Von Unfruchtbarkeit im medizinischen Sinne spricht man, wenn die biologischen Voraussetzungen für eine Zeugung oder eine Schwangerschaft fehlen.
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Mann keine oder geschädigte Spermien bildet oder wenn bei der Frau die Eireifung gestört ist, der Eisprung nicht stattfindet oder die Eierstöcke nicht richtig arbeiten. Es kommen also immer eine ganze Reihe von Ursachen in Betracht.
Abgesehen von genetischen und krankheitsbedingten Fortpflanzungsstörungen können Faktoren wie Übergewicht oder Diabetes die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, ebenso wie eine Vielzahl von äußeren Einflüssen. So wirken sich Rauchen und Alkohol bekanntermaßen ausgesprochen negativ auf die Spermienqualität, die Fruchtbarkeit einer Frau und natürlich auch auf die Entwicklung des Fötus selbst aus.
Ähnliches gilt für zahlreiche Umweltgifte, beispielsweise für Stickstoffdioxid.
Dieses vor allem bei der Verbrennung in Dieselmotoren entstehende Gas tritt typischerweise in stark verkehrsbelasteten Gebieten auf und wird unter anderem auch für Erkrankungen der Atemwege verantwortlich gemacht. In einer mehrjährigen Untersuchung mit über siebentausend Frauen zeigte Stickstoffdioxid einen deutlich negativen Einfluss auf die Erfolgsquote von in-vitro-Befruchtungen1.
Bei einem weiteren, sehr heimtückischen und nahezu allgegenwärtigen Umweltgift stellt man inzwischen immer mehr negative Effekte fest: BPA, oder Bisphenol-A, wird vielen Kunststoffen zugesetzt, auch Verpackungen und Behältern für Lebensmittel wie etwa Plastikflaschen.
BPA entfaltet eine östrogenähnliche Wirkung im Organismus des Menschen und greift damit tief in die biochemischen Regelkreise ein. Im Tierversuch (bei Ratten) ist inzwischen nachgewiesen worden, dass bei männlichen Tieren die Hoden dauerhaft geschädigt wurden, wenn die Tiere als Fötus geringen BPA-Konzentrationen (die noch unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte lagen!) ausgesetzt worden waren2. Dies sind nur zwei Beispiele aus der langen Liste fruchtbarkeitsschädigender Umweltgifte.
Bei den Faktoren, die die Fruchtbarkeit fördern oder überhaupt erst ermöglichen, kommt den Mikronährstoffen und damit der Ernährung eine besondere Bedeutung zu. Vor allem sind es Vitamine aus der B-Gruppe, allen voran Folsäure. Dass Folsäuredefizite bei Schwangeren das Risiko von Fehlbildungen steigern, ist lange bekannt. Dieses lagerungs- und hitzeempfindliche Vitamin spielt aber darüber hinaus offenbar noch bei sehr viel mehr Schlüsselreaktionen des Stoffwechsels eine entscheidende Rolle. Folsäure wird zusammen mit den Vitaminen B6 und B12 unter anderem zum Abbau von Homocystein benötigt, einer zelltoxischen Aminosäure, die beim Proteinstoffwechsel entsteht.
Erhöhte Homocysteinspiegel werden unter anderem mit Schwangerschaftskomplikationen in Zusammenhang gebracht. Weil Folsäure und Vitamin B12 immer zusammen wirken, sollte auf jeden Fall die Versorgung mit beiden Vitalstoffen sichergestellt sein. Ein Vitamin-B12-Mangel beeinträchtigt die Fruchtbarkeit und kann zu Spontanaborten führen. Im Falle einer Schwangerschaft steigt das Risiko für Fehl- und Frühgeburten3. Diese Beobachtungen werden gestützt durch Untersuchungen, die bei unfruchtbaren Paaren einen unterdurchschnittlich niedrigen Vitamin-B12-Status festgestellt haben, sowohl bei den Frauen als auch den Männern4.
Mikronährstoffe von A – wie Antioxidantien …
Grundsätzlich unterstützen Antioxidantien die Fruchtbarkeit; dies resultiert beispielsweise aus einer Analyse mehrerer ganz unterschiedlicher Studien an zusammen weit über 1.000 Männern mit Fruchtbarkeitsstörungen.
Dabei kamen die klassischen antioxidativen Vitamine A, C und E zum Einsatz, aber auch Folat, Zink und Selen. Im Endergebnis zeigte sich dabei nach der Verabreichung von Antioxidantien eine deutliche Verbesserung der Spermienqualität und der Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft5. Schon zusätzliche Vitamin-C-Gaben im Bereich bis zu einem Gramm täglich können die Spermienqualität beziehungsweise deren Anzahl und Beweglichkeit erhöhen6.
Dieser Zusammenhang lässt sich auch schon sehr leicht anhand der Ernährung nachweisen: Die Samenqualität von Männern, die viel Fleisch, wenig Gemüse und fettreich essen, ist erheblich schlechter als die ihrer gesundheitsbewussten Geschlechtsgenossen. Wer viel Obst und Gemüse verspeist, hat offenbar die besseren Spermien7.
