… wird hauptsächlich in unserem Körper produziert: Aus Cholesterin bilden Leber und Darmschleimhaut zunächst die Vorstufe Provitamin D3. In der Haut entsteht daraus unter UVB-Licht im Wellenlängenbereich von 280 bis 320 Nanometer zunächst Prävitamin D3.
Dieses wiederum formt sich unter dem Einfluss der Körperwärme zu Vitamin D3 (Cholecalciferol), das auch in tierischen Organismen vorkommt und eine Vorstufe für das eigentliche hormonaktive Vitamin D (Calcitriol) darstellt.
Der Tagesbedarf für Vitamin D liegt in Deutschland laut derzeitiger Empfehlung bei fünf Mikrogramm. Allerdings kann dieser Wert individuell eher erhöht sein. Kinder im ersten Lebensjahr sowie ältere Personen über 65 benötigen etwa die doppelte Menge. Auch Krankheiten wie Morbus Crohn oder Medikamente (zum Beispiel antiepileptische Präparate) können den Bedarf erhöhen.
Normalerweise kann die empfohlene Tagesdosis Vitamin D durch häufigen Aufenthalt im Sonnenlicht gedeckt werden, in Mitteleuropa zumindest während der Sommermonate. Ein Ganzkörper-Sonnenbad kann bei einem jungen Menschen 250 Mikrogramm Vitamin D hervorbringen, der Tagesbedarf eines ansonsten gesunden Erwachsenen lässt sich schon innerhalb einer Stunde decken, wenn dabei nur 20 cm2 Haut der Sonne ausgesetzt sind. Trotzdem erreicht noch nicht einmal jeder fünfte Deutsche die empfohlene Tagesdosis an Vitamin D.
Zum kleineren Teil wird Vitamin D mit der Nahrung aufgenommen, die Absorptionsrate beträgt dabei etwa 80 Prozent. Da es sich um eine fettlösliche Substanz handelt, fördern fette Speisen die Aufnahme. Vor allem Seefisch, Leber, Milch und Milchprodukte kommen als Quellen in Frage, aber auch Eier und Fleisch. In Pflanzen sind nur geringe Mengen enthalten, ausgenommen Avocados und Pilze.
Vitamin D ist der Knochenmikronährstoff; er regelt den Calcium-Stoffwechsel und ist damit unentbehrlich für gesunde Knochen und Zähne. Ein Mangel kann zu schweren Skelettschäden führen, am bekanntesten ist wohl die Osteoporose, die besonders ältere Menschen plagt. Vitamin D wirkt außerdem gegen Entzündungen und regulierend auf das Immunsystem. Darüber hinaus stärkt es die Muskelkraft und steuert die Erregungsleitung in der Muskulatur. Vitamin D ist auch maßgeblich an der Steuerung der Insulinausschüttung beteiligt. Inzwischen findet man immer mehr Wirkzusammenhänge, bei denen Vitamin D eine Rolle spielt. Einer im vergangenen Jahr publizierten Studie zufolge beeinflusst Vitamin D über 200 Gene. Die Wissenschaftler fanden auf der menschlichen Erbsubstanz DNA mehr als 2.700 Andockstellen für den Vitamin-D-Rezeptor, die sich auffällig im Bereich bestimmter Gene konzentrieren. Diese stehen im Zusammenhang mit Autoimmunstörungen wie Multipler Sklerose, Morbus Crohn, Rheumatoider Arthritis und Lupus (Systemischer Lupus erythematodes) sowie mit bestimmten Krebsarten wie zum Beispiel Darmkrebs und chronischer lymphozytischer Leukämie1.
Out of Africa
Die gehäuften Bindestellen für den Vitamin-D-Rezeptor befinden sich interessanterweise in Bereichen des Genoms mit genetischen Veränderungen, die vor allem bei Menschen europäischer und asiatischer Herkunft vorkommen. Dies stützt die These, dass sich helle Haut entwickelte, als unsere dunkelhäutigen Vorfahren aus Afrika in lichtärmere Gebiete wanderten. Es wäre somit eine evolutionäre Anpassung, um trotz schwächerer UVB-Strahlung genügend Vitamin D in der Haut zu bilden.
