 und insbesondere Folsäure erforderlich. Diese Vitamine tragen damit auch zu gesunden Blutgefäßen bei.
Warum sollte man bei der Einnahme von Blutfettsenkern auf Coenzym Q10 achten?
Jüngsten Untersuchungen zufolge sollten Menschen, die Statine zur Cholesterinsenkung einnehmen, auf eine ausreichende Versorgung mit Coenzym Q10 achten. Statine hemmen nicht nur die körpereigene Produktion von Cholesterin, sondern können auch die körpereigene Bildung des Q10 herabsetzen. Da aber insbesondere der Herzmuskel aufgrund seines hohen Energiebedarfs auf eine ausreichende Zufuhr von Q10 angewiesen ist, könnte eine unzureichende Versorgung zu einer Verminderung der Herzleistung führen. Da bei Statin-Patienten meist das gesamte Herz-Kreislauf-System geschwächt ist, sollte ein Q10- Mangel entsprechend vermieden werden.
Was leisten Omega-3-Fettsäuren für das Herz-Kreislauf-System?
Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Arteriosklerose und Herzinfarkt) vorbeugen, ungünstig hohe Blutfettwerte (Triglyceride) senken, erhöhten Blutdruck positiv beeinflussen, die Durchblutung fördern und vermutlich die Normalisierung von Herzrhythmus-Störungen begünstigen. Omega-3-Fettsäuren zählen daher zu den wichtigsten Vitalstoffen für das Herz-Kreislauf-System, wobei sie übrigens nicht zu den Mikronährstoffen gezählt werden.
Helfen Omega-3-Fettsäuren auch noch, wenn ich bereits einen Herzinfarkt hatte?
Ja, das hat eine Reihe wissenschaftlicher Studien gezeigt. Wenn Menschen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, entweder zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche aßen oder die vergleichbare Menge an Omega-3-Fettsäuren durch Fischölkapseln zu sich nahmen, war ihr Risiko, einen erneuten Herzinfarkt zu bekommen, deutlich gesenkt. Der Effekt könnte darauf beruhen, dass Omega-3-Fettsäuren Herzrhythmus- und Gerinnungsstörungen verbessern.
Welche Vital – und Mikronährstoffe schützen das Herz-Kreislauf-System besonders?
Es gibt eine ganze Reihe von Mikronährstoffen und Vitalstoffen, die sich günstig auf das Herz-Kreislauf-System auswirken können.
In diesem Zusammenhang sind vor allem die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA zu nennen, die neben ihrem positiven Effekt auf die Blutfettwerte noch weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen günstig beeinflussen: Zum Beispiel Blutdruck und regelmäßigen Herzschlag; aufgrund ihrer schützenden Effekte auf das Herz-KreislaufSystem die Antioxidantien Vitamin E und C; das Spurenelement Selen; das für den Energiestoffwechsel des Herzmuskels bedeutsame Coenzym Q10 sowie der Mineralstoff Magnesium. Darüber hinaus senkt eine Kombination aus Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 den erhöhten Homocysteinspiegel.
Neuere Studien weisen zudem darauf hin, dass eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D scheinbar einen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellt. Daneben spielen offenbar bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, die in Obst und Gemüse vorkommen, für die Gesunderhaltung des Herz-Kreislauf-Systems eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang sind z. B. auch die in roten Trauben und auch die im Rotwein enthaltenen Flavonoide zu nennen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch eine Veränderung des Ernährungsverhaltens sowie durch ausgesuchte Mikronährstoffe das Risiko von HerzKreislauf-Erkrankungen deutlich gesenkt werden kann.
Der Einfluss von Mikronährstoffen auf das Immunsystem, speziell auf die Abwehrkräfte bei Erkältungen
Dr. Silke Michgehl, Biologin
Regelmäßig liest man Empfehlungen, das Immunsystem mit reichlich Vitalstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen zu stärken – ist das wirklich so entscheidend?
