Prof. Dr. Michael Hamm, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
400 und mehr Schlankheitsdiäten soll es schon geben. Die Verwirrung ist perfekt. Was die eine Diät in den Mittelpunkt ihrer Empfehlungen stellt, ist bei der anderen verboten. Fettaugen zählen oder Kohlenhydrate verteufeln – Diäten kommen und gehen. Auch die Herausstellung einzelner vermeintlich besonders schlankmachender Lebensmittel wie Ananas, Eier, Zitronen, Körner oder Steaks führt letztendlich nur zu einer einseitigen Ernährung, fördert den Mikronährstoffmangel und führt letztendlich auch zum Diätabbruch.
Dabei gilt längst: Je weniger Diät(en) man macht, desto besser kann man abnehmen. Und die beste Diät ist die, von der die wenigsten wieder abspringen. All dies deutet auf die Wichtigkeit einer dauerhaften und persönlich zufrieden stellenden Strategie im richtigen Zusammenspiel aus ausgewogener Ernährung und genügend körperlicher Aktivität hin.
Die kontroverse Diskussion der Rolle der Nahrungskohlenhydrate und Fette als Verursacher von übergewicht und ihre jeweiligen Anteile in einer Gewichtsreduktionsdiät zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Schlankheitsdiäten. Mal heißt es „low fat“ mit alleiniger Fokussierung auf den Fettgehalt bei gleichzeitiger Freigabe der Kohlenhydrate. Ein anderes Mal wird „low carb“ gefordert und die Eiweiße (und Fette) werden großzügig zugelassen. Eine Verfeinerung stellt noch das bekannte GLYX-Prinzip dar, wobei dem Einfluss verschiedener Nahrungskohlenhydrate auf den Blutzuckerspiegel und die anschließende Insulinantwort besondere Bedeutung zugemessen wird.
In allen Prinzipien steckt ein „Körnchen“ Wahrheit, aber alle bergen auch die Gefahr von Defiziten wie bei allen Extremen. Sind es bei „low fat“ die fettlöslichen Vitamine und essenziellen Fettsäuren, die im Einzelfall kritisch werden können, muss bei „low carb“ damit gerechnet werden, dass Defizite an Ballaststoffen, Magnesium, Kalium und Folsäure auftreten können. Auch erfordert der Säure-Basen-Haushalt dann besondere Beachtung, wenn vor allem pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse und Obst zu kurz kommen. Diese habenwiederum wie kernige Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte einen günstigen Einfluss auf das Blutzuckerverhalten und die damit verbundene Sättigung. Und schlank werden kann bekanntlich nur, wer nicht ständig Hunger verspürt.
In diesem Zusammenhang haben auch Nahrungsproteine einen besonderen Stellenwert. Sie sättigten gut und sind in Verbindung mit körperlicher Aktivität wichtig für den Aufbau und Erhalt der Muskelmasse und damit für die Aufrechterhaltung der Stoffwechselaktivität (Anti-Jo-Jo-Effekt) während einer Gewichtsreduktion. Durch ihre hohe thermogenetische Wirkung (stoffwechselbedingte Wärmebildung) sind Eiweiße zudem ein unökonomischer Energielieferant. Der Anteil der Energie, die in Wärme umgewandelt wird, macht 20 bis 50 Prozent aus. Bei Kohlenhydraten sind es vier bis sieben und bei Fetten nur höchstens vier Prozent. Während einer Gewichtsreduktion kann der Energieanteil der Kost daher zu 20 bis 25 Prozent aus Eiweiß bestehen. Das entspricht maximal 2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht.
Pfunde verlieren – aber nicht die Vitalität
Kritisch sind alle einseitigen (Crash-) Diäten und das FdH-Prinzip zu sehen. Sie bieten die größte Gefahr von Mangelerscheinungen und führen zur höchsten Abbruchrate unter den Diäten. Ein Lern- und Dauererfolg bleibt aus. Doch auch Leistungssportler können im Zusammenhang mit der Gewichtsfrage Probleme bekommen ebenso wie diejenigen, die es beim Abnehmen in beiden Bereichen übertreiben, d. h. die Ernährung zu stark einschränken und sich exzessiv bewegen.
