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Risikofaktor Vitamin-B12-Mangel bei älteren Menschen
Alzheimer und andere Formen der Demenz sind ein zunehmendes Phänomen, an dem vor allem Senioren leiden.1 Die neurodegenerativen Erkrankungen können unter anderem auf einen Mangel an Vitamin B12 zurückgeführt werden, von dem insbesondere ältere Menschen betroffen sein können. Das beruht auf einer Reihe verschiedener Faktoren, allen voran der Aufnahme des Vitamins aus der Nahrung, die beispielsweise aufgrund der Einnahme von Medikamenten eingeschränkt sein kann. Aktuelle Studien zeigen, dass eine Supplementation mit Vitamin B12 die Abnahme der geistigen Funktionen und sogar den Abbau bestimmter Hirnregionen verlangsamen könnte.
Anfang November wurde Deutschlands erfolgreichster Torjäger aller Zeiten, Gerd Müller, 70 Jahre alt. Nur wenige Wochen zuvor drang eine weniger erfreuliche Nachricht an die Öffentlichkeit: Der ehemalige „Bomber der Nation“ leidet an Alzheimer, der mit einem Anteil von 60 bis 70 Prozent häufigste Form der Demenz.2 Damit ist Gerd Müller kein Einzelfall: 1,5 Millionen Bundesbürger leiden an Demenz, bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der Betroffenen sogar verdoppeln.1 Demenz ist ein Syndrom, das unter anderem durch Einschränkungen in der Gedächtnisleistung, im Denkvermögen und im Bewältigen ganz alltäglicher Situationen gekennzeichnet ist. Grund dafür ist der fortschreitende Abbau von Hirnmasse. Daher spricht man auch von neurodegenerativen Erkrankungen.2
Best Ager leiden besonders häufig an einem Vitamin-B12-Mangel
Als möglicher Auslöser für Demenz – in Kombination mit anderen – kann ein Mangel an Vitamin B12, der bei älteren Menschen ein weltweites Problem darstellt, die Entstehung der Erkrankung begünstigen. Hierzulande sind knapp zehn Prozent der Männer und über ein Viertel der Frauen im Alter zwischen 65 und 80 Jahren von einem B12-Defizit betroffen.3 Die Ursachen liegen – neben genetischen Faktoren wie Vitamin-B12-Stoffwechselstörungen – vor allem in der eingeschränkten Aufnahme aus der Nahrung. Aufnahmeschwierigkeiten basieren zum Beispiel auf Veränderungen der Magensäure in Folge von dauerhaftem Einsatz bestimmter Medikamente wie hochdosierte Protonenpumpenhemmer. Aber auch die Einnahme von Antibiotika oder dem Diabetesmittel Metformin kann die Aufnahme von Vitamin B12 erschweren.4
Bei einem Mangel an Vitamin B12 können Störungen bei der Blutbildung auftreten, was bei mikroskopischen Untersuchungen in Form von stark vergrößerten Blutkörperchen zu erkennen ist. Abgesehen davon weisen zwischen 75 und 90 Prozent der Personen mit einem klinisch relevanten B12-Mangel neurologische Störungen auf. Diese reichen von Kribbeln in Armen und Beinen über Sensibilitätsstörungen wie pelziges Taubheitsgefühl bis hin zu Gangunsicherheit und sogar Lähmungen im Spätstadium. Gerade aber neurologisch-psychiatrische Veränderungen wie Verwirrtheit, Störungen von Gedächtnis und Urteilsvermögen werden bereits am Anfang der Erkrankung festgestellt, obwohl zum Teil noch gar keine Veränderungen der Plasmaspiegel des Vitamin B12 beobachtet werden, so dass man auch von einem „funktionellen Vitamin-B12-Mangel“ spricht. Im äußersten Fall können Alzheimer beziehungsweise eine senile Demenz verursacht oder verschlimmert werden.5
