Die Querschnittsstudie aus dem KORA-Projekt („Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg“) beschreibt die Auswertung einer Befragung von 1.079 Personen über 65 Jahre. Ermittelt wurde dabei, welche Nahrungsergänzungsmittel die Senioren innerhalb der letzten 7 Tage zu sich genommen haben. Auf dieser Grundlage wird ihre Versorgungssituation mit Vitaminen und Mineralien bewertet. Die Autoren sehen bei 20 Prozent der Frauen und 33 Prozent der Männer zu hohe Magnesium-Werte; Vitamin-E wird bei 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer als zu hoch erachtet. Als Richtlinie werden dabei die UL-Werte1 genommen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft als tolerierbare tägliche Aufnahmehöchstwerte für Vitamine und Mineralstoffe empfohlen werden. Auch die Ernährungsgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz nennen entsprechende Bezugsgrößen (DACH-Werte).
Es ist problematisch, dass in dieser KORA-age-Studie eine Überversorgung durch die UL- bzw. DACHwerte definiert wird. Das ist bei der befragten Personengruppe nicht zulässig. Die Referenzwerte gelten ausschließlich für gesunde Menschen, wobei die Studienteilnehmer ein Durchschnittsalter von über 76 Jahren aufweisen. Unter dieser Voraussetzung ist es nicht zulässig, eine gesunde Grundgesamtheit anzunehmen. Im Gegenteil: Rund 45 Prozent der Befragten gaben an, die Nahrungsergänzung von ihrem Arzt verordnet oder empfohlen bekommen zu haben. Das schließt Personen mit einem diagnostizierten Mineralstoff-/Vitamin-Defizit, mit Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen und unterschiedlicher medikamentöser Therapie ein. Davon ist ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung der gleichen Altersgruppe betroffen, sie alle beeinträchtigen die Aussagefähigkeit der Studie.
Zudem beschreiben die UL-Werte die Dosis-Obergrenzen, die ein gesunder Erwachsener sein ganzes Leben zu sich nehmen kann, ohne gesundheitliche Probleme befürchten zu müssen. Eine Querschnittstudie gestattet aber nur eine Momentaufnahme, so sind zumindest die sieben Tage des Befragungszeitraum im Verhältnis zu „lebenslang“ zu verstehen.
Es ist unwissenschaftlich, wenn die Autoren auf der einen Seite einen „exzessiven Gebrauch“ von Nahrungsergänzungsmitteln thematisieren, aber auf der anderen Seite nicht die klinischen Vorteile der Mikronährstoffe in das Kalkül ziehen. Ob und inwieweit beispielsweise Magnesium bei Verspannungen oder Krämpfen gewirkt hat, wie sich Vitamin-D-Gaben auf die Sturzhäufigkeit auswirken oder die Einnahmen von Eisen das Blutbild verbesserte, wird nicht angegeben.
Durch die Erhebung unscharfer Daten sind die Aussagen zu einer möglichen teilweisen Überversorgung mit Vitaminen und Mineralien bei Senioren nicht zulässig. Andere Untersuchungen wie die Nationale Verzehrsstudie II2 oder die Paderborner Altenheim-Studie3 dokumentieren eher eine Unterversorgung an bestimmten Mikronährstoffen bei Senioren.
* Schwab S, Heier M, Schneider A, Fischer B, Huth C, Peters A, Thorand B: The use of dietary supplements among older persons in Southern Germany – Results from the KORA-age study, J Nutr Health Aging Nov 2013
Quellen:
1) European Tolerable Upper Intake Levels (UL)
2) Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, Nationale Verzehrsstudie II, 2008
3)Paderborner Altenheimstudie (PAHS), Untersuchung zur Ernährungs- und Bewegungssituation im Altenheim, Schmid und Heseker, 2001