Das Immunsystem ist täglich gefordert, da es ständig einer Vielzahl von Angriffen ausgesetzt ist (Bakterien, Viren, UV-Strahlung, auch Giftstoffen). Es ist die Verteidigungsfront gegen all diese Belastungen; ein gut funktionierendes Immunsystem ist lebensnotwendig, um z. B. Krankheitserreger abzuwehren. Medikamente allein können dies nicht. Wenn Bakterien oder Viren in den Körper eindringen, werden sie durch so genannte neutrophile Granulozyten (das sind spezielle Leukozyten) und Makrophagen „aufgefressen“ und dadurch unschädlich gemacht. Man nennt diese unspezifische Immunantwort auch Phagozytose. Wenn es zu Defiziten bei Vitaminen oder Spurenelementen kommt, reagiert der Organismus häufig mit einer erhöhten Infektanfälligkeit.
Welche Rolle spielen dabei Vitalstoffe oder Mikronährstoffe?
Für ein leistungsfähiges Immunsystem ist grundsätzlich natürlich eine allgemein gute Vitaminversorgung wichtig, aber einigen Mikronährstoffen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Zum Beispiel Vitamin C, das hoch konzentriert in den Leukozyten vorkommt. Hier sorgt es dafür, dass diese Abwehrzellen den Weg zum „Eindringling“ überhaupt erstmal finden. Gleichzeitig schützt es die Leukozytenmembran vor dem Angriff durch freie Radikale. Deshalb kann die hoch dosierte Einnahme von Vitamin C – mindestens 1 Gramm pro Tag – den Verlauf von Erkältungskrankheiten verkürzen und abmildern. Auch das Spurenelement Zink unterstützt die Immunabwehr, es ist für die Funktion von über 100 Enzymen notwendig. Diese Enzyme können ohne Zink nicht arbeiten, wodurch die Infektanfälligkeit bei Zinkmangel zunimmt. Vitamin A hat antiinfektiöse Wirkungen, indem es die nichtspezifischen Abwehrmechanismen stimuliert. Das fettlösliche Vitamin E stimuliert die humorale Immunantwort und die Lymphozytenaktivität. In der Gruppe der B-Vitamine ist das Vitamin B6 zu nennen. Ein Mangel daran führt zur Immunsuppression, vermutlich deshalb, weil es an vielen Synthesewegen für Proteine und Nukleinsäuren beteiligt ist. Ein weiteres Spurenelement, Selen, wird für ein bestimmtes Protein (Glutathionperoxidase) benötigt, das essentiell für den Schutz von Zellmembranen ist. Auch Selendefizite erhöhen deshalb die Infektanfälligkeit.
Gibt es Personengruppen, die von vorneherein einen erhöhten Vitalstoffbedarf haben?
Eindeutig ja. Das sind vor allem Menschen, die unter erhöhtem Stress stehen und Personen mit geschwächtem Immunsystem. Außerdem Frauen, die „die Pille“ einnehmen sowie Schwangere und Stillende. Außerdem Personen, die Reduktionsdiäten einhalten: Sie verringern damit die Nährstoffzufuhr und in der Folge auch die Vitalstoffaufnahme, beachten aber nicht, dass ihr Bedarf an Vitaminen und Spurenelementen gleich bleibt. Darüber hinaus natürlich alle Menschen, die eine ungesunde Lebensweise bevorzugen, das sind oft Kinder und Jugendliche. Hier wären auch Raucher zu nennen und Personen mit erhöhtem Alkoholkonsum; sie haben einen erhöhten Verbrauch bzw. Bedarf an Antioxidantien. Dazu gehören besonders auch Senioren und chronisch kranke Menschen.
