Start ins eigene Leben – nur die Ernährung wird nicht erwachsen
Gerade aus dem Haus, bleibt die gesunde Ernährung oft zurück. Wenn junge Frauen und Männer beginnen, auf eigenen Beinen zu stehen, fällt der Konsum vitaminreicher Speisen vielfach unter den Tisch, so die Ergebnisse einer Studie1 der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2013. Sie ergab, dass für die Personengruppe der 18- bis 25-Jährigen das Essen keine große Rolle spielt. Gerade einmal 23 Prozent der jungen Erwachsenen legen demnach Wert auf gesunde Kost, und wirklich umgesetzt wird ein solcher Vorsatz dann sogar nur von 10 Prozent. Lecker soll es sein, und schnell gehen muss es auch – darauf wird in dieser Lebensphase, der Untersuchung zufolge, viel mehr Wert gelegt als auf Vitamine & Co.
Ein Leben (fast) ohne Obst und Gemüse
So wird die weithin bekannte Regel „5 am Tag“ von den Jüngeren weitgehend ignoriert, wie eine andere Untersuchung2 des Zentrums für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln und der Deutschen Krankenversicherung DKV ergab. Gerade einmal 7 von 100 jungen Erwachsenen erfüllen die „5 am Tag“-Empfehlung – rund 20 Prozent der befragten Teilnehmer unter 30 Jahren entschieden sich sogar weniger als dreimal pro Woche überhaupt für Obst und Gemüse.
Dass es einen Zusammenhang zwischen Lebensphase und ausgewogener Ernährung gibt, wird durch die Studie2 der DKV klar belegt. Denn mit dem Alter der Probanden stieg auch das Bewusstsein für gesunde Kost, umgekehrt erfüllten die jüngeren Befragten deutlich seltener die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Nur 32 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ernährte sich ausgewogen: Jeder Vierte griff täglich oder sogar mehrmals am Tag zu Süßigkeiten – dagegen entschied sich nur etwa jeder Zweite für Obst und Gemüse.
Was als Jugendsünde beginnt, …
Die laxe Einstellung zur eigenen Ernährung bricht sich schon im Jugendalter Bahn. Denn mit der wachsenden Eigenverantwortlichkeit geht oft auch eine Abkoppelung der Essgewohnheiten von den Mustern der Mütter und Väter einher. Die „Kontrollinstanz“ Elternhaus erreicht ihre zunehmend unabhängigen und selbstständigen Kinder nicht mehr. Das Taschengeld oder finanzielle Mittel zur Unterstützung während der Lehr- oder Studienzeit werden folgerichtig für Speisen und Getränke aufgewendet, die ganz den eigenen Vorstellungen entsprechen. Orientierung geben – wie in anderen Lebensbereichen auch – eher der gleichaltrige Freundeskreis.
Dass dabei, wie obiges Studienergebnis1 belegt, verstärkt eine wohlschmeckende und leicht verfügbare Kost gewählt und wenig weitsichtig agiert wird, liegt nahe. Energydrink statt Saft, Burger statt Eintopf, könnte das Motto lauten: So bestätigt eine Untersuchung3
… setzt sich im Erwachsenenalter fort
Ein hoher Anteil an Fast-Food-Gerichten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ein Grund der energie-, aber kaum nährstoffreichen Ernährung. Umfrageergebnissen1 zufolge entscheidet sich rund jeder Fünfte der unter 35-Jährigen ein- bis zweimal pro Woche für den hochkalorischen Schnellimbiss. Das sind fast doppelt so viele wie in der übrigen Bevölkerung. Essen unterwegs findet, der gleichen Studie1 nach, etwa jeder Dritte unter 25 Jahren völlig in Ordnung. Fast ebenso viele praktizieren diese Form der Ernährung auch mindestens dreimal in der Woche.
