Mikronährstoff-Versorgung lässt Senioren oft alt aussehen
2060 wird jeder dritte Einwohner in Deutschland 65 Jahre oder mehr zählen – so prognostiziert es der Demographie-Bericht der Bundesregierung. Erfreulich ist dabei, dass der Alltag vieler Senioren schon heute von einer hohen Lebensqualität geprägt ist. Alt werden, sich aber nicht alt fühlen, gilt für weite Teile der betagten und auch hochbetagten Bevölkerung. Ein wesentlicher Grund dieser Entwicklung liegt im allgemein gestiegenen Gesundheitsbewusstsein und der besseren medizinischen Versorgung.
Dennoch ist es selbstverständlich, dass mit der Zahl der Senioren naturgemäß auch die Zahl derer steigt, die von typischen Altersleiden betroffen sind. Und einige dieser Leiden wiederum können direkt oder zumindest anteilig auf eine mangelhafte Versorgung mit Mikronährstoffen zurückgeführt werden. Der „Vitamin Bericht 2014“, herausgegeben von der Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung e. V., GIVE, stellt diese Zusammenhänge dar und rückt die aktuelle Versorgungssituation der älteren Bevölkerung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Fokus.
Vitamin D bringt es ans Licht
Demnach zeigen Untersuchungen, dass das Risiko einer unzureichenden Bedarfsdeckung mit Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen bei der älteren Bevölkerung besonders hoch ist. Beispiel Vitamin D: Vielen Senioren mangelt es an diesem „Sonnenvitamin“, das sowohl mit der Nahrung aufgenommen als auch unter Sonnenbestrahlung in der Haut gebildet wird. An Vitamin D lässt sich exemplarisch darstellen, warum insbesondere Ältere betroffen sind. So nimmt die Synthesefähigkeit der Haut für Vitamin D ab, und es wird nur eingeschränkt in die aktive Form umgewandelt. Damit produzieren betagte Personen etwa viermal weniger hauteigenes Vitamin D im Vergleich zu jüngeren Menschen. Hinzu kommt noch eine unzureichende Aufnahme mit der Nahrung: 8 von 10 älteren Männern und sogar 9 von 10 älteren Frauen erreichen der Nationalen Verzehrsstudie zufolge nicht die empfohlene Vitamin-D-Zufuhr über ihre Ernährung.
Neben Vitamin D stehen weitere Mikronährstoffe auf der „Mangelliste“ vieler Senioren. Dazu zählen Folat, Vitamin E und C. Besonders kritisch ist die Versorgung mit Vitamin B12, das bei betagten Menschen häufig nur schlecht vom Körper aufgenommen werden kann. Mit der unzureichenden Versorgung dieser und anderer Mikronährstoffe können Einschränkungen für die Gesundheit einhergehen, die als typische Altersleiden gelten – darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Diabetes, Osteoporose oder Makuladegeneration.
Nahrung für den Kopf
Zahlreiche Studien belegen zum Beispiel die hohe Bedeutung einer ausreichenden Versorgung mit Mikronährstoffen für die Gedächtnisleistung. So kam eine Studie der Universität Oxford zu dem Ergebnis, dass sogar bereits bevor ein klinischer Vitamin-B12-Mangel gemessen werden kann, das Gehirn unter einer schlechten Versorgung mit dem Vitamin leidet1. Der Studie zufolge war das Risiko derjenigen Probanden mit niedrigem Vitamin-B12-Spiegel, einen Gehirnschwund zu erleiden, sechsmal größer als das der besser mit Vitamin B12 versorgten Teilnehmer.
Auch Docosahexaensäure (DHA) aus der Gruppe der Omega-3-Fettsäuren kann eine wichtige Hilfe für das alternde Gehirn sein – dies meint zum Beispiel Professor Dr. Tobias Hartmann von der Universität des Saarlandes im „Vitamin-Bericht 2014“. Prinzipiell, so der Biologe und Demenz-Experte, sei das Gehirn eines 70-Jährigen genauso leistungsfähig, wie das eines jungen Menschen. Allerdings müsse man das Gehirn gesund halten, dabei könnte die Omega-3-Fettsäure helfen. Niacin (früher bekannt als Vitamin B3) könnte ebenfalls eine vorbeugende Wirkung vor der Alzheimer-Krankheit haben, wie das Ergebnis einer US-amerikanischen Studie nahelegt2. Vitamin E und das bereits erwähnte Vitamin D sind, Studien zufolge, weitere Mikronährstoffe, die eine wesentliche Rolle dabei spielen können, dem geistigen Abbau im Alter entgegenzuwirken3,4.
Körper und Seele stärken mit Mikronährstoffen
Wie der „Vitamin-Bericht“ aufzeigt, ist die Liste weiterer Beeinträchtigungen, die mit einem Mangel an Mikronährstoffen assoziiert sein können, lang. Dazu zählen Altersdepressionen aufgrund eines möglichen Vitamin-D-Defizits ebenso wie eine geschwächte Sehkraft durch ungenügende Vitamin-A-Zufuhr. Auch das erhöhte Risiko eines Herzinfarkts wird thematisiert. Demnach stellte eine Forschergruppe der Harvard School of Public Health in Boston nach Untersuchung von über 18.000 Männern im Alter zwischen 40 und 75 Jahren über einen 10-Jahres-Zeitraum fest, dass Männer mit einem niedrigen Vitamin-D-Plasmaspiegel öfter von einem Herzinfarkt betroffen waren als die ausreichend mit dem Vitamin versorgten Personen5.