Senioren leiden oft an Kauproblemen und Unverträglichkeiten, zudem bewegen sie sich häufig weniger als in jungen Jahren. Dies beeinflusst ihre Ernährung und ihren Stoffwechsel. So genannte Alterserscheinungen können auch Versorgungsmängel sein. Sie äußern sich anfangs meist unspezifisch: Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwäche, Antriebsarmut und Parästhesien sollten deshalb ernst genommen und nicht als unvermeidliche Alterssymptome abgetan werden. Ein schlechter Mikronährstoffstatus kann das Risiko für Stürze, Frakturen, Infekte und für verringerte kognitive Leistungsfähigkeit erhöhen.
Chronische Erkrankungen und Infektionen haben sehr häufig einen erhöhten Vitalstoffverbrauch zur Folge. Mögliche Ursachen dafür sind: Krankheitsbedingte Stoffwechselveränderungen, Verringerung der Nährstoffzufuhr (z. B. durch Appetitlosigkeit, Schluckbeschwerden, Übelkeit), erhöhte Ausscheidung an Nährstoffen (z. B. durch Durchfälle, Erbrechen, über die Niere) oder hoher Medikamentenkonsum, der sich auf den Stoffwechsel auswirkt.
Was hat es mit Antioxidantien auf sich?
Antioxidantien werden auch Radikalfänger genannt, weil sie so genannte freie Radikale unschädlich machen. Diese entstehen während normaler Stoffwechselvorgänge ständig in unserem Körper, aber durch starke körperliche und psychische Belastungen, Sonneneinstrahlungen, Erkrankungen oder Rauchen kann das normale Gleichgewicht zwischen freien Radikalen und schützenden Antioxidantien verschoben werden. Dadurch kommt es zu oxidativem Stress. Das heißt, freie Radikale werden nicht mehr ausreichend entschärft und können dann z. B. Zellen des Immunsystems oder die Erbgutsubstanz schädigen. Andauernder oxidativer Stress wird auch bei der Entstehung von Krebs diskutiert. Ganz wichtige Antioxidantien sind Vitamin C, E, Selen, Zink oder Carotinoide. Sie sorgen für das Abfangen der freien Radikale im Körper und tragen zu einem normalen Gleichgewicht dieser schädlichen Verbindungen bei.
Wechseljahrsbeschwerden – hat die Ernährung überhaupt einen Einfluss?
Ebba Loeck, Ernährungswissenschaftlerin
Was passiert eigentlich genau in den Wechseljahren?
Die meisten Frauen kommen zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr in die Wechseljahre, auch Klimakterium genannt. In dieser Zeit stellt sich das hormonelle System der Frau um. Zunächst wird die monatliche Blutung unregelmäßig und die Zykluslänge variiert zwischen einigen Wochen bis zu mehreren Monaten. Dann bleibt die Blutung ganz aus – die so genannte Menopause ist eingetreten. Grund dafür ist, dass die Funktion der Eierstöcke langsam nachlässt und die Konzentration der weiblichen Sexualhormone, der Östrogene, auf ein Minimum absinkt.
Müssen alle Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden rechnen?
Rund jede dritte Frau hat damit keine Probleme: Sie fühlt sich leistungsfähig und wird kaum von Hitzewallungen, Verstimmungen, Schlafstörungen oder Müdigkeit geplagt. Selbst für diese glückliche Gruppe der Beschwerdearmen gilt jedoch: Ihr Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen und für Osteoporose steigt mit Einsetzen des Klimakteriums. Es lohnt sich darum für jede Frau in dieser Phase, ihre Ernährungsgewohnheiten zu überdenken. Denn eine vitaminreiche und relativ fettarme Kost hilft, diesen und anderen schweren Erkrankungen vorzubeugen.
Welche Beschwerden können denn im Einzelnen auftreten?
Die nachlassende Östrogenbildung hat Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden und führt z. B. zu Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Reizungen der Scheide, Stimmungsschwankungen und Depressionen. Ca. 80 Prozent der Frauen in den Wechseljahren haben darunter zu leiden. Darüber hinaus führt der Mangel an Östrogenen zum Verlust von Mineralien, insbesondere Calcium im Knochen. Dies hat ein erhöhtes Risiko für Osteoporose (Knochenerweichung) und Knochenbrüche zur Folge. Außerdem schützt Östrogen vor Herzinfarkt. Durch den gesunkenen Östrogenspiegel nach dem Klimakterium sind Frauen genauso Herzinfarktgefährdet wie die Männer. Daran sollten Frauen denken, besonders, wenn sie rauchen oder fettreich essen.