Grundsätzlich hängt das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen offenbar mit der Intensität der UV-Strahlung zusammen2: Menschen, die weiter entfernt vom Äquator leben, haben ein höheres Risiko für eine Reihe von Krebsarten als Menschen, die näher am Äquator wohnen. Dies betrifft unter anderem Darm-, Bauchspeicheldrüsen-, Prostata- und Brustkrebs sowie das Hodgkin-Lymphom. Höher ist dabei nicht nur das Risiko, zu erkranken, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, an der jeweiligen Krankheit zu sterben. Mit der Entfernung zum Äquator sinkt die UV-Exposition und damit auch die Vitamin-D-Bildungsrate in der Haut.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Diabetes Typ 1, Multipler Sklerose und Morbus Crohn. Bei größerer Entfernung zum Äquator ist das Risiko nicht nur für diese Autoimmunerkrankungen höher, auch die Wahrscheinlichkeit, an Bluthochdruck oder Gefäßleiden zu erkranken, steigt. Das Ergebnis einer Metaanalyse britischer Forscher auf der Basis von 28 verschiedenen Studien weist in die gleiche Richtung. Die Wissenschaftler untersuchten allein die Zusammenhänge zwischen Vitamin-D-Serumwerten und Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes und metabolischem Syndrom. Die Resultate waren überaus deutlich: Menschen mittleren und fortgeschrittenen Alters mit dem höchsten Vitamin-D-Blutspiegel litten eindeutig seltener an einer dieser Erkrankungen als ihre Altersgenossen mit den niedrigsten Serumwerten. Im Einzelnen waren Herz- und Gefäßstörungen um 33 Prozent reduziert, Typ-2-Diabetes um 55 Prozent und das metabolische Syndrom um 51 Prozent3. Die ausgewerteten Studien umfassten dabei die Daten von fast 100.000 Personen (99.745) verschiedenen Alters, Geschlechts und ethnischer Herkunft.
Den Effekt einer guten Vitamin-D-Versorgung für das Diabetesrisiko belegt auch eindrucksvoll eine finnische Studie an mehr als 10.000 Kindern. Ihnen wurden während ihres ersten Lebensjahres täglich 2.000 Internationale Einheiten (IE) verabreicht. Dies entspricht 50 Mikrogramm Vitamin D3. Über die folgenden 31 Jahre reduzierte sich bei diesen Menschen das Risiko für Typ-1-Diabetes um 80 Prozent2.
Verringerte UV-Strahlungsexposition spielt offensichtlich auch eine Rolle für den Verlauf oder den Ausbruch einer Krankheit. Bei Männern mit Prostatakrebs hat man beispielsweise beobachtet, dass dieser bei Freiluftarbeitern drei bis fünf Jahre später ausbrach als bei ihren Kollegen, die im Innern von Gebäuden arbeiteten2.
Empfehlungen nicht mehr aktuell?
Wegen der vielfältigen positiven Wirkungen höherer Vitamin-D-Dosen und der allgemein mangelhaften Versorgungslage mit diesem Mikronährstoff in den meisten Industrieländern sprechen sich mehr und mehr Wissenschaftler für eine Neubewertung der offiziellen Empfehlungen aus. Die Internationale Osteoporose-Stiftung (IOF) schlägt deshalb vor, die Werte folgendermaßen neu festzusetzen:
- Die durchschnittliche Tageszufuhr für ältere Menschen sollte 20 bis 25 Mikrogramm oder 800 bis 1.000 Internationale Einheiten (IE) betragen.
- Personen mit begrenzter Tageslichtexposition, wie etwa bettlägerige Heimbewohner, Übergewichtige, Osteoporose-Patienten und andere Menschen mit einem erhöhten Vitamin-D-Bedarf sollten ihre tägliche Zufuhr auf 50 Mikrogramm (= 2000 IE) steigern4.
Grundsätzlich könnten durch eine verbesserte Vitamin-D-Zufuhr und die Beseitigung von Mangelzuständen viele Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Es geht dabei nicht nur um die Kosten, die durch Osteoporose, Knochenbrüche und Ähnliches entstehen. Die derzeitigen Empfehlungen (5 Mikrogramm täglich) haben sich in vielen Fällen als eindeutig zu niedrig erwiesen. Viele Wissenschaftler erachten eine generelle Festsetzung der empfohlenen Tagesdosis auf 25 Mikrogramm als angemessen, in Deutschland würden dadurch geschätzt jährlich 20.000 Menschen weniger sterben5.
Einer besseren Vitamin-D-Versorgung stehen allerdings auch die teilweise sehr strikten Verhaltensregeln zur Vermeidung von Hautkrebs entgegen. Sonnencreme mit einem hohen Lichtschutzfaktor blockiert eben auch die UVB-Strahlung entsprechend. Viele Mediziner raten deshalb dazu, auch in der Mittagssonne etwa die ersten zehn Minuten (sehr empfindliche Personen etwas kürzer) ohne besonderen Schutz zu verbringen, um die Vitamin-D-Produktion anzukurbeln.
Quellen:
1) Ramagopalan SV et al.; A ChIP-seq-defined genome-wide map of vitamin D receptor binding: Associations with disease and evolution. Genome Research, 2010; DOI: 10.1101/ gr.107920.110
2) Hollick M; Vitamin D Deficiency, N Engl J Med, 2007; 357:266-81
3) Parkera J et al.; Levels of vitamin D and cardiometabolic disorders: Systematic review and meta-analysis, Maturitas, Volume 65, Issue 3, Pages 225-236 (March 2010)
4) Osteoporosis International DOI: 10 1007/ s00198-010-1285-3
5) Zittermann A; The estimated benefits of vitamin D for germany, Mol Nutr Food Res, 2010, 54, 1-8