Diabetes ist eine weitere Erkrankung, die als geradezu typisch für betagte Menschen gilt. Dass die Mikronährstoffversorgung eine große Bedeutung zur Prävention haben kann, ist dagegen nur wenigen bewusst. Magnesium nimmt dabei eine wichtige Rolle ein, da es eine Schlüsselrolle im Kohlenhydratstoffwechsel spielt. Es fördert die Insulinwirkung und die Blutzuckerverwertung, hinzu kommt ein entzündungshemmender Effekt. Doch mangelt es hier erneut vielen Senioren an einer ausreichend hohen Versorgung.
Auch eine schmerzlindernde Wirkung von Antioxidantien wird möglicherweise unterschätzt: Immerhin haben Studien belegen können, dass diese die Behandlung mit „klassischen“ Schmerzmitteln aus der Gruppe der Analgetika unterstützen können6. Untersuchungen zufolge führte die zusätzliche Verabreichung von Vitamin A, C, E und Selen etwa zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome einer Pankreatitis gegenüber einer alleinigen Gabe von Analgetika.
Unterversorgt bis auf die Knochen
Paradebeispiel für die Prävention einer Alterserkrankung mittels Mikronährstoffen ist schließlich die Vorbeugung von Osteoporose durch Vitamin D. Dieses gilt als der Knochenmikronährstoff schlechthin, regelt es doch den Calciumstoffwechsel und ist damit essentiell für gesunde Knochen und Zähne. Steht es nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, kann Osteoporose – eine der zehn weltweit häufigsten Krankheiten – die Folge sein. Mit ihr ist wiederum das Risiko für Knochenbrüche deutlich erhöht.
Neben Faktoren wie familiäre Veranlagung, Schilddrüsenüberfunktion, Rauchen oder hoher Alkoholkonsum kommt es durch Fehlernährung zu einem Mangel. Oft wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, denn lässt die Mobilität im Alter nach, gehen viele Senioren auch seltener aus dem Haus und damit seltener ans Tageslicht (Stichwort: Sonnenlichtexposition zur Vitamin-D-Bildung). Und da die Fähigkeit der Haut zur Vitamin-D-Synthese mit steigendem Lebensalter ohnehin abnimmt, wird der Mangel noch verschärft. Bei nachgewiesener Osteoporose gehört daher die gezielte Zufuhr von Vitamin D und Calcium über entsprechende Nahrungsergänzungsmittel zur Grundlage der ärztlich verordneten Therapie.
Lebensumstände als wichtige Ursache
Der „Vitamin-Bericht 2014“ geht aber nicht nur auf das Wechselspiel von Mikronährstoffen und alterstypischen Erkrankungen ein, sondern rückt auch die eigentlichen Ursachen eines Mangels an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen bei Senioren in den Vordergrund. Hieraus lassen sich praktische Empfehlungen zur Verbesserung der Situation ableiten. Dabei konstatiert der Bericht, dass sich mit dem Alter oftmals die Lebensumstände und Ernährungsgewohnheiten verändern – etwa auf Grund von Alterungsprozessen, Krankheiten oder sozialen Veränderungen. Fehlernährung und einhergehende Defizite in der Versorgung mit Mikronährstoffen sind nicht selten die Folge.
Wie das Beispiel der Osteoporose zeigt, kann etwa die eingeschränkte Mobilität dazu führen, dass betagte und hochbetagte Mitbürger bezüglich Vitaminversorgung ins Hintertreffen geraten. Wird nicht mehr der Weg zum Fachgeschäft oder Markt angetreten, ersetzen auch oft weniger vitaminhaltige Fertiggerichte frische Lebensmittel. Bei Pflegebedürftigkeit oder Heimaufenthalt kann sich diese Situation verschärfen. Werden Speisen zu Hause zubereitet, neigen viele Betroffene wiederum dazu, sie wegen Zahnprothesen, Schluckbeschwerden oder aus Unverträglichkeit lange zu garen, was zu einem Verlust an Vitaminen führt. Verhaltensmuster wie diese, oftmals in Verbindung mit altersbedingten Veränderungen des Organismus, tragen dazu bei, dass es vielen Senioren an wichtigen Mikronährstoffen mangelt.
So beschreibt der „Vitamin-Bericht 2014“ auch einfache Regeln, deren Einhaltung das Älterwerden positiv beeinflusst. Dazu zählt zum Beispiel ausreichend Bewegung an der frischen Luft ebenso wie eine ausgewogene Ernährung. Und je nach individueller Situation kann auch eine zusätzliche Ergänzung mit einzelnen Mikronährstoffen sinnvoll sein.
Literatur:
1) Vogiatzoglou A et al.; Vitamin B12 status and rate of brain volume loss in community-dwelling elderly; Neurology, Volume 71. 2008, September 9; 826-832
2) Morris MC; Dietary niacin and the risk of incident Alzheimer’s disease and of cognitive decline, Journal of neurology, neurosurgery, and psychiatry. 2004 Aug; 75(8): 1.093-9
3) Llewellyn DJ et al.; Vitamin D and Risk of Cognitive Decline in Elderly Persons, Arch Intern Med. 2010; 170(13): 1.135-1.141; DOI: 10.1001/archinternmed. 2010.173
4) Mangialasche F et al.; High plasma levels of vitamin E forms and reduced Alzheimer’s disease risk in advanced age. Journal of Alzheimer’s Disease, 2010; DOI: 10.3233/JAD-2010-091450
5) Giovannucci E et al.; 25-Hydroxyvitamin D and risk of myocardial infarction in men: a prospective study, Arch Intern Med 2008; 168(11): 1.174-80
6) Parrish CR et al.; Antioxidants as Adjunctive Therapy for Pain in Chronic Pancreatitis, Pracitcal Enterology, March 2012, pp4249