Was kann bei Wechseljahresbeschwerden helfen, außer einer Hormontherapie?
Bestimmte Vitalstoffe. Vor allem die Vitamine B, E, D, Chrom und Zink, Antioxidantien und die Mineralstoffe Calcium und Magnesium. Aber auch die ungesättigten Fettsäuren GammaLinolensäure und Omega-3-Fettsäuren sowie die pflanzlichen „Phytoöstrogene“ Isoflavone, werden aufgrund ihrer positiven physiologischen Effekte in dieser Lebensphase geschätzt.
Warum diese Vitamine?
Die B-Vitamine helfen dem Körper, Hormonschwankungen auszugleichen und die Symptome zu mildern. Gleichzeitig regulieren sie den Homocysteinspiegel. Homocystein gilt als Arteriosklerose-Risikofaktor. Vitamin E kann positive Effekte auf die oft trockene Haut im Alter haben. Die antioxidativen und damit zellschützenden Effekte spürt man nicht nur in den Hautzellen, sondern in allen Zellen des Körpers. Vitamin D unterstützt die Einlagerung von Calcium in den Knochen. Damit hilft es, sie zu erhalten und somit das Fraktur- und Osteoporoserisiko zu senken. Auch die Spurenelemente Chrom und Zink wirken dem Knochenschwund entgegen.
Was bewirken Calcium und Magnesium?
Calcium und Magnesium können positive Effekte bei Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen haben. Zusätzlich stabilisieren sie die Knochen und schützen damit vor Knochenschwund. Magnesium kann ebenfalls noch bei Schlaflosigkeit und Schlafproblemen hilfreich sein.
Welche Rolle spielt Gamma-Linolensäure?
Die in Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl enthaltene Gamma-Linolensäure gehört zu den Fettsäuren, die für den menschlichen Organismus wichtig sind. Sie zählt zur Gruppe der Omega-6-Fettsäuren, die unentbehrlich für die Steuerung vieler Körper- und Stoffwechselfunktionen sind. Gamma-Linolensäure vermindert Hitzewallungen, Reizungen in der Scheide und Stimmungsschwankungen. Nachtkerzenöl und Leinöl sind gut gegen Hautprobleme.
Können Phytoöstrogene helfen?
Als Phytoöstrogene werden Isoflavone bezeichnet, also sekundäre Pflanzenstoffe mit gesundheitsfördernden Eigenschaften für den Menschen. In den westlichen Ländern leiden zwei Drittel der Frauen während der Menopause an Wechseljahrsbeschwerden. In Japan gibt es dagegen für „Hitzewallungen“ noch nicht einmal ein entsprechendes Wort! Dass bei Frauen in fernöstlichen Ländern die unangenehmen Begleiterscheinungen der Wechseljahre weniger stark verbreitet sind als bei Frauen in Europa und Nordamerika, wird auf den traditionell hohen Sojakonsum in diesen Ländern zurückgeführt. Forschungsergebnisse weisen darüber hinaus auf antioxidative Eigenschaften hin und deuten auf positive Effekte einer isoflavonreichen Ernährung für die Blutfettwerte, das Herz-Kreislauf-System und den Erhalt der Knochensubstanz. Isoflavone kann man als sojahaltiges Lebensmittel (Tofu, Miso, Sojadrinks) oder aber auch in konzentrierter Form in einer Kapsel zu sich nehmen. Diese enthalten spezielle Extrakte der Sojabohne oder des Rotklees.
Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien bei Wechseljahrsbeschwerden?
