Interview mit Herrn Dr. med. Thomas Schettler, interner wissenschaftlicher Beirat GIVE e.V.
Gibt es spezifische Risikogruppen, die mit medikamentös bedingtem Vitaminmangel rechnen müssen?
Das Risiko für die Entwicklung eines Vitaminmangels steigt mit der Anwendungszeit von einigen Medikamenten. Deshalb sollten alle, die über längere Zeit oder dauerhaft Medikamente einnehmen, auf ihre Vitaminversorgung achten. Ältere Menschen und Patienten, die eine bestimmte Diät einhalten müssen oder sich aus anderen Gründen einseitig ernähren, sind natürlich besonders gefährdet. Vor allem sollte man sich genau die Nebenwirkungen anschauen und gegebenenfalls mit seinem Arzt darüber sprechen. Dies gilt beispielsweise für Medikamente wie dem Diabeteswirkstoff Metformin, dessen negative Folgen für den Vitaminhaushalt bekannt sind. Metformin kann zu einem Vitamin-B12-Mangel führen, gerade bei älteren Menschen steigt damit das Risiko für neuropsychiatrische und neurologische Störungen wie zum Beispiel Beeinträchtigung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit und depressive Verstimmungen.
Einzelne Wirkstoffe können also Vitaminmängel bewirken. Wie wirkt es sich aus, wenn ich mehrere Medikamente gleichzeitig über längere Zeit einnehmen muss?
Eine allgemeingültige Regel dafür gibt es nicht. Man muss sich immer jede einzelne Arznei beziehungsweise jeden Inhaltsstoff und dessen Wirkung anschauen. Auf jeden Fall steigt aber das Risiko, umso mehr Medikamente oder Wirkstoffe eingenommen werden. Bei antiepileptischen Arzneien konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass deren dokumentierter negativer Einfluss auf den Vitamin-D-Haushalt zunimmt, wenn Kombinationspräparate verabreicht werden.
Vitamin-D-Defizite bei Epilepsie-Kombinationstherapie betreffen eine eher kleine Patientengruppe. Wie kann man generell medikamentenbedingten Mikronährstoff-Defiziten begegnen?
Zunächst einmal sollte man sich gründlich informieren! Das heißt: sorgfältig den Beipackzettel lesen und auch mit dem verschreibenden Arzt sprechen. Dazu sollte man aufmerksam auf Anzeichen achten, die auf Vitamin- oder Mineralstoff-Defizite hinweisen. Eine mikronährstoffreiche Kost sollte in allen Fällen selbstverständlich sein. Beim Verdacht auf Defizite, oder wenn solche als Nebenwirkung von Medikamenten zu erwarten sind, kann man sich mit Nahrungsergänzungsmitteln einfach und schnell helfen. Sicherer ist aber immer eine Rücksprache mit dem Arzt und eine gezielte Zufuhr von Mikronährstoffen, also beispielsweise von B-Vitaminen bei medikamentenpflichtigen Diabetikern.
Abschließend sei erwähnt, dass der Beeinträchtigung der Versorgung mit essentiellen Mikronährstoffen bei älteren Patienten mehr Beachtung geschenkt werden sollte, weil erstens diese Personengruppe sehr häufig eine Unterversorgung einzelner oder mehrerer essentieller Mikronährstoffe aufweist und zweitens eben insbesondere ältere Personen häufiger Medikamente einnehmen müssen, welche das Risiko einer Unterversorgung mit essentiellen Nährstoffen noch aggravieren können.