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Die Nervenkrankheit multiple Sklerose ist nicht heilbar und auch ihre Ursachen sind bislang nicht vollständig geklärt. Neue Hoffnungen weckt nun die Vitamin-D-Forschung. Verschiedene Studien lassen vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Vitamin und der Erkrankung bestehen könnte. Jüngste Forschungsergebnisse untermauern bisherige Beobachtungen und zeigen: Sowohl die Entstehung der Nervenkrankheit als auch ihr Fortschreiten könnte durch Vitamin D beeinflusst werden.
Etwa 2,5 Millionen Menschen weltweit leiden an multipler Sklerose (MS). Die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems tritt überwiegend bereits im jungen Erwachsenenalter auf und führt meist zu bleibenden Defiziten. Noch immer weiß man wenig über die Ursachen von MS – diskutiert werden genetische Faktoren ebenso wie Umwelteinflüsse und eine Fehlsteuerung des Immunsystems gegen körpereigene Zellen. Neuere wissenschaftliche Studien überprüfen außerdem einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und der Entstehung von MS. Hintergrund der Annahme ist ein Vergleich der weltweiten Verbreitung von MS mit der Sonnenscheindauer. Da Vitamin D unter UV-Strahlung in der Haut synthetisiert wird, gilt: Je häufiger eine Bevölkerung der Sonneneinstrahlung ausgesetzt wird, desto besser ist in der Regel auch die Versorgung mit Vitamin D. Für die Verbreitung von MS zeigt sich jedoch ein umgekehrtes Bild. Mit zunehmender Entfernung vom Äquator und damit abnehmender Sonnenscheindauer nimmt die Häufigkeit der Erkrankung in der Bevölkerung zu.
Vitamin-D-Mangel bei der Geburt möglicherweise Risikofaktor
Verschiedene Studien lieferten bereits erste Hinweise darauf, dass ein Zusammenhang zwischen dem Sonnenvitamin und multipler Sklerose bestehen könnte. So konnte gezeigt werden, dass das Krankheitsrisiko bei Frauen, die Vitamin-D-Supplemente einnahmen um rund 40 Prozent reduziert war.1
Weitere Untersuchungen kamen außerdem zu dem Ergebnis, dass ein genetisch bedingter Mangel des Vitamins die Entstehung der Nervenkrankheit begünstigen könnte.2
Eine neuere Studie untersuchte nun, ob bereits der Vitamin-D-Spiegel bei der Geburt einen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung im späteren Leben nehmen könnte. Dabei zeigte sich: Säuglinge mit dem niedrigsten Spiegel bei der Geburt hatten ein rund doppelt so hohes Risiko im späteren Leben an MS zu erkranken wie diejenigen Kinder, die von Beginn an den höchsten Vitamin-D- Spiegel aufwiesen.3
Zwar ist diese Beobachtung kein eindeutiger Beweis dafür, dass ein Vitamin-D-Mangel zur Entstehung der Erkrankung beiträgt – eine Überwachung des Vitamin-D-Spiegels während der Schwangerschaft ist dennoch ratsam.
Vielversprechender Ansatz: Therapie mit hochdosiertem Vitamin D
Sollte Vitamin D tatsächlich einen Einfluss auf multiple Sklerose haben – die Mechanismen, die dahinterstecken könnten, sind noch ungeklärt – dann muss auch untersucht werden, ob das Vitamin zur Therapie der Krankheit eingesetzt werden könnte. Das wollten auch die Forscher der SOLAR-Studie herausfinden und verabreichten MS-Patienten im frühen Krankheitsstadium hochdosiertes Vitamin D. Das Vitamin-Präparat wurde dabei ergänzend zu einem immunmodulierenden Medikament eingenommen. Die Ergebnisse waren überraschend: Sowohl die Anzahl der Krankheitsschübe als auch die für MS typischen Gewebeschädigungen waren verringert, wenn Patienten Vitamin D supplementierten.4 Vitamin D könnte zukünftig also eine nebenwirkungsarme und einfache Zusatzbehandlung von MS ermöglichen.
[1] Munger KL, Zhang SM, O’Reilly E et al.; Vitamin D intake and incidence of multiple sclerosis. Neurology. 2004 Jan 13;62(1):60-5.
[2] Mokry LE, Ross S, Ahmad OS et al.; Vitamin D and risk of multiple sclerosis: A Mendelian randomization study. PLoS Med. 2015 Aug 25;12(8):e1001866.
[3] Nielsen NM, Munger KL, Koch-Henriksen N et al.; Neonatal vitamin D status and risk of multiple sclerosis: A population-based case-control study. Neurology. 2017 Jan 3;88(1):44-51.
[4] 32nd Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis, London 14.-17.9.2016. Free Communications 1; 16.9.16. Hupperts R et al.; High dose cholecalciferol (vitamin D3) oil as add-on therapy in subjects with relapsing-remitting multiple sclerosis receiving subcutaneous interferon β-1a.