Das Quartalsthema sind noncommunicable diseases (NCDs), also nichtübertragbare Krankheiten. Was versteht man unter diesem Begriff? Welche Krankheiten sind unter diesem Begriff zusammengefasst?
Nichtübertragbare Krankheiten sind nicht ansteckend bzw. nicht von einer Person auf eine andere übertragbar. Typischer Charakter der Krankheiten ist, dass sie sich langsam entwickeln und über einen langen Zeitraum andauern, weshalb sie auch als chronische Krankheiten bekannt sind. Die fünf häufigsten NCDs sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Krebs, Diabetes und Erkrankungen des Bewegungsapparates. Aber auch psychische Erkrankungen wie die Demenz gehören der Rubrik der NCDs an. Alle Krankheiten weisen gemeinsame Risikofaktoren für die Entstehung auf und auch gemeinsame Handlungsmöglichkeiten sind bekannt.
Sind diese Krankheiten nicht vor allem ein Problem in Entwicklungsländern mit weniger fortgeschrittener medizinischer Versorgung? Inwieweit ist Europa/Deutschland von diesen Krankheiten betroffen?
Armut steht eng im Zusammenhang mit dem Auftreten von NCDs. Tatsächlich betreffen drei Viertel der NCD-bedingten Todesfälle Schwellen- und Entwicklungsländer. Statistisch sind laut WHO in Deutschland NCDs Ursache für 91 % aller Todesfälle. Mit 40 % stehen allen voran die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch auch die steigende Diabetesprävalenz, die gerade im „Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2017” veröffentlicht wurde, zeigt, dass in Deutschland trotz modernster medizinischer Versorgung mit einem weiteren Anstieg von NCDs zu rechnen ist. Durch den demographischen Wandel wird zudem ein Anstieg von psychischen Erkrankungen im Alter, wie der Demenz, erwartet.
Neben einer guten medizinischen Versorgung müssen vor allem Präventionsmaßnahmen zur Bekämpfung von Risikofaktoren vorangebracht werden, um das Problem in Angriff zu nehmen.
Eine solche Präventionsmaßnahme wäre die Gesundheitskampagne „Fünf am Tag“, die auf Empfehlungen internationaler Ernährungsgesellschaften, unter anderem von der deutschen Gesellschaft für Ernährung, ins Leben gerufen wurde. Damit ist der Verzehr von mindestens 5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag gemeint, um unter anderem vor Zivilisationskrankheiten zu schützen. Werden diese Empfehlungen in Deutschland umgesetzt? Gibt es Nährstoffe, die von besonderer Bedeutung sind?
Eine ausgewogene Ernährung liefert ausreichend Nährstoffe, um das Risiko für die Entstehung von unterschiedlichen Krankheiten zu mindern. Allerdings werden allgemeine Empfehlungen nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung erreicht. In der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DGES1), die zwischen 2008 und 2011 durchgeführt wurde, ermittelte das Robert-Koch-Institut den Lebensmittelverzehr von 7116 Personen. Daraus ging hervor, dass lediglich 15 % der Frauen und 7 % der Männer die empfohlenen 5 Portionen pro Tag erreichen. Betont wird, dass immerhin 39 % der Frauen und 25 % der Männer mindestens 3 Portionen Obst und Gemüse pro Tag konsumieren. Neben wichtigen Vitaminen sind in Obst und Gemüse viele Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die zur Risikominderung für NCDs beitragen können. Carotinoide sind beispielsweise in rotem, orangem oder gelbem Gemüse/Obst enthalten. Zu den Carotinoiden zählt übrigens auch das vornehmlich in grünem Blattgemüse enthaltene Lutein. Es ist besonders wichtig für die Makula des Auges. Neben der positiven Wirkung auf die Augengesundheit gibt es neue Erkenntnisse zum Erhalt der Gehirnfunktion bei älteren Personen.
Zu einer ausgewogenen Ernährung zählt auch der Konsum von (fettreichem) Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Die darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sind für ihre positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System bekannt. Laut Nationaler Verzehrsstudie II liegt der Fischkonsum deutlich unter den Empfehlungen und 16 % der Deutschen konsumieren überhaupt keinen Fisch. Einen ganz speziellen Fall stellt das Vitamin D dar. Hier ist es in der Praxis alleine im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung kaum möglich, den Tagesbedarf zu decken. Unverzichtbar ist daher zusätzlich die körpereigene Bildung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Körper hierfür Sonnenlicht benötigt, das in unseren Breitengraden gerade in den Herbst- und Wintermonaten häufig fehlt bzw. in seiner Intensität nicht ausreicht.
Gibt es besondere Risikofaktoren, bzw. was können wir außer einer ausgewogenen Ernährung noch tun, um Krankheiten vorzubeugen?
Neben Armut und einer mangelnden Versorgung mit Mikronährstoffen sind Rauchen und ein inaktiver Lebensstil bedeutende Risikofaktoren. Raucher haben ein zwei- bis viermal erhöhtes Risiko,Herzerkrankungen oder einen Schlaganfall zu erleiden. Trotz des Rauchverbots in öffentlichen Einrichtungen vieler Länder ist das Passivrauchen noch immer ein Thema. Gerade Kinder und Säuglinge sind besonders anfällig und können infolgedessen chronische Atemwegserkrankungen entwickeln.
Mangelnde körperliche Aktivität ist vor allem in Industriestaaten, also auch Deutschland, ein wichtiger Risikofaktor. Nach Angaben der WHO erreichen 26 % der Männer und 35 % der Frauen in den Industrienationen nicht die Empfehlungen für einen gesunden, aktiven Lebensstil. Grund hierfür sind die häufig sitzenden Tätigkeiten im Job und im Alltag. Studien zeigen, dass Personen mit einem aktiven Lebensstil ein deutlich geringeres Risiko für erhöhten Blutdruck, andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes haben. Durch eine gezielte Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention für die gesamte Bevölkerung wären Gesundheitsprobleme in Folge von NCDs weitgehend vermeidbar.
Welche Rolle hat die genetische Prädisposition bei NCDs?
Unter der genetischen Prädisposition versteht man eine erblich bedingte Empfänglichkeit für eine Erkrankung. Die Entstehung der Krankheitsbilder, die unter die NCDs fallen, unterliegt komplexen Schritten mit mehreren genetischen Komponenten. Ob eine Krankheit phänotypisch in Erscheinung tritt, ist von unterschiedlichen Umwelteinflüssen abhängig. Personen mit vermehrtem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fällen von Diabetes oder Demenz in der Familiengeschichte erkranken nicht zwingend an diesen Krankheiten. Das erhöhte Risiko kann durch einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend körperlicher Aktivität verringert werd