Bei hohem Energieumsatz und bedarfsgerechter Energiezufuhr ist im Allgemeinen eine gute Mikronährstoff- und Proteinversorgung zu erwarten, da der Bedarf an Mikronährstoffen und Eiweiß nicht überproportional zum Energiebedarf steigt. Besonders zu beachten sind allerdings Proteine, B-Vitamine, Calcium, Eisen, Zink, Jod, Selen, Chrom, Calcium, Kalium und Magnesium bei unterkalorischer Ernährung in Sportarten mit Gewichtslimitierung und besonderen Anforderungen an ein niedriges Körpergewicht wie z. B. beim Kunstturnen, Rhythmischer Sportgymnastik, Eiskunstlauf, Skispringen, Ballett sowie bei Jockeys und Sportlern, die ihren Wettkampf in Gewichtsklassen absolvieren verbunden mit den diesbezüglichen Abnahmetechniken, dem so genannten Gewichtmachen. Daraus folgen bestimmte Kriterien für die Überprüfung von Schlankheitsdiäten und Anforderungen an die persönlich richtige Schlankheitsstrategie.
Checkliste zur überprüfung von Schlankheitsdiäten
Schlankheitsdiäten, die sowohl mit den Erfordernissen des Körpers als auch denen des Alltags kollidieren, bekommen von vornherein die rote Karte. Man kann selbst prüfen, ob die gewählte Diät vor den folgenden Kriterien bestehen kann.
- Gesundheitliche Unbedenklichkeit durch bedarfsgerechte Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen – vom Vitamin A bis zum Spurenelement Zink. Bei Diäten unter 1.500 Kilokalorien ist das langfristig über die Lebensmittelauswahl allein kaum möglich und erfordert ggf. eine Nahrungsergänzung.
- Stoffwechselphysiologisch sinnvolle Abnahmestrategie (weniger Fett und Alkohol; mehr Ballaststoffe und stoffwechselaktive Nährstoffe; Orientierung am glykämischen Index, gute Sättigungswirkung).
- Realistische Zielsetzung („Viele Kilos in wenigen Tagen“ sind nun einmal nicht drin!).
- Vereinbarkeit von Ernährungsprogramm und sportlichen Aktivitäten.
- Alltagstauglichkeit; keine aufwändigen Rezepte, exotischen Lebensmittel und komplizierten Trennkost-Vorschriften; Berücksichtigung von Berufstätigkeit, Einkaufsmöglichkeiten und Familiensituation.
- Lerneffekt, das heißt schon beim Abnehmen lernen, was und wie man auf Dauer essen kann.
- Gesunderhaltung durch günstige Zufuhr von Ballaststoffen, Antioxidanzien wie Vitamine E und C, bioaktive Pflanzenstoffe, Folsäure, einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sowie Einschränkung der Aufnahme gesättigter Fettsäuren.
- Abwechslungsreiche Rezepte und schmackhafte Speisenzubereitung, damit Genuss und Schlankheit in einem gesunden Gleichgewicht bleiben.
Nachhaltige Strategien gegen Übergewicht
Ein gesundes und auf Dauer zufrieden stellendes Gewichtsmanagement basiert auf den folgenden fünf Schritten zum erfolgreichen Abnehmen:
- Trinken Sie täglich mindestens zwei Liter (z. B. Wasser, verdünnte Säfte, Gemüsesaft).
- Zählen Sie keine Kalorien, sondern buchen Sie lieber einen Kochkurs, der in die asiatische und Mittelmeerländerküche einführt (Garen im Wok, fantasievoll mit Kräutern würzen).
- Essen Sie regelmäßig, aber nicht ständig zwischendurch. Probieren Sie aus, ob Sie besser mit drei oder fünf Mahlzeiten zurechtkommen.
- Essen Sie genügend Proteine, Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe für einen aktiven Stoffwechsel und ein gesundes Aussehen – ggf. unterstützt durch ein Nahrungsergänzungsmittel.
- Verbieten Sie sich nichts. Sie dürfen alles essen, aber von allem das persönlich richtige Maß.
Für den Dauererfolg ist schließlich die körperliche Aktivierung – sei es durch mehr Bewegung im Alltag oder durch Sport in der Freizeit – unerlässlich.