Vitalstoffmangel in Europa trotz Nahrungsüberfluss
Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, mangelt es vielen Kindern in Europa an diversen Vitalstoffen. Je nach Altersgruppe, Land und Region sind unterschiedliche Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente betroffen. Auch in Deutschland besteht bei mehreren Vitalstoffen ein Defizit. Vitamin D und Folat sind die Vitalstoffe, an denen es am häufigsten mangelt. Die Studie zeigt die Ursachen auf und präsentiert Maßnahmen, um einem drohenden oder akuten Vitalstoffmangel entgegenzuwirken.
Siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg existiert in Europa längst keine Nahrungsmittelknapp-heit mehr. Ganz im Gegenteil: Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Doch trotzdem sind viele Kinder unterversorgt, und zwar mit lebenswichtigen Vitalstoffen, wie großangelegte Untersuchungen aufgedeckt haben. Bei einer Studie, die auf Daten aus 16 europäischen Ländern – aufgeteilt in vier geographische Regionen – basiert, stellte sich heraus, dass ein signifikanter Anteil der untersuchten Kinder eine starke Unterversorgung mit einigen Vitalstoffen aufwies. Kinder benötigen genau definierte Mengen an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, wobei die Bedürfnisse je nach Alter variieren. Diesem Umstand wurde bei der Studie durch eine Einteilung der Kinder nach Altersgruppen Rechnung getragen. „Die Konsequenzen eines Vitalstoffmangels sind bei Kindern größer als bei Erwachsenen“, erklärt Dr. Thomas Schettler, Vorstandsmitglied der GIVE e.V., „da potenziell irreversible physische oder kognitive Defekte auftreten können. Diverse Studien zeigen zum Beispiel, dass ein Mangel an Eisen, Jod, Zink oder Thiamin während der Entwicklungsphase des Kindes mit einem niedrigeren Intelligenzquotienten in Verbindung steht.“
Welche Vitalstoffe sind betroffen?
Die Vitalstoffe, an denen es laut der Studie mit europäischen Kindern am stärksten mangelt, sind Vitamin D, Folat, Eisen, Calcium, Jod und Phosphat. Die Vitalstoff-Defizite kommen je nach Region und Alter der Kinder jedoch unterschiedlich stark zum Tragen. Unterschiede innerhalb der Altersgruppen offenbaren sich beispielsweise bei Calcium. Gerade bei Kindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren treten am häufigsten Defizite an diesem wertvollen Mineralstoff auf, der für das Knochenwachstum unentbehrlich ist. Dagegen werden bei Folat und Vitamin D in fast allen Altersgruppen die empfohlenen Tagesmengen unterschritten und das über alle Regionen hinweg.
Vitalstoffmangel auch bei Kindern in Deutschland
Auch hierzulande wurde bei einem Teil der untersuchten Kinder eine Unterversorgung mit Vitalstoffen festgestellt. So liegt die Aufnahme von Jod bei 61 Prozent der Jungen und 55 Prozent der Mädchen im Alter von vier bis zehn Jahren unterhalb der empfohlenen Tagesdosis (estimated average requirement, EAR). Noch gravierender ist die Situation bei einem weiteren Spurenelement: 94 Prozent der vier- bis zehnjährigen Mädchen weisen eine Eisenaufnahme unterhalb des EAR auf. Dazu kommen die Defizite an Folat und Vitamin D, die bei Kindern in ganz Europa auftreten.
Ursachen und Maßnahmen im Zusammenhang mit Vitalstoffmangel
Die Unterversorgung mit Vitalstoffen ist weniger auf das Nahrungsangebot als vielmehr auf die Essenswahl der Kinder beziehungsweise der Eltern für ihre Kinder zurückzuführen. Auch eine einseitige Ernährung, wie vegetarische, vegane, glutenfreie oder laktosefreie Kost, kann ein Defizit an Vitalstoffen hervorrufen. Als weiterer möglicher Grund werden in der Studie unterschiedliche Vorgaben der einzelnen Länder im Bereich der Nahrungsanreicherung mit Vitalstoffen angeführt. Darunter versteht man zum Beispiel die Beimengung von Folat in Mehl oder Jod in Speisesalz.
Die Forscher der Studie empfehlen Routineuntersuchungen, um individuell auf einen Vitalstoffmangel reagieren zu können. Außerdem wird für Kinder mit dem Risiko einer Unterversorgung eine Supplementation von entsprechenden Vitalstoffen vorgeschlagen. Dazu gehören beispielsweise Kinder mit chronischen Erkrankungen der Leber oder des Verdauungstrakts. In manchen Ländern, wie dem Vereinigten Königreich, gibt es Empfehlungen von staatlichen Gesundheitsbehörden, die sich für eine Supplementation von Nahrungsmitteln aussprechen. Darüber hinaus wird auf andere Studien verwiesen, die positive Effekte von Supplementen, wie zum Beispiel Vitamin D, zeigen. Wichtig ist dabei, dass Supplemente nicht als Ersatz für eine gesunde Ernährung dienen, sondern nur als Ergänzung.
Quelle:
1) Kaganov, B. et al.; Suboptimal Micronutrient Intake among Children in Europe; Nutrients. 2015 May 13;7(5):3524-35