Zusammenhänge zwischen Vitamin-B12-Mangel und Demenzerkrankungen
Ein Vitamin-B12-Mangel kann auf unterschiedlichen Wegen zu Demenzerkrankungen führen. Zum einen wird über mehrere Schritte ein „Selbstmordprogramm“ von Nervenzellen in die Wege geleitet, sodass sich bei einer großen Zahl absterbender Zellen die Gehirnmasse abbaut. Zum anderen wird die Bildung von aggressiven Molekülen begünstigt, die letztlich die Energiegewinnung von Nervenzellen zum Erliegen bringen können. Bei einem Vitamin B12-Mangel können aber auch Störungen beim Schutz von Nervenzellen auftreten. So können Probleme bei der Bildung des Myelins entstehen, das die Nervenzellen umhüllt. Kommt es zu Schäden in dieser schützenden Hülle, kann sich eine Neurodegeneration entwickeln.5
Aktuelle Studienlage zur Verbesserung der Demenz mit Vitamin B12
Dass ein Vitamin12-Mangel möglicherweise zu einer abnehmenden kognitiven Leistung führt, konnte in mehreren aktuellen Studien gezeigt werden.6,7 So wurde beispielsweise der Zusammenhang zwischen dem Vitamin-B12-Status und der Gehirngröße bei älteren Menschen untersucht. Die Forscher fanden heraus, dass ein bis zu sechs Mal höheres Risiko für Gehirnschwund besteht, wenn ein Mangel an Vitamin B12 vorliegt.8 Positive Effekte einer Supplementation mit einer Kombination aus den B-Vitaminen B6, B9 (Folsäure) und B12 zeigte eine Studie mit 168 Senioren im Alter von über 70 Jahren, die an leichten kognitiven Störungen litten. Nachdem die Studienteilnehmer 24 Monate lang die Vitaminkombination eingenommen hatten, wurde eine Verlangsamung des Hirnschwunds und der Abnahme der kognitiven Leistung festgestellt.9 In einer neueren Studie zeigte sich ebenfalls, dass eine Supplementation mit den drei B-Vitaminen den Abbau derjenigen Hirnregionen verlangsamen kann, die mit Alzheimer und einer Abnahme der kognitiven Leistung zusammenhängen.10
Quellen:
1) http://www.wegweiser-demenz.de/informationen/gesellschaft-und-demenz.html; abgerufen am 24.11.2015.
2) http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs362/en/; abgerufen am 24.11.2015.
3) Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel; Nationale Verzehrsstudie II; 2008.
4) Kisters K; Symptome, Diagnostik und Therapie; CME Fortbildung Der Allgemeinarzt 10/2014 S.34-39.
5) Gröber U et al.; Neuroenhancement with Vitamin B12—Underestimated Neurological Significance; Nutrients. 2013 Dec; 5(12): 5031–5045.
6) Blasko I et al.; Conversion from mild cognitive impairment to dementia: influence of folic acid and vitamin B12 use in the VITA cohort.; J Nutr Health Aging. 2012 Aug;16(8):687-94.
7) Vogiatzoglou A et al.; Cognitive function in an elderly population: interaction between vitamin B12 status, depression, and apolipoprotein E e4: the Hordaland Homocysteine Study.; Psychosom Med. 2013 Jan;75(1):20-9.
8) Vogiatzoglou A et al.; Vitamin B12 status and rate of brain volume loss in community-dwelling elderly; Neurology. 2008 Sep 9;71(11):826-32.
9) Smith AD et al.; Homocysteine-Lowering by B Vitamins Slows the Rate of Accelerated Brain Atrophy in Mild Cognitive Impairment: A Randomized Controlled Trial; PLoS One. 2010; 5(9): e12244.
10) Douaud, G et al.; Preventing Alzheimer’s disease-related gray matter atrophy by B-vitamin treatment; Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2013, 110, 9523–9528.