Omega-3-Fettsäuren helfen nicht nur, den Fettstoffwechsel zu normalisieren, sie können auch helfen, den Blutdruck normal zu halten. Selen kann gegen Hitzewallungen und nächtliches Schwitzen helfen, ebenso Vitamin C. Selen und andere Antioxidantien, wie Vitamin C und Vitamin E, fangen freie Radikale ab und stärken so die körpereigenen Abwehrkräfte.
Seefisch und Walnussöl schützen die Gefäße – stimmt diese einfache Formel?
Es ist empfehlenswert, Fleisch- und Wurstwaren nur in bescheidenen Mengen zu sich zu nehmen, weil die darin enthaltenen gesättigten Fettsäuren die Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) fördern. Günstiger sind ungesättigte Fettsäuren, die sich in bestimmten Pflanzenölen, Samen und Nüssen finden. Eine geradezu gefäßschützende Wirkung haben die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Sie sind in fettem Seefisch (Makrele, Lachs, Hering, Sardine), aber auch in Walnuss-, Raps- und Sojaöl enthalten.
Auch sekundäre Pflanzenstoffe, z. B. Flavonoide und Carotinoide, sind wichtig für die Gesundheit der Gefässe: Sie enthalten Antioxidantien – auch Radikalenfänger genannt – die das gefäßschädigende LDL-Cholesterin in seiner Wirkung hemmen können. Es gibt zudem Hinweise, dass Folsäure günstig auf die Arterien wirkt: Offenbar kann dieses BVitamin einen hohen Homocystein-Spiegel im Blut senken. Erhöhtes Homocystein kann ebenso wie erhöhte Blutfettwerte Ursache für eine Arteriosklerose sein. Erhöhte Homocysteinspiegel entstehen häufig durch eine Ernährung, die reich an tierischen Produkten und arm an Obst und Gemüse ist.
Sollte man in den Wechseljahren auf Milchprodukte verzichten?
Die Aufforderung, viel Obst und Gemüse zu essen und die Fettzufuhr zu begrenzen, sollte Frauen nicht zum Verzicht auf Milchprodukte verleiten. Es muss ja nicht immer der Sahnejoghurt sein! Quark, Käse, Joghurt und Milch sind wegen ihres hohen Calciumgehaltes wichtig, um einer Osteoporose vorzubeugen. Dazu bedarf es auch einer guten Versorgung mit Vitamin D: Dieser Nährstoff sorgt dafür, dass Calzium im Darm aufgenommen und in die Knochen eingebaut wird. Vitamin D ist in gewissen Mengen in Milchprodukten, Fisch, Eigelb und Pilzen vorhanden. Ein großer Teil wird jedoch vom Körper unter Einfluss der Sonne selbst gebildet. Ein täglicher Aufenthalt unter freiem Himmel ist darum ebenso wichtig wie eine kalziumreiche Ernährung. Auf Cola und auf übermäßig viel Kaffee sollten Frauen in den Wechseljahren verzichten, denn diese Getränke sind Calciumräuber.
Was bringen Vitalstoffe wirklich?
Dr. med. Thomas Schettler, Humanmediziner
Herr Dr. Schettler, bei Ernährungsempfehlungen ist immer wieder von Vitalstoffen die Rede, was ist eigentlich damit gemeint?
Als Vitalstoffe werden Substanzen bezeichnet, die lebenswichtig für den Organismus sind, also vor allem Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe, aber auch sogenannte sekundä- re Pflanzenstoffe wie Anthocyane, die beispielsweise dem Rotkraut die Farbe verleihen, oder Omega-3-Fettsäuren in fettem Seefisch.
Warum sind diese Stoffe so wichtig?
Vitalstoffe sind an einer Vielzahl von Funktionen beteiligt, die ohne sie zum Erliegen kämen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind wir darauf angewiesen, uns diese Stoffe ständig zuzuführen, weil sie nicht selbst vom Körper gebildet werden können. Geschieht das nicht, kommt es zu Mangelerscheinungen bis hin zu schweren Erkrankungen.