Die simple Regel, den Vitaminstatus generell zu verbessern, kommt Frauen genauso zugute: Zwischen der Fruchtbarkeit und der Häufigkeit, mit der zu Multivitamintabletten gegriffen wird, lässt sich ein direkter Zusammenhang nachweisen. Demnach sinkt das Risiko für Unfruchtbarkeit deutlich, wenn regelmäßig mehr als zweimal pro Woche ein Multivitaminpräparat eingenommen wird. Bei nur wenigen Gaben (bis zu zwei) in der Woche zeigten sich in einer Langzeitstudie an mehreren tausend Personen keine nennenswerten Differenzen zu Frauen, die keine Vitaminpräparate verwendeten8.
Dass Antioxidantien als Gegenspieler von freien Radikalen besonders wichtige Schutzfunktionen für einen neu entstehenden Organismus wahrnehmen, liegt auf der Hand. Innerhalb weniger Wochen formen sich die meisten Organe mit enormer Geschwindigkeit; die Wachstumsrate ist außerordentlich hoch. Während dieser Zeit werden die Weichen für das spätere Leben gestellt, negative Einflüsse wie der Angriff aggressiver Radikale können dementsprechend weit reichende Folgen haben.
Beim Samen schädigen freie Radikale zunächst die Zellmembran und in der Folge die Mobilität der Spermien. Sie können aber auch die DNA angreifen und verändern. Ist das Spermium dann noch in der Lage zu befruchten, wird die fehlerhafte Erbinformation auf die Eizelle übertragen.
… bis Z – wie Zink …
Das Spurenelement Zink ist nicht nur für das Immunsystem und einen einwandfreien Haut- und Haarmetabolismus entscheidend. Als zentraler Bestandteil von über dreihundert Enzymen und Proteinen ist es für den gesamten Organismus außerordentlich wichtig. Seine herausgehobene Rolle in der Fortpflanzungsbiologie wird schon durch die teilweise massiv erhöhten Zinkkonzentrationen in den beteiligten Zellen sichtbar. Zinkdefizite können Unfruchtbarkeit bei Frauen zur Folge haben, aber auch zu verlangsamtem Wachstum bis hin zum Tod des Fötus führen. Bei Kindern von Müttern mit Zinkdefiziten kann das Immunsystem geschädigt sein und es können Verhaltensstörungen auftreten. Diese Kinder haben später auch ein höheres Risiko für Bluthochdruck9.
Neben Vitaminen und Spurenelementen fördern auch Omega-3-Fettsäuren (z. B. enthalten in fettem Seefisch, Nüssen und Leinöl) die Fruchtbarkeit. Omega-3-Fettsäuren sind im Sperma zeugungsfähiger Männer höher konzentriert als in der Samenflüssigkeit unfruchtbarer Männer10.
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass die gesamte Fortpflanzungsbiologie und die damit zusammenhängenden speziellen Stoffwechselvorgänge in höchstem Maße auf eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen angewiesen sind. Defizite können dabei schnell extrem kritische Folgen zeigen, die im ungünstigsten Fall den frühzeitigen Tod des Fötus herbeiführen oder – falls es zu einer Geburt kommt – lebenslange schwerwiegende Schäden für das Kind bedeuten können.
Quellen:
1) Legro RS et al.; Effect of air quality on assisted human reproduction. Human Reproduction, 2010, DOI: 10.1093/humrep/deq021
2) The Endocrine Society, 92. Annual Meeting (2010, June 22). Early-life exposure to BPA may affect testis function in adulthood. ScienceDaily
3) Molloy AM et al.; Effects of folate and vitamin B12 deficiencies during pregnancy on fetal, infant, and child development. Food Nutr Bull 2008 Jun, 29(2 Suppl):S101-11
4) Pront R et al.; Prevalence of low serum cobalamin in infertile couples. Andrologia. 2009 Feb;41(1):46-50
5) Ross C et al.; A systematic review of the effect of oral antioxidants on male infertility. Reprod Biomed Online. 2010 Jun; 20(6):711-23
6) Akmal M et al.; Improvement in Human Semen Quality After Oral Supplementation of Vitamin C, Journal of Medicinal Food. Fall 2006, 9(3): 440-442. doi:10.1089/jmf.2006.9.440
7) Mendiola J et al.; A low intake of antioxidant nutrients is associated with poor semen quality in patients attending fertility clinics. Fertility and Sterility, May 2009; DOI: 10.1016/j.fertnstert. 2008.10.075
8) Chavarro JE et al.; Use of multivitamins, intake of B vitamins and risk of ovulatory infertility, Fertil Steril. 2008 March; 89(3): 668–676
9) Uriu-Adams JY; Zinc and reproduction: effects of zinc deficiency on prenatal and early postnatal development. Birth Defects Res B Dev Reprod Toxicol. 2010 Aug;89(4):313-25
10) Safarinejad MR et al.; Relationship of omega-3 and omega-6 fatty acids with semen characteristics, and anti-oxidant status of seminal plasma: a comparison between fertile and infertile men. Clin Nutr.,2010 Feb;29(1):100-5