Wird dennoch in elterlicher oder schon in eigener Wohnung gespeist, geschieht dies vielfach nur am Rande. Denn die Aufmerksamkeit wird oft weniger der Zubereitung und der Nahrungsaufnahme als vielmehr dem „Begleitprogramm“ geschenkt. Bei jedem Dritten läuft das Essen nebenher beim Fernsehschauen, dem Nachrichtenabrufen oder dem Surfen im Netz.1 Und wieder ist dieses Phänomen bei den jungen Erwachsenen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen besonders ausgeprägt. Hinzu kommt, dass TV, Tablet oder Smartphone nicht nur während der Hauptmahlzeiten ablenken, sondern andersherum auch zwischendurch noch zum ungesunden Naschen verleiten – immerhin jeder Dritte unter 35 Jahren greift beim Chillen vor dem Fernseher oder beim Surfen im Netz regelmäßig zu Schokolade oder Chips.1
Überhaupt spielt der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen oftmals kaum eine Rolle bei der Essensauswahl zu Hause. Vielmehr stehen energiereiche, aber mikronährstoffarme Fertiggerichte hoch im Kurs bei Männern und Frauen unter 25 Jahren – 60 Prozent von ihnen geben von mindestens einmal in der Woche bis zu jeden Tag dieser Form der Ernährung den Vorzug.1 Unter den 18- bis 25-Jährigen entscheidet sich fast jeder Fünfte mindestens dreimal pro Woche für ein Fertiggericht.1
Die Kochschule zählt nicht zur Ausbildung
Eine viel bemühte Erklärung für schnelles und oft auch weniger gesundes Essen ist Zeitmangel. Was Berufstätige in der Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren als das zentrale Problem sehen (siehe auch GIVE-Newsletter Mai-Juni 2014), beanspruchen die Jüngeren ebenfalls für sich. Bei ihnen sind es vor dem Berufsstart bereits Lehre oder Studium, manchmal auch in Kombination mit einem Nebenerwerb, die zu Zeitnot führen, was sich wiederum negativ auf eine gesunde Ernährung auswirkt. Berufsschule, Praktikum oder Hörsaal statt Küche: So fehlen nach eigenen Angaben fast zwei Drittel der unter 25-Jährigen die Ruhe für gesundes Essen und die Zeit zum Kochen.1
Eine Untersuchung4 an der Universität Marburg mit fast 1.300 Erstsemestern bestätigt den ungesunden Lebenswandel vieler während der Ausbildung: Den Ergebnissen zufolge erfüllen nur ganze zwei Prozent der Studierenden – in diesem Fall angehende Lehrer, Ärzte und Juristen – die zentralen Regeln für ein gesundes Leben wie Nichtrauchen, Alkoholverzicht oder eben eine ausgewogene Kost. Die oben erwähnte Vorgabe, mehrmals am Tag Obst und Gemüse zu konsumieren, folgte zum Beispiel durchschnittlich nur einer von 20 Studienteilnehmern. Als besonders ungesund erwies sich dabei übrigens das Leben der Studenten in Wohngemeinschaften.4
Drohende Defizite in der Mikronährstoffversorgung
Ob wegen fehlender Zeit oder mangelnder Disziplin, die Ernährungsgewohnheiten der Altersgruppe zwischen 16 und 29 Jahren können ein Defizit an essentiellen Mikronährstoffen verursachen. Auch das Einhalten strenger und einseitiger Diäten, um dem gängigen, schlanken Schönheitsideal in dieser Lebensphase zu entsprechen, kann zu einer Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen führen. Dabei ist gerade in jungen Jahren, die geprägt sind von Prüfungen in der Ausbildung und einem engagierten Karrierestart, eine hohe körperliche und geistige Leistungsbereitschaft gefordert.
Nur wenige Menschen außerhalb der Fachkreise sind sich darüber im Klaren, dass 86 Prozent der jugendlichen und erwachsenen Männer von 14 bis 24 Jahren nicht die empfohlenen Werte an Vitamin D erreichen – bei Frauen sind es sogar 96 Prozent!5 Dabei ist bereits frühzeitig auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D zu achten, um späteren Folgen wie Osteoporose entgegenzuwirken. In der gleichen Altersgruppe zwischen 14 und 24 erreicht auch jede dritte Frau nicht die empfohlene tägliche Menge an Vitamin B12, und bei den 14- bis 18-jährigen Frauen weisen 56 Prozent eine defizitäre Magnesiumversorgung auf.5 Besonders alarmierend erscheint die mangelhafte Folatsituation: So sind acht bis neun von zehn Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren nicht ausreichend mit Folat versorgt, was bei einer Schwangerschaft dramatische Folgen für das Neugeborene bis hin zum Neuralrohrdefekt haben kann.5
Trotz des Gefühls neuer Freiheit und Unabhängigkeit sollte also schon in frühen Jahren bewusst auf eine ausgewogene Ernährung und eine ausreichend hohe Mikronährstoffzufuhr geachtet werden. Mehr Obst und Gemüse und weniger Burger und Süßigkeiten sorgen schließlich dafür, dass der Start ins eigene Leben nicht zum gesundheitlichen Fehlstart wird.
Literatur:
1) Techniker Krankenkasse (TK): „Iss was, Deutschland?“ – Studie zum Ernährungsverhalten der Menschen in Deutschland; 2013
2) Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule, Köln; DKV Report: Wie gesund lebt Deutschland? Köln: s.n.; 2008
3) http://news.1a.net/ernaehrung/europaeische-jugendliche-ernaehren-sich-aeusserst-ungesund-12069
4) http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2007/0431/0427
5) Max-Rubner-Institut: Nationale Verzehrsstudie Teil 2, Ergebnisbericht 2. Karlsruhe: Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel; 2008