Wie kann man sich das vorstellen? Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir Vitamin C: Es ist unter anderem wichtig für die Eiweißbildung und für das Immunsystem. Vitamin C macht freie Radikale unschädlich – das sind hoch aggressive Molekü- le, die bei vielen Krankheiten sowie bei Alterungsprozessen mit im Spiel sind. Das wasserlösliche Vitamin wird vom Körper nicht gespeichert, deshalb leidet zum Beispiel die Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen, wenn es nicht ständig ausreichend zugeführt wird. Weil Vitamin C auch die Aufnahme von Eisen verbessert, beeinträchtigt eine schlechte Versorgung damit in der Folge Stoffwechselfunktionen, bei denen Eisen eine Rolle spielt.
Heutzutage sind Vitaminmangelkrankheiten doch wohl eher in wenig entwickelten armen Ländern anzutreffen?
Das ist ein Trugschluss. Um beim Beispiel Vitamin C zu bleiben: Skorbut gibt es heute wirklich nur noch sehr selten. Aber zwischen einer krassen Vitaminmangelerscheinung und einer guten Versorgung gibt es eine weite Spanne. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass auch in Deutschland große Teile der Bevölkerung nur unzureichend mit Vitaminen versorgt sind. Zum Beispiel erreichen über 80 Prozent der Deutschen nicht die empfohlenen Werte für Folsäure! Auch für andere Vitamine sieht es nicht viel besser aus.
Sind Vitalstoffe für bestimmte Menschen besonders wichtig?
Je nach Lebensweise, Alter, Ernährung etc. ist der Bedarf an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen unterschiedlich groß. Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel Schwangere besonders diejenigen Vitalstoffe benötigen, die auch für Wachstum und Entwicklung des Kindes wichtig sind. Bei schweißtreibenden Sportarten wird man auf den Verlust an Mineralstoffen verstärkt achten müssen. Ältere Menschen verwerten die Nahrung oft nicht mehr so gut wie in jungen Jahren, darüber hinaus ernähren sie sich häufig anders und greifen vielleicht öfters zu Fertiggerichten. Oder sie haben nicht mehr so gute Zähne und verzichten deshalb auf knackig frisches Obst. Kommen noch Krankheiten hinzu, wie etwa Diabetes, ergibt sich auch daraus ein spezielles Bedarfsbild.
Was sollten dann ältere Menschen besonders beachten?
Sehr viele ältere Menschen sind nur mangelhaft mit Vitamin D versorgt, das unter Sonnenlicht in der Haut gebildet wird. Das liegt zum einen an der Lebensweise – man geht nicht mehr so oft an die frische Luft; zum anderen lässt die Fähigkeit zur Vitamin-D-Bildung in der Haut mit zunehmendem Alter nach. Da Vitamin D sehr wichtig für den Calcium-Stoffwechsel ist, leiden bei einer Unterversorgung auch die Knochen bzw. deren Stabilität. Verringerte Werte an Vitamin D hat man sogar bei Altersdepression festgestellt. Ältere Menschen stecken Infektionen nicht mehr so gut weg, zudem ziehen Erkrankungen leicht Komplikationen nach sich. Deshalb sollte man mit den entsprechenden Vitaminen sein Immunsystem wappnen; das sind vor allem C, A und E, aber auch die Spurenelemente Zink und Selen.
Was kann man tun, um sich ausreichend mit Vitalstoffen zu versorgen?
Grundsätzlich sollte man abwechslungsreiche und möglichst frische pflanzliche Nahrung zu sich nehmen, also Obst und Gemüse, außerdem Seefisch. Um wirklich auf die empfohlenen Werte zu kommen, reicht dies aber nicht immer aus, besonders dann, wenn noch andere Faktoren wie Diabetes oder Osteoporose hinzukommen. In solchen Fällen leisten Nahrungsergänzungsmittel gute Dienste; sie sollten aber ein möglichst breites Spektrum an Vitalstoffen enthalten.