Interview mit Prof. Dr. med. Olaf Adam von der Ludwig-Maximilians-Universität München
Herr Professor Adam, chronisch entzündliche Erkrankungen der Gelenke sind weit verbreitet. Wie werden sie primär behandelt?
Zunächst einmal steht bei dauerhaften Entzündungen die Beseitigung oder mindestens Dämpfung des Schmerzes im Mittelpunkt. Dies kann die Lebensqualität der Betroffenen enorm verbessern, und dazu dienen Schmerzmittel. Auch wenn sie im Allgemeinen gut verträglich sind, kann man bei chronischer Einnahme unerwünschte Wirkungen nicht völlig ausschließen. Deshalb ist es sinnvoll, diese Mittel nach dem Prinzip „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“ zu dosieren.
Geht es hierbei um ganz bestimmte Schmerzmittel?
Am häufigsten werden sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika oder kurz NSAR verwendet. Es sind irreversible Hemmstoffe der immer im Körper vorhandenen Cyclooxigenase-1 (COX-1). Dieses Enzym bildet die sogenannten Prostaglandine, die zahlreiche Aufgaben erfüllen: Sie schützen die Magenwand vor der ätzenden Magensäure, fördern die Nierenfunktion und beeinflussen viele andere lebenswichtige Prozesse. Durch die Entzündung wird eine Sonderform der COX vom Körper gebildet, die als Cyclooxigenase-2 (COX-2) bezeichnet wird. Spezielle NSAR, die sogenannten COX-2-Hemmer, ließen hoffen, dass mit ihnen nur die Entzündung und der Schmerz bekämpft und die wichtigen Prostaglandine der COX-1 nicht beeinträchtigt werden. Dies ist leider nur zum Teil der Fall, denn die COX-2-Hemmer schalten einen für die Fließfähigkeit des Blutes wichtigen Stoff (Prostacyclin) aus und verursachen deshalb vermehrt Herzinfarkte.
Was passiert eigentlich genau bei einer rheumatischen Erkrankung?
Welche Rolle spielen dabei Mikronährstoffe?
Die stimulierten Immunzellen bilden auch große Mengen von Sauerstoffradikalen (Reactive Oxygen Species, ROS). Diese ROS aktivieren spezifisch bestimmte Enzyme, zu denen auch die Cyclooxygenasen gehören. Diese Enzyme sind die eigentlichen Angriffspunkte der Schmerzmittel, hier greifen auch die mehrfach ungesättigten Fettsäuren an. Dagegen sind die Antioxidantien umfassender wirksam. Sie können ROS abfangen und damit nicht nur die Aktivierung der entzündungsfördernden Enzyme verhindern, sondern sogar die Bereitstellung der Vorstufe der Eicosanoide (Arachidonsäure) unterdrücken. Damit vermindert sich die Menge entzündungsfördernder Signale und der Schmerz nimmt ab. Damit werden die Entzündung und der Schmerz vermindert. Das gelingt aber nur, wenn die ROS wirklich vollständig entgiftet werden.
Ein Antioxidans, wie die Vitamine A, C und E, kann ROS (Sauerstoffradikale) binden, wird aber dadurch oxidiert und somit zerstört. Es wird dabei sogar selbst zu einem Radikal, sofern es nicht wieder durch ein weiteres Antioxidans in die nichtoxidierte Form zurückgebracht wird. Deshalb ist ein einzelnes Antioxidans wenig wirksam und möglicherweise sogar schädlich, wenn es ein ROS bleibt. Nur die abgestimmte Kooperation mehrerer Antioxidantien im biochemischen Prozess kann die Entgiftung der ROS (Sauerstoffradikale) bewirken. Eine ROS trifft immer zuerst auf das Vitamin E, das als einziges fettlösliches Antioxidans in der Zellmembran steckt. Etwa 100 mehrfach ungesättigte Fettsäuren werden in der Zellmembran von einem Molekül Vitamin E vor der Oxidation geschützt.
Das heißt also, Antioxidantien greifen an einer entscheidenden Stelle der Schmerzentstehung ein und können ihn damit vermindern? Wurde dies durch Untersuchungen belegt?
Wenn es den Antioxidantien gelingt, die ROS (Sauerstoffradikale) abzufangen, dann wird die Bildung der Entzündungsmediatoren – und damit auch der Schmerz – geringer. Leider wissen wir noch zu wenig über die richtige Kombination und die Dosierung der Antioxidantien. Aber eine große Zahl von Studien hat eindeutig nachgewiesen, dass die Konzentration der Antioxidantien, wie zum Beispiel des Vitamin E, im Blut von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erniedrigt ist. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Konzentration des Vitamin E in der Gelenkflüssigkeit (Synovia) nur etwa ein Drittel des Plasmaspiegels beträgt. Epidemiologische Studien haben zudem gezeigt, dass Personen mit niedrigem Plasmaspiegel des Vitamin E häufiger an einer Rheumatoiden Arthritis erkranken als Personen mit ausreichender Versorgung.
Können außer Antioxidantien noch weitere Mikronährstoffe eine ähnliche Wirkung erzielen?
Die in Fischölen enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sind Hemmstoffe der Enzyme Lip- und Cyclooxigenase. Im Gegensatz zu den NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) hemmen sie die Enzyme nicht irreversibel, sondern kompetitiv, also durch Verdrängung der Arachidonsäure. Deshalb fehlen den Fischölen die unerwünschten Wirkungen der NSAR. Werden vermehrt Fischölfettsäuren zugeführt, so wird Arachidonsäure von den Enzymen verdrängt und die Bildung der Eicosanoide vermindert. Hierdurch nehmen Entzündung und Schmerzen ab und NSAR können eingespart werden. Im Gegensatz zu den COX-Hemmern blockieren sie auch die Lipoxigenase und vermindern dadurch die Schwellung und die Überwärmung der Gelenke bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.